Oldenburger STACHEL Ausgabe 10/96      Seite 6
 
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"Ja, ich habe am CASTOR-Gleis gesägt!"

Ein Oldenburger wurde als Erster am Amtsgericht Dannenberg wegen öffentlichen Schienensägens verurteilt.

Am 26.9.96 hat das Amtsgericht Dannenberg den Oldenburger Michael F. zu einer Geldstrafe von 900 DM wegen "Störung öffentlicher Betriebe" verurteilt. Er hatte im März 95 mit 800 anderen an der Aktion Ausrangiert, einer öffentlichen Schienendemontage am CASTOR-Verladekran in Dannenberg teilgenommen und mit einer Eisensäge das Gleis, auf dem kein anderer Schienenverkehr rollt, zwei Zentimeter tief angesägt. Michael erklärte dem verdutzten Richter offen, "Ja, ich habe gesägt.", und macht ausführliche Aussagen zu seiner Tat und seiner Motivation. Er erklärte, daß die Schienendemontage, zu der er vorher auch in einer Zeitungsanzeige aufgerufen hatte, als gewaltfreie Aktion zivilen Ungehorsams konzipiert war. Er erläuterte auch, was zivilen Ungehorsam ausmacht, also unter anderem die gewaltfreiheit, die Gesetzesübertretung und das zu der Tat stehen, und warum er in diesem Fall gerechtfertigt ist.

"Konkret ging es uns darum, den politischen Druck zur Verhinderung der gemeingefährlichen CASTOR-Transporte nach Gorleben zu erhöhen, indem wir die Schiene vor dem Verladekran, die keinem anderen Zweck dient, als den strahlenden Müll rollen zu lassen, zu demontieren."

Richter Dresselhaus zeigte sich sichtlich beeindruckt von Motivation und Argumentation des Angeklagten, konnte sich aber zu der von der Verteidigung geforderten Einstellung des Verfahrens nicht durchringen. Die 30 Tagessätze a 30 DM, mit denen Michael noch nicht als vorbestraft gilt, bewegen sich allerdings am unteren Rand der möglichen Strafzumessung.

Allerdings hat das Gericht einen formalen Fehler gemacht: der Richter war eigentlich nicht zuständig. Deshalb hat die Verteidigung jetzt Berufung eingelegt, und der zuständige Richter wird erneut entscheiden müssen, ob die CASTOR-Schiene ein öffentlicher Betrieb ist oder nicht. Dann käme nämlich nur eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung in Frage, für die eine Anzeige der Bahn benötigt wir. Und die fehlt.

Abschreckende Wirkung wird das Urteil allerdings nicht haben. Schon am 13.10.96 wird sich Michael mit anderen Menschen aus Oldenburg und anderswo im Rahmen der Kampagne "Keine Bahn zum CASTOR-Kran" wieder auf dem CASTOR-Gleis aufhalten. Festnahme nicht ausgeschlossen.

Wer sich an der Aktion Beteiligen möchte, kann sich bei der OlgA unter: 0441/777640 melden.


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