Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/96      Seite 6
 
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Kinderverführer unterwegs

Dieser Clown ist nicht zum Lachen!

Er treibt wieder sein Unwesen und versucht über die Eroberung von Kinderseelen eine schnelle Mark zu machen. Er - das ist der "Clown" Ronald McDonald aus der Imbißkette mit demselben Namen.

Im letzten Jahr wurde ich durch verschiedene Zeitungsartikel auf diesen fragwürdigen Werbefeldzug des Bullettenkonzerns McDonalds aufmerksam; und wütend, denn wenn jetzt selbst Einrichtungen der kleinsten von uns - unserer Kinder - nicht sicher vor dem Einfluß der Werbung für eine Freß- und Wegwerfgesellschaft sind, ist es dringend Zeit, dagegen aufzubegehren.

Niemand nimmt Anstoß

Umso mehr wundert mich, daß sonst offensichtlich niemand Anstoß daran nimmt, wenn hinter der pädagogischen Maske Konzerne mit einseitigen wirtschaftlichen Interessen die Kindergärten als Werbeorte aufsuchen.

Bekannt sind mir nur einige Auftritte durch Zeitungsartikel; vielleicht gab es noch mehr:
- Am 24.September `95 war Ronald McDonald als Zauberer im Haus Regenbogen
- Am 17.August `95 wurde in einem Anzeigenblatt über eine Minipaß-Aktion mit dem "Clown" bei Famila Wechloy berichtet; Veranstalter war diesmal ausgerechnet das Amt für Jugendpflege der Stadt Oldenburg. 200 Kinder und ihre Eltern waren hier willkommene Werbeopfer.
- Am 10.Oktober besuchte der "Clown" den Sprachheilkindergarten in Nadorst. Hier trat er mit dem Thema Verkehrserziehung auf, um die Kinder in die Regeln des Straßenverkehrs einzuführen.
- Am 24.März `96 schließlich war in einer Oldenburger Zeitung zu lesen, daß Ronald McDonald in der letzten Woche vier Kindergärten aufsuchte, um sich dort unter dem Motto "Sicheres Zuhause" in Kinderseelen einzuschleichen.

Wenn auch das Kennenlernen von Straßenverkehrsregeln, sicheres Verhalten im Haushalt und die Freude über einen schönen Nachmittag zu begrüßen sind: Ich meine, daß dieser Auftritt vom Bulletten-Clown in pädagogischen Einrichtungen auf jeden Fall abzulehnen ist!

Pädagogik heißt Verantwortung

Pädagogische Arbeit in Einrichtungen für Kinder ist eine verantwortliche Aufgabe, die Vertrauen zwischen Kindern und Fachpersonal, Professionalität und Sensibilität für existentielle Bedürfnisse von Kindern erfordert. Die Prinzipien pädagogischer Arbeit sind dabei an aktuellen erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten und müssen für die Eltern der Kinder transparent sein, damit diese einen Überblick darüber haben, wo ihr Kind eine nicht geringe Zeit des Tages verbringt.

Der "Clown" Ronald McDonald hat statt pädagogischer ökonomische Interessen. Er wird von McDonalds bezahlt und soll aus Kindern kleine und bald große KonsumentInnen machen. Im eigentlichen Sinne ist Ronald gar kein richtiger Clown. Siegfried Pater, der sich seit Jahren mit dem Gebaren des Bullettenkonzerns beschäftigt, hält ihn für humorlos und für komisch nur nach Vorschrift.

McDonalds gibt Marketing zu

Der eigentliche Zweck wird auch beim Marketing-Chef Rolf Kreiner deutlich: "Ronald McDonald soll eigentlich immer in spielerischer Form McDonalds für die Kinder präsent halten. Ohne direkt gleich etwas zu verkaufen. Aber langfristig glaube ich, daß sich das auszahlt. Ja, wer heute als Kind zu McDonalds geht, der wird das natürlich auch später tun."1) - "Das Schlimme für die Kinder ist ja", so eine Mutter, "McDonalds ist nicht nur auf die schnelle Mark aus. Das ließe sich ja verbieten. Das Schlimme ist: McDonalds will die Herzen der Kinder."2)

Kinder werden hier zu Opfern eines Werbefeldzugs, die dies nicht ohne weiteres durchschauen und sich dagegen auch kaum wehren können. Woher soll dafür auch der Impuls kommen, wenn die als Vertrauenspersonen erlebten verantwortlichen Beschäftigten in den jeweiligen Einrichtungen diesen Clown akzeptieren und damit als Vorbilder für kindliches Verhalten dienen. Hier zieht auch nicht die immer wiederkehrende Behauptung, daß eine Werbung bei diesen Auftritten nicht beabsichtigt sei. So heißt es schon im Marketing-Handbuch von McDonalds: "Ronald McDonald ist das allerwichtigste Vehikel, um mit Kindern zu kommunizieren. Forschung hat nachgewiesen, daß Kinder im Alter von zwei bis neun Jahren eine ganz besonders direkte Beziehung zwischen ihren Gefühlen Ronald und denen McDonalds gegenüber haben. Mit anderen Worten: In den Augen der Kinder ist Ronald gleichbedeutend mit McDonalds."3)

Gewöhnung an ungesunde Ernährung

Abzulehnen ist auch die schleichende Gewöhnung von Kindern an eine einseitige und mangelhafte Ernährung. Kindern muß die Notwendigkeit einer nährstoffhaltigen und abwechslungsreichen Nahrung nahegebracht werden. Sie sind noch in der Entwicklung und sind auf vernünftiges Essen angewiesen. Dazu gehört auch die Art und Weise der Zubereitung. Das Bewußtsein, daß Nahrung eingekauft und zubereitet werden muß, daß dies Zeit dauert und das dies alles wichtig ist für ein gesundes Leben. Eine Entfremdung findet statt, wenn Kinder die Philosophie des Hamburgerkonzerns übernehmen, wo alles ganz schnell gehen muß. Schnell kaufen, noch schneller essen und schnell wieder Platz machen für die nächsten Kunden.

So wird Kindern indirekt die Hektik unserer Zeit vermittelt; nach Meinung von ErziehungswissenschaftlerInnen mitverantwortlich für Probleme in der kindlichen Sozialisation. Dies ist überhaupt nicht zum Lachen.

Pädagogisches Personal in Kindergärten und anderen pädagogischen Einrichtungen muß sich hier fragen lassen, auf welcher Grundlage sie diese fragwürdige Einflußnahme eines Konzerns auf Kinder rechtfertigen und ob sie sich ausreichend mit dem Konzern McDonalds und seinen mit dem Clowns-Auftritt verbundenen Interessen auseinandergesetzt haben. Sind Verkehrserziehung und die Sorge um ein "Sicheres Haus" als elementare Inhalte der Erziehung von Kindern und die Gestaltung eines Kinderfestes mit Zauberer nicht Aufgaben pädagogischer Einrichtungen anstatt eines Imbißkonzerns mit eindeutigen Absichten?

Wurden Eltern gefragt?

An die Eltern der betroffenen Kinder ist hier die Frage gerichtet, ob sie vor dem Auftritt des Werbe-Clowns Ronald McDonald von den für die pädagogischen Einrichtungen verantwortlichen Leitungspersonen informiert wurden und wenn ja, auf Grundlage welcher Kenntnisse sie diesem fragwürdigen Auftritt zugestimmt haben. Oldenburger Eltern sei hier Mut zum Protest gegen den Auftritt des Bulletten-Clowns mit einem Brief Frankfurter Eltern gegeben: "Wir, die Eltern der Kinder, sind entrüstet und finden diese Anfrage schlichtweg unverschämt. Als Erwachsene werden wir täglich in unerträglicher Weise mit Werbung konfrontiert; auch unsere Kinder kommen daran nicht vorbei. Wenn die Werbung jedoch nicht einmal vor den Kindergärten haltmacht, so sind wir der Meinung, daß dies einen Mißbrauch unserer Kinder für wirtschaftliche Zwecke darstellt. An Schulen ist Werbung sogar grundsätzlich verboten worden. Mit ein paar bunten Hütchen oder Fähnchen werden die Kleinsten beeinflußt und sollen so die Kassen zum Klingeln bringen."4)

Konzern in der Kritik

Zu McDonalds müßte noch einiges mehr gesagt werden; aufgrund notwendiger Kürze dieses Artikels sei hier noch auf die Aufgaben des "Fast Food Info- und Koordinationsbüro" Frankfurt hingewiesen, welches sich unter dem Zusatznamen "Volksmund" 1987 gründete. Es will folgende andere Seite einer industrialisierten Eßkultur zeigen. Im Rundbrief Sondernummer 8 heißt es dazu:

"- Regenwaldzerstörung für Rohstoffexporte: Fleisch nach Amerika, Futtermittel in die Europäische Gemeinschaft,
- vertriebene Kleinbauern und vergiftete Böden in 'Dritte-Welt-Ländern',
- untertarifliche Löhne und fehlende Sozialversicherung bei den Angestellten,
- Massentierhaltung
- Müllproduktion durch Einweggeschirr und Energieaufwand für lange Transportwege durch die wachsende Zentralisierung,
- Gesundheitsschäden durch einseitige Ernährung,
- extreme Manipulation von Kindern durch Werbung in Kindergärten."

Die Durchsicht einer Fülle von Informationsmaterial macht die ganze Bandbreite an Kritik sichtbar, auf die Literaturhinweise sei deshalb ausdrücklich aufmerksam gemacht.

Konsequenzen

Alle Oldenburger Eltern und alle für Kinder in pädagogischen Einrichtungen verantwortlichen Personen seien hiermit aufgerufen, sich Gedanken über die Absichten des McDonalds Konzern und den "Clown" Ronald McDonald zu machen unter Berücksichtigung verantwortlicher pädagogischer Arbeit.

Meines Erachtens kann die Reaktion auf die mißbräuchliche Beeinflussung von Kindern durch McDonalds nur heißen:

Hausverbot für Ronald McDonald in allen pädagogischen Einrichtungen!

Ben

Literaurhinweise:

Grefe, Christiane/Heller, Peter/Herbst, Martin/Pater, Siegfried; Das Brot des Siegers - Das Hackfleischimperium; Lamuv-Verlag, 2.Auflage, Bornheim-Merten 1986

Pater, Siegfried; Zum Beispiel McDonald´s; Lamuv-Verlag, Göttingen 1994

Ritzer, George; Die McDonaldisierung der Gesellschaft, S.Fischer-Verlag, Frankfurt/M. 1995

1) Rundbrief Nr 1, 4/88 des Fast Food Info- und Koordinationsbüro Frankfurt

2) Rundbrief Nr. 4 Mai ´89 vom Fast-Food info- und Koordinationsbüro Frankfurt

3) Grefe/Heller/Herbst/Pater; Das Brot des Siegers - Das Hackfleischimperium; Lamuv-Verlag; Bornheim-Merten, 2.Auflage 1986

4) Rundbrief Nr. 4, Mai ´89 des Fast-Food Infor- und Koordinationsbüros Frankfurt


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