Oldenburger STACHEL Ausgabe 10/96      Seite 7
 
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Das größte Atommüll-Zentrum Deutschlands

Wer denkt bei Atommüll nicht als erstes an Gorleben. Der Widerstand gegen die Atomindustrie ist dort schon älter als nicht wenige derer, die sich bei dem letzten Tag X dem CASTOR-Transport in den Weg gesetzt haben. Durch den breiten Widerstand im Wendland wurde bereits die in Gorleben geplante Wiederaufarbeitungsanlage verhindert, da die damalige Landesregierung unter Albrecht begriff, daß die Anlage politisch nicht durchsetzbar war. Und die stattgefundenen sowie kommenden Demonstrationen gegen die CASTOR-Transporte in das Zwischenlager mit jeweils mehreren tausend DemonstrantInnen und Polizeikosten von deutlich über 50 Millionen DM pro Transport, der zweite kostete 90 Miollionen DM, werden letztendlich die politsche Nichtdurchsetbarkeit des Zwischen- und Endlagerstandorts Gorleben deutlich machen. Was ist dagegen schon Ahaus?

Die Bürgernitative "Kein Atommüll in Ahaus" stellt zu diesem Thema fest: "Alle reden von Grorleben - aber das größte Atommüll-Zentrum Deutschlands wächst derweil, von der überregionalen Öffentlichkeit kaum beachtet, in Ahaus".

Was ist mit Ahaus?

Bis jetzt existiert in Ahaus eine Lagehalle für bis zu 1.500 t hochradiaktiven Atommüll, in der zur Zeit 305 CASTORen, die den gesamten Atombrennstoff des stillgelegten THTR Hamm-Uentropp enthalten, stehen. Genehmigt, durch eine Klage, die Ende des Monats verhandelt wird, aber noch gestoppt, ist die weitere Einlagerung von Brennelementen aus Leichtwasserreaktoren. Für diese Lagerhalle ist die Genehmigung der Erhöhung der Lagerkapazität von 1.500 t auf 4.200 t radioaktives Schwermetall beantragt. Weiter ist für die existieren Lagerhalle beantragt, Brennelemente aus Forschungsreaktoren, allgemein-schwammig "kernbrennstoffhaltige Abfälle und sonstige radioaktive Stoffe" sowie hochangereicherte atomwaffenfähige Brennelemente darin lagern zu dürfen.

Der Bau einer weiteren, 3 mal so großen Halle für die Lagerung und Konditionierung "schwach - und mittelradioaktiver" Abfälle, die aus der Wiederaufarbeitung in England und Frankreich kommen sollen, ist bereits genehmigt.

Bereits bekannt ist, daß für die Lagerhalle für "schwach - und mittelradioaktiver" Abfälle ein Erweiterungsantrag für die Lagerung von Brennelementen, also hochradiaktiven Stoffen kommen wird. Bekannt ist ebenfalls, daß Genehmigungen für die Lagerung von plutoniumhaltigen Brennelementen sowie für den Bau einer dritten Lagerhalle in Ahaus kommen sollen.

Unendlichlagerung

Um die Genehmigung für den Betrieb eines Atomkraftwerks zu erhalten müßen dessen Betreiber die Möglichkeit für die "Entsorgung" des entstehenden Atommüll nachweisen. Lange Zeit diente neben der Wiederaufarbeitung, die inzwischen aus technischen und wirtschaftlichen Gründen als Alternative gestorben ist, die Endlagerung in Salzstöcken oder in einem geeigneten Gestein als Entsorgungsnachweis. Die Nichteignung des Salzstocks in Gorleben für die Endlagerung von Atommüll war schon vor dem Beginn der Bohrungen bekannt. Die Wassereinbrüche im Salzstock in diesem Frühjahr haben die entsprechenden Voraussagen dann bestätigt. Ein anderer Salzstock, der für die Lagerung von hochradioaktivem Atommüll besser geeignet wäre - an der grundsätzlichen Eignung von Salzstöcken für die dauerhafte Lagerung von Atommüll bestehen starke Zweifel - ist nicht in Sicht. Aber auch für die Lagerung in massivem Fels, die z.B. in Süddeutschland denkbar wäre, bestehen keine Aussichten, abgesehen von Zweifeln an der längerfristigen Sicherheit solcher Lager. Unter der CDU in Bonn wurden deshalb die rechtlichen Grundlagen so geändert, daß schon die Möglichkeit zu einer langfristige Zwischenlagerung als Endlagerungsnachweis dienen kann. Neben dem Zwischenlager in Gorleben, dem im Ausbau befindlichen Zwischenlager Nord in Lubmin ist Ahaus mit seiner großen und weiter wachsenden Kapazität für oberirdische Endloslagerung für die Atomindustrie als "Entsorgungsnachweis" unersetzlich.

Ahaus genehm?

Die in NRW regierende SPD-Grüne-Koalition schreibt in ihrem Koalitionsvertag unter anderem das Ziel, "die Nutzung der Atomenergie mit ihren unbeherrschbaren Risiken zu beenden" fest. Speziell zu Ahaus wird fetgestellt: "Das Zwischenlager Ahaus wird auch dafür eingesetzt, daß der

Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop endgültig stillgelegt werden kann. Das Zwischenlager darf aber nicht zum Endlager werden. Beide Parteien setzen sich dafür ein, daß das Zwischenlager ausschließlich für Abfälle aus Nordrhein-Westfalen genutzt wird. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten durch Kontrollen darauf achten, daß die Sicherheit der Bevölkerung in Ahaus gewährleistet ist."

Peter Eichenseher, Grünes Mitglied des Landtags, hat dann im Sommer dieses Jahres gefordert, daß auch die abgebrannten Brennelemente aus dem stillgelegten AKW Würgassen nach Ahaus transportiert werden sollten. Für diese Position hatte er mehrere Begründungen. Eine weitere Lagerung der alten Brennelemente im AKW Würgassen, wie sie u.a. von Greenpeace gefordert wird, hielt er für ausgeschlossen und er wollte verhindern, daß sie nach La Hague zur Wiederaufarbeitung transportiert würden. Weiter sah er in Würgassen den Einstieg in den bundeweiten Ausstieg aus der Atomenergie verwirklicht, auch hiermit begründete er die Aufgabe der bundesweit von der Anti-Atom-Bewegung getragene Position, daß solange gegen alle Atommüll-Transporte, Zwischenlager und "Endlager" vorgegangen wird, solange noch weiter Atommüll produziert wird. Seine Position hat er dann pünktlich zu dritten Tag des Eröterungstermins zur Kapazitätserweiterung des Lagers in Ahaus noch einmal in der taz dargestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Brennelemente aus Würgassen schon 3 Monat in La Hague und er selbst stellte im Interview fest, daß die Landesregierung, an der er beteiligt ist, kaum Einflußmöglichkeiten auf die (Nicht-)Genehmigungen bezüglich des Lagers Ahaus habe, da diese vom "Bundesamt für Strahlenschutz" erteilt würden.

Während des Erörterungstermins wurde dann auch noch einmal deutlich gemacht, daß in Ahaus radioaktives Amterial aus der ganzen BRD, unter anderem atomwaffenfähiges Material aus Garching II, gelagert werden soll. Der Koalitionsvertrag und auch das private Ziel Peter Eichensehers, nur NRW-Atommüll nach Ahaus zu transportiern und dort zu lagern, spielen für die Energieversorgungsunternehmen, die das Lager in Ahaus benötigen, um ihre AKWs weiterbetreiben zu können, offensichtlich keine Rolle. Zu Recht kritisiert Irene Sturm aus der bayerischen grünen Landtagsfraktion das Vorgehen und die Position von Peter Eichenseher, die von der NRW-Landtagsfraktion nicht geteilt wird. Kritik "gelinde gesagt, eine riesige Sauerei" hat Irene Sturm aber auch daran, daß, während sie auf dem Erörterungstermin anwesend war, kein Mitglied der grünen NRW-Landtagsfraktion daran teilnahm und daß der BI "Kein Atommüll in Ahaus" weder personelle noch finanzielle Unterstützung zugesagt wurde. Vor diesem Hintergrund wirft sie den NRW-Bündnisgrünen vor, daß ihre AKW-kritische Haltung gekippt sei. Die umweltpolitische Sprecherin des Landesverbands NRW sagt dagegen, daß Peter Eichensehers Meinung nur eine Einzelmeinung sei. Letztendlich ist nur klar, daß der Koalitionsvertrag der Grünen mit der bekannt atom-freundlichen NRW-SPD in dem Bereich Ahaus tatsächlich nur ein Wunschzettel war. Daß dieser Bereich nun nicht erfüllt wird sieht Peter Eichenseher letztendlich auch nicht als Knackpunkt für Rot-Grün im Lande NRW, da die Entscheidungskompetenz in diesem Bereich bei einer Bundesbehörde liegt.

Das Spendenkonto für die BI "Kein Atommüll in Ahaus" e.V. führt die Kreissparkasse Borken, BLZ 428 513 10, KtNr. 59 564 021

Richard Meinsen


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