Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/96      Seite 1
 
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Nichts ist unmöglich - in Oldenburg

oder: Warum muß die neue Feuerwache
in die alte Fleiwa?

Oldenburgs Autofahrer können sich freuen. Um zu Famila in Wechloy zu kommen, braucht man sich nicht mehr lange durch die verstopfte Ofener Straße zu quälen. Vom Schulzentrum an der Alexanderstraße wird die Stadt uns an Jugendherberge und Kinderspielplatz vorbei eine wunderbare Rennstrecke zum Pophankenweg und weiter nach Wechloy als Vorfahrtstraße mit beiderseitigem Halteverbot bauen. Auch die Strecke vom Pferdemarkt über die Würzburger und die Ziegelhofstraße zur Auguststraße wird nicht länger von parkenden Autos blockiert. Alles wird gut - meint unsere Stadtverwaltung.

Mit Tatü-tata frei Bahn für Autos

Komisch, dabei ist doch deren offizielles Konzept eine flächendeckende Verkehrsberuhigung. Wie paßt das zusammen? Ganz einfach. Man konzentriert Oldenburgs Hauptfeuerwache mit allen Unfallrettungsdiensten in der alten Fleiwa an der Industriestraße. Und die brauchen natürlich gut ausgebaute Strecken zu ihren Einsatzorten. Und - wie Oberstadtdirektor Wandscher nicht müde wird immer wieder zu betonen - das ist doch auch im Interesse der VWG, der die Würzburger Straße schon lange ein Dorn im Auge ist. Stellt sich dann doch die Frage, wie es eigentlich dahin kommen konnte, obwohl es keine sachlichen Argumente für den Standort Fleiwa gibt und die Feuerwehrleute selbst sich davor grausen.

Du Wurst hat einen Anfang...

Die Fabrik wurde 1923 vom Fleisch- und Wurstfabrikanten Georg Bölts zusammen mit dem ehemaligen Großherzog Friedrich-August mit Unterstützung der Stadt inmitten eines Wohnviertels errichtet. Fünf Jahre später schon kam sie in genossenschaftlichen Besitz und wurde damit Teil des gewerkschaftseigenen co-op- Konzerns. Noch vor der großen co-op-Krise wurde ein Neubau in Tweelbäke verabredet und die Stadt erhielt im Gegenzug für massive Subventionen die alte Fleiwa.

... und ein Ende

Also konnte man sich schon 1985 überlegen, was man mit dem riesigen Gelände von 12 Hektar Größe, davon allein 3,2 Hektar Fabrikgebäude, wohl machen könnte.

Der Stadtverwaltung fiel bis zum Betriebsbeginn in Tweelbäke Anfang 1988 - wie üblich - nichts ein. Andere waren da schon etwas kreativer. Zum Beispiel die Bürgerinitiative Kulturfabrik. Deren Konzept sah neben Gewerbe und Wohnen auch Kultur, Selbsthilfe und Bildung in der alten Fleiwa vor.

Und weil das von den Grünen und der damals noch im Rat vertretenen DKP gestützt wurde, war es SPD und CDU hochgradig verdächtig. Die SPD blockierte die Initiative mit der Begründung, man müsse erst auf die Entscheidung über einen (miserabel formulierten) Antrag "Forschungsprojekt Wohnen" beim Bundesbauministerium warten. Damit war die BI Kulturfabrik genauso abgetan wie der Versuch des Stadtmuseums, ein Industriemuseum zu schaffen.

Geheime Chefsache

Doch was keiner ahnen konnte: Oberstadtdirektor Wandscher war schneller! Er hatte schon in den Sommerferien 1988 heimlich die Weichen gestellt. Kurzerhand erklärte er die alte Fleiwa zur reinen Verwaltungsangelegenheit und damit zur nichtöffentlichen Sache. Dem Verwaltungsausschuß, dessen Ratsmitgliedern bei Strafe untersagt ist, Sitzungsinhalte weiterzugeben, präsentierte Wandscher den Ausfluß seines Einfallsreichtums:

Die Stadt könne etwa DM 27 Mio einsparen und das ganz einfach. Die Ämter für Hoch- und Tiefbau, Gartenbau, Wohnungswesen, das Fundbüro, der Personalrat und noch einige mehr, so auch die in der Auguststraße räumlich bedrängte Feuerwehr sollten in die alte Fleiwa umziehen. Für die Feuerwehr seien auch nur DM 4,126 Mio. nötig, weil ja alle Gebäude schon da sind. Näheres, etwa zur Verkehrsanbindung, wollte er nicht sagen, da aus dem Verwaltungsausschuß doch immer wieder Dinge an die Öffentlichkeit gelangten.

Und schon war der Standort Feuerwehr in der alten Fleiwa ohne jeden politischen Beschluß geschweige denn Überprüfung seiner Eignung im Entwurf des nächsten Haushaltsplans. Der Finanzplan 1988-1992 verteilte die Ausgaben von DM 4,126 Mio. auf 1990 bis 1992, so daß sie damals niemandem recht weh taten. 1990-1994 waren die Kosten auf DM 9,3 Mio. gewachsen, 1993-1997 auf DM 23,8 Mio und im jetzt gültigen Plan stehen DM 28,25 Mio.

Erst Anfang 96 war es dann endlich, daß einige Bürger aufwachten. Kein Wunder, daß es so lange gedauert hat. Es war ja niemals bekannt geworden, wie sich der geplante Standort als Faktum in der Politik festsetzen konnte. Zuvor gab es kritische Einwände hauptsächlich von der Feuerwehr selbst. Aber da deren oberster Dienstherr Heiko Wandscher heißt - Insider kennen die gnadenlose Hierarchie unseres Oberstadtdirektors - mußte man eben die Klappe halten.

Kritiker unerwünscht

Einmal kam es doch zum Eklat : Der frühere Chef der Oldenburger Berufsfeuerwehr, Hanno Ritterbusch, wurde niemals zur Standortfrage gehört. Deshalb lud er die Mitglieder des Bauausschusses zur Feuerwehr in die Auguststraße ein und erklärte ihnen, warum die alte Fleiwa - nicht nur aus rein verkehrstechnischen Gründen - für die Feuerwehr völlig ungeeignet ist. Stadtdirektor Schutte fiel ihm ins Wort, wollte ihm gar den Mund verbieten und Herr Ritterbusch ging noch im gleichen Jahr als Leiter der Berufsfeuerwehr nach Koblenz.

Feuerwehr muß sein und Rettungsdienste auch. Und wenn es in der verkehrsberuhigten Zone brennt, dann muß die Feuerwehr da reinfahren. Und irgendwer ist immer betroffen. Ein Unterschied ist aber der, wo die Feuerwehr ihre hauptsächlichen Einsatzstrecken hat und wie schnell sie am Einsatzort ist.

Großer Kleingärtner bremst Feuerwehr

Im alten und noch gültigen Flächennutzungsplan steht als neuer Feuerwehrstandort ein Areal an der Bürgerfelder Straße, unmittelbar an der Autobahnauffahrt Bürgerfelde. Dort ist sogar schon die verkehrsberuhigte Straße als Zuwegung entsprechend breit ausgebaut worden, sogar alle benötigten Grundstücke gehören der Stadt.

Nur würde es das Ende von einigen Kleingartenparzellen bedeuten, die jetzt eine Duldung bis zum Baubeginn der Feuerwehr in ihren Verträgen stehen haben. Und der Geschäftsführer des größten Immobilienbesitzers und Bauträgers der gesamten Region zwischen Weser und Ems, der GSG, ist nicht nur Verbandsvorsitzender aller Oldenburger und Ammerländer Kleingärtner. Ehrenamtlich ist er ja auch Oberbürgermeister unserer Stadt.

Womit der Oldenburger Filz aus Verwaltung und Politik gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat:

Die Kleingärtner sind als Wähler gesichert.

Die zentral gelegene alten Fleiwa wird niemals zur Brutstätte von Kultur, Kommunikation, Kunst und anderen anarchistischen Umtrieben werden.

In Oldenburg kann man wieder richtig schön Auto fahren. Ob diese Rechnung wohl aufgeht?

Protest bewirkt etwas...

Der massive Protest der Bürger hat mit Unterstützung der Presse, vielen Fachleuten aus Kreisen der Feuerwehr und vor allem dem jetzt drohenden Wahltermin dazu geführt, daß der Feuerwehrstandort plötzlich nicht mehr alleinige Verwaltungssache und damit gefährlich ins Wanken geraten ist.

Vor der letzten Ratssitzung waren alle Fraktionen für eine sofortigen Baustopp. Gern ließ sich die SPD von der Verwaltung belehren, daß dann 80 % der jetzt vergebenen Bausumme von über DM 5 Mio als Regreßforderung zu erwarten sei, und die Grünen haben es in ihrer Naivität geglaubt, obwohl es sowohl der Rechtslage als auch jeder Erfahrung widerspricht.

Und so konnte die CDU mit ihrem abgelehnten Antrag auf sofortigen Baustopp Märtyrer spielen, während SPD und Grüne beschlossen, erst mal weiter zu bauen, keine neuen Aufträge zu vergeben, nach anderen Nutzungsmöglichkeiten zu suchen und durch ein externes Gutachten die Standortfrage klären zu lassen.

Nach der Ratssitzung bleibt aber alles beim alten: CDU und SPD wollen ein Gutachten noch lange nicht vergeben und rechnen für das Ergebnis schon mal bis nach dem Wahltermin.

Die Verwaltung sagt: Wir halten uns genau an den Beschluß des Rates: Da dieser lautet, bis zur nächsten Ratssitzung im Mai etwas zu tun, wird bis dahin praktisch nichts gesagt, auch keine feuerwehrspezifischen Anfragen der Parteien beantwortet.

... nur bis zu den Wahlen

Jetzt wird es wirklich spannend: Kann Oberstadtdirektor Wandscher (er geht im Herbst in den Ruhestand) sein Lebensziel verwirklichen, ein eigenes Denkmal in Form einer riesigen Feuer- und Unfallrettungsstation zu errichten?

Können die großen Parteien sich bis zu Wahl retten, ohne bekennen zu müssen, daß sie gepennt haben?

Können die Feuerwehrleute und die Bürger dieser Stadt, insbesondere die Bewohner der verkehrsberuhigten Stadtviertel Ziegelhof, Bürgerfelde und Haarentor mit ihren Schulen, Kindergärten und Spielplätzen vor der fatalen Fehlentscheidung einer fatalen Stadtverwaltung bewahrt werden. Wir werden es erleben.

CLi


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