Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/96      Seite 15
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Ausbeutung in der "Dritten Welt" auch durch "Bio-Anbau"?

Einige Hintergründe

Um eine Diskussion anzuregen, haben wir für die Ökomarktzeitung einen Artikel geschrieben, der sich mit Kriterien des alternativen Handels beschäftigt.

Nun ist es gerade der sogenannte äGerechtere Handel“, der schon immer Thema der äDritte Welt“- Solibewegung gewesen ist. Es wurde und wird viel diskutiert, wie soziale Strukturen unterstützt werden können und zu deren Weiterentwicklung beigetragen werden kann. Es wurden von den Leuten, die sich schwerpunktmäßig mit Weltwirtschaftsstrukturen befassen, dafür Kriterien entwickelt. Diese Kriterien gelten sowohl für die AnbieterInnen dort als auch für die WeiterverkäuferInnen hier. Zu den grundlegendsten Kriterien gehören folgende:

- Ausschaltung des Zwischenhandels in den Erzeugerländern und Verringerung auf ein Mindestmaß in den Verkaufsländern

- Mindestpreisgarantie und längerfristige Abnahmegarantien, Vorfinanzierung der Ernte

- Abnahme von Kleinbauern, Genossenschaften, anderen selbstverwalteten Projekten

- Unterstützung von lokalen Projekten, insbesondere in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Ökologie

- sozial und umweltverträgliche Produktionsweisen

- Informationsarbeit hier wie dort

- Transparenz der Handelswege sowie der Verdienstspannen der am Handel Beteiligten (von den ArbeiterInnen bis zu den EndverkäuferInnen)

Nach diesen Grundsätzen versuchen wir zu handeln. Gerade bei den landwirtschaftlich erzeugten Produkten wird nicht nur auf die sozialen Aspekte, sondern verstärkt auf den ökologischen Anbau geachtet.

Eigentlich sind wir davon ausgegangen, daß auch die Ökoszene auf die sozialen Aspekte achtet. Umso größer war die Enttäuschung, als uns klar wurde, daß einige sogenannte äfair gehandelte“ Produkte nach unseren Kriterien überhaupt nicht äfair gehandelt“ sind.

Kein Wunder, wenn dann Firmennamen genannt werden, denn es geht ja auch um die Glaubwürdigkeit des Ausdrucks äfair oder fairer gehandelt“.

Daß die Firma Lebensbaum deshalb von einer äDiffammierungskampagne“ redet, ist uns unverständlich, geht es doch lediglich um die Klarstellung des Begriffs äfairer gehandelt“ oder äAusbeuter“ im Zusammenhang mit ihrer Handelsbeziehung mit der Finca Irlanda.

Nach den direkten Informationen der Firma Lebensbaum hat die Finca Irlanda folgende Referenzen:

"(...) 1. Finca Irlanda war Welt-Pionier für die Erzeugung organisch-biodynamischen Kaffees.

2. Unzählige Forschungsarbeiten wurden auf der Finca durchgeführt.

3. Immer haben wir die Erhaltung der Umwelt unterstützt, wo immer es auch war.

4. Die Erfahrungen. die wir im Laufe der Zeit gesammelt haben, haben wir ohne Rückhalt mit Personen geteilt, die mit der Bitte um Hinweise über organische Anbaumethoden an uns herangetreten waren.

5. Finca Irlanda war direkt beteiligt an der Bildung der ‘Gesellschaft für Naturgeschichte des Seconusco A.C.’, die sich mit der Erhaltung natürlicher Areale befaßt und dem Schutz der Tiere, die in unserer Region bei Händlern durch die Regierung beschlagnahmt wurden.

6. Wir haben viele europäische Touristen aufgenommen und sie unterstützt während ihres Aufenthaltes in Mexiko.

7. Im vergangenen Jahr 1994 erhielten wir von der mexikanischen Regierung eine Anerkennung der Verantwortlichkeit des Unternehmers für die Umwelt.

8. Und zum Schluß: die beste Referenz, die wir haben können, ist die Ihre.“ (FINCA IRLANDA, 30.1.1995).

Dies schreibt die Finca selbst über sich (es ist die vollständige Aufzählung der Referenzen)“. Alles ist auch sehr schön bio (bis auf das Lob der mexikanischen Regierung, die bekannterweise Großgrundbesitzer fördert und soziale Bewegungen niederknüppelt), nur von sozialen Schwerpunkten ist dabei nichts zu hören.

Am 30.1.1995 wird von der Finca Irlanda angekündigt, einige soziale Einrichtungen zu bauen:

- eine Küche

- Unterkünfte für Zeitarbeiter

- Unterkünfte für ansässige Arbeiter (40 Familien)

- Schule

Einige dieser Projekte sind heute verwirklicht, was auch positiv zu beurteilen ist.

Trotz alledem ist es für uns undenkbar, einen äfairen Handel“ mit Großgrundbesitzern zu betreiben, die ja deshalb Großgrundbesitzer sind, weil ihnen alles gehört und denen, die dort arbeiten, nichts.

Denn das Problem sind nicht nur die Arbeitsbedingungen und die schlechte Bezahlung. Die Kaffeeplantagenbesitzer haben genauso wie die Viehzüchter das Land der Dorfgemeinschaften geraubt. Dies ist ein Prozeß, der in der Kolonialzeit begann und nie unterbrochen wurde. Dieser Prozeß ist noch durch die neue Landwirtschaftspolitik der Regierung beschleunigt worden.

Dies ist das Landproblem, das in Chiapas (wo sich auch die Finca Irlanda befindet) eine zentrale Bedeutung hat. Es ist der Konflikt zwischen de Fincas und de Bauerngemeinschaften, die ihr Land wiedergewinnen wollen.

Seit mehr als 12 Jahren herrscht eine Wirtschaftspolitik - endgültig manifestiert durch das nordamerikanische Freihandelsabkommen - mir dem Ziel, den Export von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten zu forcieren. Dazu gehören Gemüse- und Obstsorten sowie Kaffee, die sogenannten äNachtischprodukte“. Für diese Produktion werden riesige Agrarflächen benötigt, also Latifundien.

Die Dorfgemeinschaften dagegen benötigen Landverteilung. Aber die Regierung wird nie im Leben den Großgrundbesitz antasten. Sie stärkt die Latifundien, da sie hierdurch auch ihre Kontrolle in der Region stärkt; besonders, seit sie sich von der zapatistischen Armee bedroht sieht. Ein weiterer Grund, warum die Regierung den Großgrundbesitz fördert, mit Maschinen ausstattet, modernisiert und deren Produkte kauft, ist, ihr Exportmodll weiter auszubauen und als erfolgreich darzustellen.

Jedoch werden in diesem System die Campesinos gänzlich marginalisiert. Sie sehen die Möglichkeit, ihr Land zurückzugewinnen, weiter entfernt denn je. Mit den Veränderungen des Artikels 27 der mexikanischen Verfassung, die während der Herrschaft von Präsident Salinas vorgenommen wurden, sind alle rechtlichen Möglichkeiten, Land in einem bürokratischen Verfahren zu erhalten, abgeschafft worden. Damit geht jegliche Hoffnung verloren und es bleibt nur der bewaffnete Kampf.

Deshalb bleiben wir dabei:

1. Auch wenn die Ausbeutung der ArbeiterInnen auf der Finca Irlanda etwas sozialer gestaltet wird als auf anderen Fincas in Mexiko und anderen Ländern: Es bleibt das Hirarchieverhältnis Großgrundbesitzer - ansässige ArbeiterInnen - WanderarbeiterInnen. Solche Verhältnisse sind für uns nicht unterstützenswert.

2. Auch bei anderen Produkten aus dem Ökohandel, besonders denen, die aus der sogenannten äDritten Welt“ kommen, stellen wir die Frage nach den sozialen Bedingungen des Handels: Wer macht die Profite? Welche Strukturen werden unterstützt und welche zerstört?

Wir fordern die KundInnen und die AnbieterInnen der Ökoläden auf, schöne bunte Siegelchen, sei es nun äfair trade“ oder ätransfair“ zu hinterfragen, um herauszufinden, was wirklich dahintersteckt! Wir fordern sie weiterhin dazu auf, sich auch bei anderen Produkten ohne diese Siegelchen über Produktionsweisen und Handelswege kritisch zu informieren!

Pressemitteilung

Die Straßentheatergruppe äSchluck & weg“ der BUKO-Pharmakampagne wird am 19.10.1996 auf Einladung des äDritte Welt“-Informationszentrums und Ladens nach Oldenburg kommen. Die Aufführungen finden über den Tag verteilt in der Fußgängerzone statt. Genaueres wird noch bekannt gegeben.

Der Titel des Stückes der Tournee von 1996 ist:

äGute Zeichen, schlechte Zeichen. Über allerlei unnütze und gefährliche Arzneimittel in der Dritten Welt“.

Die unterhaltsamen Szenen und Lieder handeln von allerlei unnützen und gefährlichen Arzneimitteln, die hier und in der Dritten Welt angeboten werden. Im Anschluß stehen die Mitglieder der Gruppe für Gespräche und Fragen bei Tee und Kaffee in ihrem Infobus zur Verfügung.

Immer noch sind etwa die Hälfte der von deutschen Firmen in den Ländern des Südens angebotenen Arzneimittel unwirksam, zu gefährlich oder irrational zusammengesetzt. In Deutschland sind zigtausend sogenannte Altarzneimittel auf dem Markt, die nie auf ihre Wirksamkeit geprüft wurden. Wie gefährlich manches wirksam erscheinendes Medikament sein kann - all das erzählt die reisende äSchluck & weg“-Gruppe dem Publikum umsonst und draußen.

Weitere Informationen zur Theatergruppe und generell, sowie Bücher zu der Pharmakampagne gibt es im äDritte Welt“-Informationszentrum und Laden, Auguststraße 50, geöffnet Mo., Mi., Fr., 15.00-18.00 Uhr, Treffen für alle fInteressierten Mi. 18.30 Uhr.

Dritte Welt-Zentrum OL


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