Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/96      Seite 1
 
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Schule light in Oldenburg

Sparen ist das Thema dieser Tage, was sich an den zahlreichen Veröffentlichungen dazu erkennen läßt. Da gibt es zum einen das gerade beschlossene Bonner Sparpaket, das auch von der Niedersächsischen Landesregierung zu Recht als unsoziales Krisenmanagement, als unzulässige Sanierung des Bundeshaushalts zu Lasten der Länder und Kommunen gescholten wird. Zum anderen existieren auch allen sub- nationalen Ebenen Sparpläne mit gravierenden Einschnitten. So versucht die Hannoversche Landesregierung eine Sanierung ihres Haushalts in erheblichem Maße mit ihrer Rotstift-Bildungspolitik zu erreichen und zwar ohne die betroffenen Schüler-, Eltern- oder Lehrervertretungen ernsthaft einzubeziehen.

Schrittweise Verschlechterung

Vor Übernahme der Landesregierung gab es von der SPD-Fraktion angesichts ständig steigender Schülerzahlen die verbindliche Aussage, zumindest die ausscheidenden Lehrkräfte in vollem Umfang zu ersetzen. Nicht nur weil dies pädagogisch wünschenswert sei, sondern, so Kultusminister Wernstedt, "personalplanerisch unausweichlich, wenn das Land Niedersachsen nicht in wenigen Jahren in unlösbare Turbulenzen kommen will." Mit der Regierungsübernahme gemeinsam mit den Grünen führten sie das Land mit ihrer Schulpolitik der "Schrittweisen Verschlechterung" genau in diese Turbulenzen hinein. Der Maßnahmenkatalog, der zum Teil schon umgesetzt ist, gerade in Kraft tritt oder für 1997 schon beschlossen worden ist, umfaßt folgende Verschlechterungen:

- Anhebung der Klassenstärken

- Kürzungen der Schülerstundentafeln

- Reduzierung der Neueinstellungen bei gleichzeitiger Pensionierungswelle

- Beibehaltung der 1994 in Kraft getretenen Arbeitszeitverlängerung

- Kürzungen im Sprachunterricht für die zunehmende Zahl der ausländischen und ausgesiedelten SchülerInnen

- Wegfall der Integrationsklassen von nichtbehinderten mit behinderten Kindern

- Einschränkung des Angebots von Vollen Halbtagsschulen und Ganztagsschulen

- Wegfall der Anrechnungsstunden für FachlehrerInnen bei Betreuung von ReferendarInnen

- Erhöhung des Anteils eigenverantwortlichen Unterrichts von ReferendarInnen

Der neue Erlaß zur Unterrichtsversorgung an den allgemeinen Schulen von 1995 wurde gestreckt und seine Umsetzung auf 3 Jahre verteilt, um so den vollen Umfang der Verschlechterung scheinbar abzumildern und zu verschleiern. Im Klartext bedeutet dieser Erlaß, daß schon heute wesentlich mehr SchülerInnen in einer Klasse sitzen, die auch noch weniger Unterrichtsstunden bekommt. Es müssen weniger Klassen mit jeweils mehr Lernenden gebildet werden, um mit den verfügbaren Lehrstunden die gekürzten Stundentafeln wenigstens einigermaßen abdecken zu können. Wurden nach dem alten Erlaß z. B. die 84 SchülerInnen eines Jahrgangs in 4 Klassen unterrichtet, so müssen sie jetzt auf drei Klassen verteilt werden. Waren vorher große Klassen eher selten, sind sie jetzt die Regel. Klassenstärken von bis zu 30 Kindern sind aber auf allen Schulstufen unzumutbar für SchülerInnen und LehrerInnen. Dies gilt für die Grundschule, wenn sie den vielfältigen Bedürfnissen der Kinder und ihrem umfangreichen Auftrag irgendwie gerecht werden will, bis hin zum Leistungkurs in der gymnasialen Oberstufe mit immer differenzierterem und erweitertem Anspruch.

Lag die Unterrichtsversorgung einer Schule gestern noch bei 95%, so liegt sie heute mit den veränderten Berechnungsgrundlagen bei 100% oder mehr, ohne daß eine einzige Lehrstunde dazugekommen ist. Diese drei Maßnahmen - Erhöhung der Klassenstärke, Kürzung der Stundentafel für die Klassen und Heraufsetzung der Arbeitszeit - bringen dem Land eine Einsparung von etwa 10 000 LehrerInnen!

100%ige Versorgung?

Nun mag man glauben, daß all diese Manipulationen zumindest dazu führen, daß nach den neuen Berechnungsgrundlagen in Niedersachsen die Unterrichtsversorgung jetzt auf 100% "angehoben" wurde. Nein, das Gegenteil ist der Fall: sie sinkt, trotz aller "Schönrechnerei". In Oldenburg gibt es seit vielen Jahren kaum Neueinstellungen, was eine besondere "Überalterung" der Kollegien bedeutet. Versetzungsanträge von außerhalb nach Oldenburg wurden nur selten von der Bezirksregierung Weser-Ems genehmigt, so daß das Schulaufsichtsamt Oldenburg-Stadt alle Mühe hatte, zu Schuljahresbeginn eine Unterrichtsversorgung von etwa 93% für alle Schulen zu gewährleisten. Und selbst diese Zahl muß noch äußerst kritisch gesehen werden im Hinblick auf eine "gute" 93%ige Versorgung. Sehr viele Umbesetzungen, d.h. Abordnungen und Teilabordnungen von Lehrkräften an andere Schulen, sind für diesen gerechten Ausgleich nötig. Kann der Ausgleich in einer Schulform nicht hergestellt werden, wie es in den Oldenburger Grundschulen z. Zt. der Fall ist, gibt es dennoch keine ersehnte Neueinstellung von GrundschullehrerInnen durch das Land, sondern es wird mit Lehrkräften anderer Schulformen wie Haupt- und RealschullehrerInnen ausgeglichen. So stimmen am Ende wieder einmal die Zahlen; daß dabei organisatorische Probleme einzelner Schulen eventuell pädagogische Konzepte und Innovationsbestrebungen erschweren, liegt nahe.

Angesichts dieser schlimmen Entwicklung und ohne sichtbare Hoffnungsträger bei irgendeiner Partei - die Grünen tragen die aktuellen Verschlechterungen, wenn auch ungern, mit - wird die Glaubwürdigkeitskrise unserer PolitikerInnen wohl noch etwas anhalten.

de Graaff, GEW Oldenburg


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