Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/96      Seite 4
 
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Asyl: Geheime Lageberichte?

Sind die Lageberichte des Auswärtigen Amt nur noch für "verwaltungsinternen"Gebrauch bestimmt!?

Das Getriebe läuft reibungslos, jedes Rädchen funktioniert. Die Schnellsortierung und -abfertigung von Flüchtlingen sowie die Abschiebungsmaschinerie erbringen Höchstleistungen. Jede weitere Senkung der Flüchtlingszahlen in der BRD wird als Erfolg gefeiert, die Abschottung insbesondere am "eisernen Vorhang" an der Ostgrenze ebenso. Nun scheint ein weiterer Stein der Mauer zu stehen. Die Ablehnung vieler Asylanträge beim Bundesamt für die Anerkennung (?) ausländischer Flüchtlinge sowie bei den Gerichten basiert auf den Lageberichten des Auswärtigen Amtes. Diese Lageberichte schönen, wie allgemein bekannt ist, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen die Menschenrechtslage in vielen Ländern. Häufig genug konnten in der Vergangenheit Angaben in diesen Berichten problemlos widerlegt werden, auch wenn die VerwaltungsrichterInnen sich im Namen des Volkes auf diesen Angaben berufen und sich für die Wirklichkeit blind stellen. Insbesondere im Fall Zaire verantwortet der dortige Botschafter Herr Klaus Bönnemann, der mehr als freundschaftliche Kontakte zu diversen zairischen Regierungsmitgliedern pflegt, immer wieder Berichte, die zur problemlosen Abschiebung selbst von ExilpolitikerInnen führen. Dieses weiß wohl auch das Auswärtige Amt. Der letzte Lagebericht über Zaire vom 1.4.96 sah sich massiver Kritik nicht nur vo n amnesty international, sondern auch vom Sondergesandten der UN Roberto Garreton, ausgesetzt. Da nun die Lageberichte Grundlage der Abschiebungen sind und deshalb auch dringend weiter benötigt werden, zog das Auswärtige Amt daraus einfach die Konsequenz, daß in Zukunft keine Lageberichte mehr an die Öffentlichkeit weitergegeben werden. In einem Schreiben an den Asylkreis Rhauderfehn (Ostfriesland), der beim AA nach den neuesten Bericht anfragte, heißt es:"Ich kann Ihrer Bitte leider nicht nachkommen, da die Lageberichte nur der verwaltungsinternen Unterrichtung dienen ... . Sie können jedoch davon ausgehen, daß jede Stelle in Deutschland, die mit der Entscheidung über Asylanträge und, gegebenenfalls, der Abschiebung von zairischen Staatsangehörigen befaßt ist, ..., Zugang zum Lagebericht haben und diesen auch ausgiebig nutzen." Der Niedersächsische Flüchtlingsrat und die Zentrale Dokumentationsstelle der freien Wohlfahrtspflege für Flüchtlinge (ZDWF) bekommen den neuen Bericht ebenfalls nicht mehr. Eine "verwaltungsinterne" Anfrage vom Landkreis Leer über die Ausländerbeauftragte wurde negativ beschieden, RechtsanwältInnen kennen auch nur Fragmente durch Zitate aus Verwaltungsgerichtsurteilen. Die Dreistigkeit ist nicht mehr zu überbieten. Es werden Lügen verbreitet, auf deren Grundlage Menschen in Folter, Knast und Tod geschickt werden. Um nun zu verhindern, daß dies aufgedeckt wird, verwendet man die Lügen nur noch verwaltungsintern. Parallel hebelt man den angebliche existierenden Rechtsstaat weiter aus, RechtsanwältInnen werden in ihren geringen Möglichkeiten weiter beeinträchtigt. Es zeigt sich hier wieder einmal, wer die wahren GegnerInnen einer "freiheitlich demokratischen Grundordnung" sind.

AK Asyl, Oldenburg


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