Nichts ist unmöglich - in Oldenburg
oder: Warum muß die neue Feuerwache
in die alte Fleiwa?
Oldenburgs Autofahrer können sich freuen. Um zu Famila in Wechloy
zu kommen, braucht man sich nicht mehr lange durch die verstopfte
Ofener Straße zu quälen. Vom Schulzentrum an der Alexanderstraße
wird die Stadt uns an Jugendherberge und Kinderspielplatz vorbei
eine wunderbare Rennstrecke zum Pophankenweg und weiter nach
Wechloy als Vorfahrtstraße mit beiderseitigem Halteverbot bauen.
Auch die Strecke vom Pferdemarkt über die Würzburger und die
Ziegelhofstraße zur Auguststraße wird nicht länger von parkenden
Autos blockiert. Alles wird gut - meint unsere Stadtverwaltung.
Mit Tatü-tata frei Bahn für Autos
Komisch, dabei ist doch deren offizielles Konzept eine
flächendeckende Verkehrsberuhigung. Wie paßt das zusammen? Ganz
einfach. Man konzentriert Oldenburgs Hauptfeuerwache mit allen
Unfallrettungsdiensten in der alten Fleiwa an der Industriestraße.
Und die brauchen natürlich gut ausgebaute Strecken zu ihren
Einsatzorten. Und - wie Oberstadtdirektor Wandscher nicht müde
wird immer wieder zu betonen - das ist doch auch im Interesse der
VWG, der die Würzburger Straße schon lange ein Dorn im Auge ist.
Stellt sich dann doch die Frage, wie es eigentlich dahin kommen
konnte, obwohl es keine sachlichen Argumente für den Standort
Fleiwa gibt und die Feuerwehrleute selbst sich davor grausen.
Du Wurst hat einen Anfang...
Die Fabrik wurde 1923 vom Fleisch- und Wurstfabrikanten Georg Bölts zusammen
mit dem ehemaligen Großherzog Friedrich-August mit Unterstützung
der Stadt inmitten eines Wohnviertels errichtet. Fünf
Jahre später schon kam sie in genossenschaftlichen Besitz und wurde damit
Teil des gewerkschaftseigenen co-op-
Konzerns. Noch vor der großen co-op-Krise wurde ein Neubau in
Tweelbäke verabredet und die Stadt erhielt im Gegenzug für massive
Subventionen die alte Fleiwa.
... und ein Ende
Also konnte man sich schon 1985 überlegen, was man mit dem
riesigen Gelände von 12 Hektar Größe, davon allein 3,2 Hektar
Fabrikgebäude, wohl machen könnte.
Der Stadtverwaltung fiel bis zum Betriebsbeginn in Tweelbäke
Anfang 1988 - wie üblich - nichts ein. Andere waren da schon etwas
kreativer. Zum Beispiel die Bürgerinitiative Kulturfabrik. Deren
Konzept sah neben Gewerbe und Wohnen auch Kultur, Selbsthilfe und
Bildung in der alten Fleiwa vor.
Und weil das von den Grünen und der damals noch im Rat vertretenen
DKP gestützt wurde, war es SPD und CDU hochgradig verdächtig. Die
SPD blockierte die Initiative mit der Begründung, man müsse erst
auf die Entscheidung über einen (miserabel formulierten) Antrag
"Forschungsprojekt Wohnen" beim Bundesbauministerium warten.
Damit war die BI Kulturfabrik genauso abgetan wie der Versuch des
Stadtmuseums, ein Industriemuseum zu schaffen.
Geheime Chefsache
Doch was keiner ahnen konnte: Oberstadtdirektor Wandscher war
schneller! Er hatte schon in den Sommerferien 1988 heimlich die
Weichen gestellt. Kurzerhand erklärte er die alte Fleiwa zur
reinen Verwaltungsangelegenheit und damit zur nichtöffentlichen
Sache. Dem Verwaltungsausschuß, dessen Ratsmitgliedern bei Strafe
untersagt ist, Sitzungsinhalte weiterzugeben, präsentierte
Wandscher den Ausfluß seines Einfallsreichtums:
Die Stadt könne etwa DM 27 Mio einsparen und das ganz einfach. Die
Ämter für Hoch- und Tiefbau, Gartenbau, Wohnungswesen, das
Fundbüro, der Personalrat und noch einige mehr, so auch die in der
Auguststraße räumlich bedrängte Feuerwehr sollten in die alte
Fleiwa umziehen. Für die Feuerwehr seien auch nur DM 4,126 Mio.
nötig, weil ja alle Gebäude schon da sind. Näheres, etwa zur
Verkehrsanbindung, wollte er nicht sagen, da aus dem
Verwaltungsausschuß doch immer wieder Dinge an die Öffentlichkeit
gelangten.
Und schon war der Standort Feuerwehr in der alten Fleiwa ohne
jeden politischen Beschluß geschweige denn Überprüfung seiner
Eignung im Entwurf des nächsten Haushaltsplans. Der Finanzplan
1988-1992 verteilte die Ausgaben von DM 4,126 Mio. auf 1990 bis
1992, so daß sie damals niemandem recht weh taten. 1990-1994 waren
die Kosten auf DM 9,3 Mio. gewachsen, 1993-1997 auf DM 23,8 Mio
und im jetzt gültigen Plan stehen DM 28,25 Mio.
Erst Anfang 96 war es dann endlich, daß einige Bürger aufwachten.
Kein Wunder, daß es so lange gedauert hat. Es war ja niemals
bekannt geworden, wie sich der geplante Standort als Faktum in der
Politik festsetzen konnte. Zuvor gab es kritische Einwände
hauptsächlich von der Feuerwehr selbst. Aber da deren oberster
Dienstherr Heiko Wandscher heißt - Insider kennen die gnadenlose
Hierarchie unseres Oberstadtdirektors - mußte man eben die Klappe
halten.
Kritiker unerwünscht
Einmal kam es doch zum Eklat : Der frühere Chef der Oldenburger
Berufsfeuerwehr, Hanno Ritterbusch, wurde niemals zur
Standortfrage gehört. Deshalb lud er die Mitglieder des
Bauausschusses zur Feuerwehr in die Auguststraße ein und erklärte
ihnen, warum die alte Fleiwa - nicht nur aus rein
verkehrstechnischen Gründen - für die Feuerwehr völlig ungeeignet
ist. Stadtdirektor Schutte fiel ihm ins Wort, wollte ihm gar den
Mund verbieten und Herr Ritterbusch ging noch im gleichen Jahr als
Leiter der Berufsfeuerwehr nach Koblenz.
Feuerwehr muß sein und Rettungsdienste auch. Und wenn es in der
verkehrsberuhigten Zone brennt, dann muß die Feuerwehr da
reinfahren. Und irgendwer ist immer betroffen. Ein Unterschied ist
aber der, wo die Feuerwehr ihre hauptsächlichen Einsatzstrecken
hat und wie schnell sie am Einsatzort ist.
Großer Kleingärtner bremst Feuerwehr
Im alten und noch gültigen Flächennutzungsplan steht als neuer
Feuerwehrstandort ein Areal an der Bürgerfelder Straße,
unmittelbar an der Autobahnauffahrt Bürgerfelde. Dort ist sogar
schon die verkehrsberuhigte Straße als Zuwegung entsprechend breit
ausgebaut worden, sogar alle benötigten Grundstücke gehören der
Stadt.
Nur würde es das Ende von einigen Kleingartenparzellen bedeuten,
die jetzt eine Duldung bis zum Baubeginn der Feuerwehr in ihren
Verträgen stehen haben. Und der Geschäftsführer des größten
Immobilienbesitzers und Bauträgers der gesamten Region zwischen
Weser und Ems, der GSG, ist nicht nur Verbandsvorsitzender aller
Oldenburger und Ammerländer Kleingärtner. Ehrenamtlich ist er ja
auch Oberbürgermeister unserer Stadt.
Womit der Oldenburger Filz aus Verwaltung und Politik gleich drei
Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat:
Die Kleingärtner sind als Wähler gesichert.
Die zentral gelegene alten Fleiwa wird niemals zur Brutstätte von
Kultur, Kommunikation, Kunst und anderen anarchistischen Umtrieben
werden.
In Oldenburg kann man wieder richtig schön Auto fahren.
Ob diese Rechnung wohl aufgeht?
Protest bewirkt etwas...
Der massive Protest der Bürger hat mit Unterstützung der Presse,
vielen Fachleuten aus Kreisen der Feuerwehr und vor allem dem
jetzt drohenden Wahltermin dazu geführt, daß der Feuerwehrstandort
plötzlich nicht mehr alleinige Verwaltungssache und damit
gefährlich ins Wanken geraten ist.
Vor der letzten Ratssitzung waren alle Fraktionen für eine
sofortigen Baustopp. Gern ließ sich die SPD von der Verwaltung
belehren, daß dann 80 % der jetzt vergebenen Bausumme von über DM
5 Mio als Regreßforderung zu erwarten sei, und die Grünen haben es
in ihrer Naivität geglaubt, obwohl es sowohl der Rechtslage als
auch jeder Erfahrung widerspricht.
Und so konnte die CDU mit ihrem abgelehnten Antrag auf sofortigen
Baustopp Märtyrer spielen, während SPD und Grüne beschlossen, erst
mal weiter zu bauen, keine neuen Aufträge zu vergeben, nach
anderen Nutzungsmöglichkeiten zu suchen und durch ein externes
Gutachten die Standortfrage klären zu lassen.
Nach der Ratssitzung bleibt aber alles beim alten: CDU und SPD
wollen ein Gutachten noch lange nicht vergeben und rechnen für das
Ergebnis schon mal bis nach dem Wahltermin.
Die Verwaltung sagt: Wir halten uns genau an den Beschluß des
Rates: Da dieser lautet, bis zur nächsten Ratssitzung im Mai etwas
zu tun, wird bis dahin praktisch nichts gesagt, auch keine
feuerwehrspezifischen Anfragen der Parteien beantwortet.
... nur bis zu den Wahlen
Jetzt wird es wirklich spannend: Kann Oberstadtdirektor Wandscher
(er geht im Herbst in den Ruhestand) sein Lebensziel
verwirklichen, ein eigenes Denkmal in Form einer riesigen Feuer-
und Unfallrettungsstation zu errichten?
Können die großen Parteien sich bis zu Wahl retten, ohne bekennen
zu müssen, daß sie gepennt haben?
Können die Feuerwehrleute und die Bürger dieser Stadt,
insbesondere die Bewohner der verkehrsberuhigten Stadtviertel
Ziegelhof, Bürgerfelde und Haarentor mit ihren Schulen,
Kindergärten und Spielplätzen vor der fatalen Fehlentscheidung
einer fatalen Stadtverwaltung bewahrt werden.
Wir werden es erleben.
CLi
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