Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/96      Seite 14
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Miese Tricks gegen Radio Jade

In Wilhelmshaven/Friesland will man "Radio von unten" verhindern

Über drei Jahre haben inzwischen viele Initiativen in Niedersachsen daran gebastelt, Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) zu machen. Jetzt sind aus den einstmals hoffnungsvollen Idealisten in Hameln, Göttingen, Uelzen/Lüneburg, Hannover, Braunschweig und Wilhelmshaven lizenzierte Radiomacherinnen und Radiomacher geworden. Der Stachel brachte ja schon in der letzten Ausgabe einen Überblick über die Äthertäter, die demnächst auf Sendung gehen. Aber alle werden nicht losfunken können. Einer darf nicht und nicht zuletzt spielt auch die Oldenburger "NWZ" dabei eine Rolle. "Radio Jade", der in Wilhelmshaven/Friesland beheimatete Verein, erzielte zwar am 10. September von der Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) die deutliche Mehrheit, aber einer der beiden unterlegenen Mitbewerber, die "Jade-Welle" aus Varel, will das nicht wahrhaben. Fast bis zum letzten Tag wartete sie, um bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt Widerspruch gegen die Lizenzierung von "Radio Jade" einzulegen. "Nun wird der angekündigte Sendestart am 13. April 1997 wohl nicht mehr zu halten sein", erklärten die enttäuschten Lizenznehmer.

Der dritte Mitbewerber, die GmbH "87.8-Dein Radio", hatte sich in ihrer Gesellschafterversammlung gegen einen Widerspruch ausgesprochen. Hinter dieser GmbH steht der Verleger der "Wilhelmshavener Zeitung" Manfred Adrian. Wie so oft in der Nachkriegsgeschichte hatte man in Wilhelmshaven seine eigene Demokratie durchsetzen wollen. Da man die Personen in und um "Radio Jade" nicht - oder zu gut - kannte, wollte man diesen Personen keine Möglichkeit bieten, einen unabhängigen Radiosender aufzubauen. So versuchten sie gleich zu Beginn, "Radio Jade" als linksradikal und gewerkschaftsgesteuert zu diffamieren. Sie nutzten dazu natürlich die Medien, die von ihnen abhängig sind, z.B. die einzige örtliche Tageszeitung. Auf diese Weise war es leicht für sie, die Meinung der Bevölkerung zu Radio Jade zu beeinflussen.

Pluralität als Denkmäntelchen

Dennoch konnte "Radio Jade" sich dieser Versuche recht gut erwehren, da beide Initiativen in vielen Punkten kompromißlos ihre Interessen durchdrücken wollten. So war ja die Absicht der Niedersächsischen Landesmedienanstalt jene, mit diesem fünfjährigen Versuch in den jeweiligen Regionen endlich wieder Medienvielfalt herzustellen. Gerade Wilhelmshaven dümpelt nicht nur in dieser Richtung schon länger vor sich hin. Beide Initiativen neben "Radio Jade" begannen schnell, Strukturen zu schaffen, die eine gewisse Pluralität der Mitglieder vorspiegeln. Teilweise wurden dabei sonderbare Methoden bekannt. "87.8- Dein Radio" holte sich die Gewerkschaft IG Medien ins Boot, obwohl sich fast alle Gewerkschaften als Mitglieder bei "Radio Jade" besser aufgehoben fühlten. Erklärung: Der Verleger Manfred Adrian nutzte das Arbeitsplatzargument, und obendrein würde er den Gesellschafteranteil für die IG Medien irgendwie selber zahlen. Ähnliches hörte man auch von anderen Gesellschaftern, die sich bei "87.8-Dein Radio" verpflichteten. Als der Schatzmeister des Wilhelmshavener Stadtsportbundes hörte, daß auch sein Stadtsportbund Gesellschafter bei "87.8-Dein Radio" ist, und trotz leerer Kassen pro Jahr 10.000 DM in das Verlegerradio investieren will, trat er zurück.

Auch die Vareler Initiative hinterließ keinen besseren Eindruck. Begonnen hatte alles mit einer Informationsveranstaltung von "Radio Jade" in Varel, um dort für das regionale Radio zu werben. Im Anschluß daran kamen einige Wirtschaftsvertreter aus Varel auf die Referenten von "Radio Jade" zu, um einen Termin für ein weiteres Gespräch abzumachen. Nichtsahnend gab "Radio Jade" Ideen und Papiere preis, um auch die Vareler für das Projekt "Radio von unten" zu gewinnen. Einige Tage nach diesem Gespräch wurde "Radio Jade" mitgeteilt, daß man doch lieber allein ins Rennen um die Lizenz gehen wolle, da man eigene Interessen nicht genügend berücksichtigt fände.

Lizenzentscheidung war eindeutig

Trotz all dieser Unehrlichkeiten versuchte "Radio Jade" dennoch mit beiden Mitbewerbern Gemeinsamkeiten zu finden, auch weil die Landesmedienanstalt darauf drängte. Die Bemühungen blieben erfolglos. Als am 13. August 1996 die Region Wilhelmshaven/Friesland zur Wahl stand, gingen drei Bewerber ins Rennen. "Radio Jade" erhielt von den nur 26 anwesenden stimmberechtigten Personen der Versammlung der Landesmedienanstalt 20 Stimmen. "87.8-Dein Radio" bekam fünf Stimmen und die "Jade-Welle" eine Stimme. Doch diese deutliche Mehrheit reichte nicht aus. Da die Versammlung aus 43 Personen besteht, mußte die theoretische Mehrheit von 22 Stimmen her und die hatte "Radio Jade" um zwei Stimmen verpaßt.

Am 10. September kam es dann doch zu einer klaren Entscheidung für "Radio Jade", ihre Lizensierungsurkunde erhielt die Initiative am 1. Oktober 1996. Darin wurden die Gründe für die Lizenzvergabe an "Radio Jade" genannt, aber auch die Gründe für eine Nichtberücksichtigung der anderen Bewerber:

So erfüllt die "Jade-Welle" noch nicht einmal "die persönlichen Erlaubnisvoraussetzungen", um lizenziert werden zu können. Das Finanzkonzept der "Jade-Welle" "läßt die Gegenfinanzierung des gesamten Investitionsbereiches unberücksichtigt, so daß für das erste Jahr eine Unterdeckung von rund 70.000.- DM entstehen würde", und "die Vereinsstruktur der 'Jade-Welle' bei den institutionellen Mitgliedern weist eine Vielzahl von örtlichen Wirtschaftsunternehmen aus. Eine derartige Binnenstruktur läßt nicht in dem Maße wie bei 'Radio Jade' erwarten, daß aus dem Trägerverein selbst unterschiedliche Impulse auf das geplante Programm ausgehen werden". Auch eidesstattliche Versicherungen, die die Landesmedienanstalt forderte, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob zwischen Mitgliedern Nebenabsprachen bestehen, wurden nicht abgegeben. Bei "87.8-Dein Radio" gab es ähnliche Gründe, die gegen eine Lizenzvergabe sprachen.

Die Freude war kurz

Alles klar, dachten nun die Bürgerfunker von "Radio Jade", denn die Landesmedienanstalt stellte auch deutlich heraus, daß ein eventueller Widerspruch nur "geringe Erfolgsaussichten" hat. Der ist jedoch nun erfolgt und das in der letzten Minute vor Ablauf der Widerspruchsfrist.

Nach der Lizenzierung hatte "Radio Jade" beiden unterlegenen Mitbewerbern ein Angebot zur Mitarbeit gemacht. "Radio für die Region ist nur durch Gemeinsamkeit und Unterstützung aller dauerhaft möglich", war in der Zeitungsausgabe "O-Ton" von "Radio Jade" zu lesen, aber darum scheint es den Mitbewerbern nicht zu gehen.

So kommt man nicht umhin, zu vermuten, daß hier höchstwahrscheinlich andere Interessen hinter diesem Vorgehen von der "Jade-Welle" stecken, als wirklich und ernsthaft Radio zu machen.

Klage-Motive unklar

Die Entscheidung, überhaupt einen Widerspruch gegen die Lizenzierung von "Radio Jade" einzulegen, traf der Vorstand der "Jade-Welle", ohne vorher eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Pikant an diesem Vorgehen ist die Äußerung eines Mitglieds der "Jade-Welle". Auf seine Anfrage an den Vorstand, wie sich die "Jade-Welle" nach der Lizenzierung für "Radio Jade" verhalten würde, erklärte ein Vorstandsmitglied, daß der Vorstand entschieden hätte, nicht zu klagen, obwohl der Vorstand genau das Gegenteil beschlossen hat.

Warum nun die "Jade-Welle" klagt, war bislang nicht von dem 1. Vorsitzenden der "Jade-Welle", Dierk Filmer, zu erfahren. Auch nicht, inwieweit die Oldenburger "Nordwest-Zeitung" hinter diesen Praktiken steckt. Bislang verhielt sich der Verleger Reinhard Köser der "Nordwest-Zeitung" ruhig, wenn in der einen oder anderen kleineren Zeitung von Verbindungen der "Nordwest-Zeitung" zur "Jade-Welle" die Rede war. Erst als das Medienmagazin "journalist" darüber berichtete, stellte Köser klar, daß die "NWZ" nicht an der "Jade-Welle" beteiligt ist. Wobei selbst aus Kreisen der "NWZ" sickerte, daß der Kieler Anwalt, der diesen Widerspruch behandeln soll, von der "NWZ" vermittelt oder gar beauftragt wurde.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg wird sich nun mit diesem Gerichtsverfahren befassen müssen. Der Zeitpunkt der Verhandlung ist noch nicht festgelegt.

Redakteure und Bürger müssen warten

In allen anderen fünf Regionen, in denen die Lizenzen vergeben wurden, hat sich keine unterlegene Initiativen zu einer Klage entschieden. Hier arbeitet man derzeit auf Hochtouren zum Sendestart hin.

Für 65 engste Mitarbeiter von "Radio Jade" und über 240 Mitglieder ist dieses Vorgehen der "Jade-Welle" eine traurige und unverständliche Tat, die diesen Verein nur noch enger zusammenrücken läßt. Solche miesen Methoden werden bestimmt nicht zu einer Spaltung von "Radio Jade" führen. "Viele Menschen haben uns immer wieder signalisiert, daß sie diesen Sender wollen. Wir verstehen uns als Bürgersender mit einem klaren Konzept, der allen hier lebenden Personen ein Sprachrohr sein will. Die 'Jade-Welle' hat laut Landesmedienanstalt noch nicht einmal einen vollständigen Antrag eingereicht, von daher rechnen wir mit einer schnellen und unmißverständlichen Gerichtsentscheidung für 'Radio Jade'", äußert Birgit Puvogel, Redakteurin bei "Radio Jade".

Michael Diers, Radio Jade


Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen.
Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum