Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/97      Seite 1
 
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Beschäftigungsgesellschaft:

Nur eine oder auch 501?

Ein neues Konzept zur Verminderung der Langzeitarbeitslosigkeit wird seit einiger Zeit in Oldenburg diskutiert: die Einrichtung einer sogenannten Beschäftigungsgesellschaft auf kommunaler Ebene. Noch in diesem Jahr will der Rat entscheiden, wie die Tätigkeiten dieser Gesellschaft aussehen sollen.

Bisher wird das "Bielefelder Modell" favorisiert, das eine Zentralisierung aller Förderungsmaßnahmen beinhaltet. Diese Bündelung der Kräfte - und eben auch der Gelder - scheint der reizvollste Aspekt für die Stadtverwaltung zu sein, hat sie es doch dann nur noch mit einer Einrichtung zu tun. Eine Kostendeckelung ist dabei sehr übersichtlich einzuführen.

Um ein alternatives Modell bekanntzumachen, veranstaltete die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) am 16.1. eine Informationsveranstaltung zum "Berliner Modell", einer Beschäftigungsgesellschaft mit dem Namen "Projekt 501". Knapp 70 Interessierte fanden den Weg in die Halle und ließen sich von Sabine Latuska, Mitarbeiterin der Berliner BBJ Consult, das Programm erläutern.

Projekt 501 - das Berliner Modell

Das Projekt 501 hat seinen Ursprung in den Kreuzberger Jugendunruhen von 1987, deren Teilnehmer zum Großteil arbeitslose Jugendliche waren, die durch die üblichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht erreicht wurden. Der damalige Senator Ulf Fink (CDU) regte deshalb ein Förderprogramm an, das die Jugendlichen in das Berufsleben integrieren sollte, ohne Druck auf sie auszuüben. Nach dieser Maxime funktioniert das Projekt 501 noch heute: es versteht sich als ein Angebot, über Beratungsgespräche den scheinbar chancenlosen Menschen Hilfe zuteil werden zu lassen.

In einigen weiteren Punkten unterscheidet sich das Projekt 501 deutlich von bisherigen Förderprogrammen - und auch vom Bielefelder Modell:

- es versteht sich als Ergänzung zu herkömmlichen Programmen und strebt keine Zentralisierung an,

- es wendet sich ausschließlich an Leute zwischen 18 und 27 Jahre, die mindestens ein Jahr arbeitslos sind,

- die Förderzeit ist auf drei Jahre (plus 1,5 Jahre Erziehungsurlaub) beschränkt,

- es werden in der Regel Teilzeitstellen auf einer 3/4-Basis gefördert,

- aktiver Lohnkostenzuschuß wird betrieben, indem mit der Arbeitsstelle der Arbeitsvertrag ausgehandelt wird und bis zu 3/4 des Gehaltes als Zuschuß gewährt werden (maximal dürfen das 30.500,- DM pro Jahr sein),

- es werden keine Berufsausbildungen angeboten, sondern Arbeitsplätze vermittelt bzw. geschaffen, die eine berufliche Qualifizierung bieten,

- der Wechsel der Arbeitsplätze wird ausdrücklich zugelassen, ohne daß das Programm dadurch beendet würde,

- berufliche Weiterbildung im Rahmen von Kursen, Seminare aber ggf. auch Führerscheinen werden übernommen (z.Zt. durchschnittlich 1.000,- DM pro Person),

- Austausche mit ähnlichen Programmen in anderen Ländern werden organisiert (z.B. mit Italien, Portugal und den USA)

Erfolgsgeschichte auf freiwilliger Basis

Das Berliner Programm wächst seit seiner Einführung beständig und hat mittlerweile einen Umfang von 20 Millionen Mark. 55% der Geförderten sind Frauen, 27% AusländerInnen. Entsprechend dem hohen Frauenanteil handelt es sich bei den meisten Stellen um "frauentypische": Büro- und Verwaltungstätigkeiten, die eine Fünf-Tage-Woche in sauberer Umgebung bieten. Aber auch der klassische Verkauf ist gut vertreten. Die meisten Partnerbetriebe sind dem Klein- und Mittelstand zuzuordnen und arbeiten zu 22% im Bereich der Medien (eine in Berlin starke Branche), desweiteren in den Bereichen Handel, Kosmetik und Gesundheit.

Trotz eines solch faszinierenden Programms gibt es auch bei diesem Projekt eine große Zahl von Ausscheidenden. Hierbei differenziert die Statistik für 1996 zwischen den regulären Vertragsbeendigungen auf der einen Seite, die folgende Gründe haben:

- 50% gehen in ein normales, ungefördertes Beschäftigungsverhältnis über,

- 22% werden wieder arbeitslos,

- 10% beginnen eine Qualifizierung (Berufsausbildung),

- 8% wechseln den Wohnort, nehmen Erziehungsurlaub oder beginnen den Wehr-, bzw. Zivildienst,

- 10% ohne Angaben.

Auf der anderen Seite gibt es auch die sogenannten irregulären Abbrüche aus den Gründen:

- 43% Wechsel der Arbeitsstelle,

- 30% Beschäftigungsverhältnis oder Qualifikation,

- 7% "natürliche Gründe" (Ortswechsel etc., s.o.),

- 6% ohne Angaben.

Frau Latuska wies ausdrücklich darauf hin, daß die vorzeitigen Abbrüche nichts negatives bedeuten müssen, da in ihnen ja auch die zulässigen Wechsel der Arbeitsstellen enthalten sind. Zum Vergleich mit anderen Modellen sei hier angemerkt, daß eine Berufsausbildung für ältere Langzeitarbeitslose bestimmt keine Möglichkeit der weiteren Beschäftigung ist, nachdem eine solche Lohnförderung ausgelaufen ist.

Von den 40.000 arbeitslosen Berliner Jugendlichen erfüllen ca. 13.000 das Kriterium der Langzeitarbeitslosigkeit. Zur Zeit hat das Projekt etwa 1.000 von ihnen in Arbeitsverhältnissen untergebracht. Auch dies ist eine stolze Zahl, die sich mit dem Bielefelder Modell allerdings nur bedingt vergleichen läßt. Die Bielefelder Regionale Personalentwicklungsgesellschaft mbH (REGE) beschränkt sich nicht nur auf Jugendliche und muß deshalb mit höheren Lohnkostenzuschüssen kalkulieren. Sie wurde 1992 als Zusammenlegung aller Ressourcen aus dem Sozialamt, dem Jugendamt und dem Amt für Beschäftigungs- und Wirtschaftsförderung gegründet. 1995 hatte die REGE einen Etat von 23 Millionen Mark und konnte damit 700 TeilnehmerInnen einen Platz anbieten. Der Beschluß für die Gründung der REGE geht übrigens auf ein Gutachten der Berliner BBJ Consult zurück, die die Regie des Programmes 501 innehat.

Übertragbar auf Oldenburg?

Beim Infoabend tauchten immer wieder Fragen nach der Übertragbarkeit auf Oldenburg auf. Frau Latuska betonte, daß es ja nicht gleich so ein großes Programm sein müsse, auch 50 Stellen können als Start genügen. Wenn es gut läuft, wird das Projekt schnell wachsen. Und die Frage nach den Geldquellen dürfte so hoffnungslos nicht sein, da die Sozialhilfe nur von der Stadt getragen wird, wogegen bei solchen Maßnahmen mit Zuschüssen aus Bonn und Brüssel zu rechnen ist. Ein Einwurf einer Teilnehmerin verwieß auch auf die zahlreichen subventionierten Arbeitsplätze in Branchen, die längst keine Zukunft mehr haben. Da ist es vorausschauender, neue Arbeitsplätze bei kleinen und mittleren Betrieben zu schaffen, anstatt Dinosauriern wie den Werften die Sterbehilfe zu verweigern. Die meisten Stellen, die in Berlin mit dem Programm 501 gefördert werden, würde es ohne die Lohnzuschüsse nicht geben, weil es sich die Betriebe (noch) nicht leisten können, mehr Personal einzustellen. Die Arbeitserleichterung kommt dann allen Angestellten zugute (Stichwort Überstunden).

Zu fragen bleibt, ob es klug ist, wenn sich die Stadt Oldenburg eine Beschäftigungsgesellschaft nach Bielefelder Modell schafft, oder ob nicht individuelle Programme für einzelne Zielgruppen effektiver sind. Das Projekt 501 scheint eine überaus sinnvolle und erfolgreiche Initiative zu sein, die besonders durch ihr Prinzip der Freiwilligkeit besticht.

CH


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