Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/96      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

»Was sollen wir denn machen ohne den Tod«

Unter diesem Motto finden die Filmtage vom 22.-27.11. statt. Sicherlich ein sehr schwieriges Motto, denn vom Tod zu sprechen mag bedeuten, ihn heraufzubeschwören, bedeutet schon, der Unausweichlichkeit des eigenen Sterbens ins Auge zu sehen. Die Vorstellung vom eigenen Tod löst in uns Angst aus, und oft ist die Reaktion, das ganze Thema möglichst zu vermeiden. Der Tod ist ein Tabu.

Schwierig bleibt es aber auch, wenn wir uns mit ihm befassen. Welche Worte, welche Beschreibungen können wir gebrauchen?

In unserer hochtechnisierten Gesellschaft gehört der Tod nicht zum Leben, er steht ihm vielmehr unversöhnlich gegenüber. Für die Menschen, die nicht aktuell von ihm betroffen sind, ist er nicht gegenwärtig und wir vergessen dabei, daß er unser ständiger Schatten im Leben ist. So brauchen wir uns nie die Frage zu stellen, was unser Leben wert ist angesichts der Tatsache, daß es jederzeit zu Ende sein kann. Die Frage, was wir mit unserem Leben anfangen, worin der Sinn liegt, wird unterdrückt.

Die Potentialität dieser Frage könnte uns zu Neuem, noch Ungedaachtem, unmöglich Geglaubtem führen; zu dem, was wir aus Mutlosigkeit, Hoffnungslosigkeit bzw. aus Verzweiflung bisher vermieden haben, zu denken. In unserer gestalteten Welt haben wir es bisher unterlassen, einen phantasievollen, kreativen Entwurf unseres Lebens selber in die Hand zu nehmen. Die Konfrontation mit dem Gedanken an unser eigenes Sterben kann dabei eine Reflexion auf unser Leben ermöglichen, kann Energien freisetzen für mehr selbstbewußtes Leben und für mehr Gestaltungsfreiheit.

Es zeigt sich auch in vielen Filmgenres, daß der Tod in unserer Gesellschaft leider nicht mitgedacht wird. Der kulturindustriell gefertigte Tod ist das Mittel, um Spannung zu erzeugen, oder anders gesagt, um ZuschauerInnenwünsche zu befriedigen und die Kassen zu füllen. Er verkommt zu einem Lacherfolg, Blutbad oder zu einem tränenreichen Drama. Nie spricht er uns an, konfrontiert uns mit unserer eigenen Sterblichkeit. Der Tod ist immer der Tod der anderen und an ihrem Sterben wird anschaulich das Exempel statuiert, wie es uns ergehen wird, wenn wir nicht nach den moralischen Grundsätzen unserer Gesellschaft handeln. Er ist die Bestrafung der "Bösen" und die Bestätigung der "Guten". Der Tod zeigt die Schranken unserer Gesellschaft an. Somit geht es im Mainstream-Film nie um den Tod selbst, sondern um die Instrumentalisierung des Todes zur Vermittlung moralischer Botschaften.

Mit dem diesjährigen Programm verfolgen wir die berechtigte Frage "Was soll'n wir denn machen ohne den Tod", um auf die Abwesenheit und die Bedeutung des Todes aufmerksam zu machen und zeigen Filme, die sich dem Thema auf unterschiedliche Art und Weise nähern.

Das Spektrum der Filme erstreckt sich über die Auseinandersetzung mit Aids (Cori 4, Aide Memoire), Tod und Leben im Exil (Paradies Brooklyn), die Bedeutung des Todes im Nationalsozialismus (Reisen ins Leben, Fritz Levy, Das verdrängte Kapital) bis hin zum Sterben im Alter (Unter Fremden, Was soll'n wir denn machen ohne den Tod) und den Freitod (Fritz Levy, Vienna).

Programm


Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen.
Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum