Oldenburger STACHEL Ausgabe 6/97      Seite 1
 
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Bezirk regiert

Rot-grün verliert

Nach der Verabschiedung Wandschers setzt die Bezirksregieung unter Bernd Theilen auch gegen Oldenburg ihren harten Sparkurs durch. Während der neue Super-Stadtdirektor Dr. Poeschel demgegenüber recht sprachlos bleibt - er will eine juristische Klärung, aber offensichtlich keinen politischen Streit -, ringt die rot- grüne Ratsmehrheit um einen Rest an Autonomie und politischer Linie. Gezwungenermaßen weicht sie dabei Schritt für Schritt, Kompromiß um Kompromiß zurück. Völlig offen war zu Redaktionsschluß, ob nach der Entscheidung der Bezirksregierung überhaupt etwas von neuer rot-grüner Haushaltspolitik und kommunaler Finanzhoheit übrigbleiben wird.

Otter macht die Politik

Nach der Kritik von Bezirksregierung und Ratsmehrheit an der Passivität der Stadtverwaltung gegenüber der wachsenden Verschuldung der Stadt hatte Finanzdezernent Otter, hier an die Stelle von Dr. Poeschel tretend, trotzig den Kürzungsvorgaben der Bezirksregierung so entsprochen, daß er in seinem Sparvorschlag genau die freiwilligen Leistungen der Stadt zusammenstrich, die die rot-grüne Koalition gerade beschlossen hatte. Die CDU applaudierte, eigene Sparvorschläge legte sie nicht mehr vor. So kann man eine Willensbildung im Rat auch überflüssig machen.

Unter anderem will Eckart Otter streichen bei

- dem Sozialen Wirtschaftsbetrieb 300.000 DM,

- der Ausbildungsinitiative 215.000 von 330.000 DM,

- dem Essenszuschuß für Kindertagesstätten 168.000 DM,

- der Fahrpreisermäßigung für SozialhilfeempfängerInnen 117.000 DM,

- dem Therapie- und Beratungszentrum 100.000 DM (das anläßlich des zehnjährigen Jubiläums gerade von PolitikerInnen so gelobt wurde),

- dem Kultursommer 50.000 DM,

- der Kulturetage ca. 46.000 DM

, - Donna 45 45.000 DM,

- der ALSO 32.500 DM,

- der Schwimmbadbenutzung für SozialhilfeempfängerInnen und der Altenhilfe je 30.000 DM,

- den Bildungsgutscheinen 12.500 DM,

- der Verbraucherberatung 5.000 DM und

- der Ozonmeßstelle 9.000 DM.

Bei den anderen sogenannten freiwilligen Leistungen der Stadt sieht Dezernent Otter pauschal eine Kürzung von 20 % vor.

Politisch gewolltes Defizit

Die beschriebenen Sparvorschläge treffen hauptsächlich die Armen in der Stadt. Für einige Initiativen würden sie das Aus bedeuten; die wiederum helfen gerade den Arbeitslosen und SozialhilfebezieherInnen. So setzt sich die Bonner Linie des Sozialabbaus weiter in der Stadt Oldenburg fort. Während finanzielle Wahnsinnsprojekte wie der Stern- Tunnel-Bau mit viel Landesmitteln und einem zu großem Rest an Stadtzuschüssen gefördert werden, verteilt das Land über die Bezirksregierung den von der Bonner Koalition verursachten Steuermangel in die Kommunen. Die Steuergeschenke an die Millionäre, Aktiengesellschaften, Spekulanten müssen so ganz unten von den Ärmsten erwirtschaftet werden. "Der Schlüssel zur Verhinderung des Bankrotts der Kommunen liegt allein in Bonn und Hannover. Auch dort wird auf das Defizit verwiesen. Doch im Gegensatz zu Kreisen und Städten besteht hier die Möglichkeit, durch eine andere Steuererhebung Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen. Es ist kein Naturereignis, sondern allein eine politische Entscheidung, daß im Wesentlichen und in steigendem Maße Lohnsteuern und indirekte Steuern den Staat finanzieren, während Vermögen von immer mehr Steuern befreit werden. Die Vermögen wachsen kontunuierlich, die Lohnarbeit wird monatlich um ca. 10.000 Stellen reduziert. Da ist das Staatsdefizit eine logische Folge."(siehe Stachel 10/96) Bei dieser Umverteilungspolitik von unten nach oben spielt es kaum noch eine Rolle, ob in Ländern und Gemeinden SPD oder CDU/CSU die Mehrheit stellt oder die Grünen noch einige Akzente setzen. Die Sparzwänge wirken unabhängig von der politischen Richtung der ausführenden PolitikerInnen. In Hannover regiert die SPD, die Bezirksregierun gen sind der Landesregierung direkt untergeordnet. Trotzdem verwies die Sprecherin der Bezirksregierung Weser-Ems, Herma Heyken, kühl auf den 14-Millionen- Einsparungseffekt der Otter-Vorschläge, als die Sozialdemokraten und Grünen Oldenburgs schließlich als Kompromiß eine 15%-Kürzung der freiwilligen Leistungen und insgesamt einen Verzicht auf zehn Millionen Mark vorschlugen. Der Vertretung der SPD- Landesregierung ist es offensichtlich egal, ob sozialdemokratische Politik am Ort bis zur Unkenntlichkeit verschnitten wird.

Sparen sofort?

Langfristig ist eine weitere Verschuldung auf keiner Ebene eine Lösung. Die daraus folgenden Zinsen müssen von den nächsten Generationen bezahlt werden, der Spardruck wächst dadurch weiter an. Doch ebenso wie im nationalen und europäischen Maßstab muß auch in einer Kommune gut überlegt werden, wie der Übergang zu einem strikten Sparkurs sozialverträglich gestaltet werden kann. Ist dies kurzfristig nicht möglich, geht ein schneller Spar-Crash im Haushalt nur auf Kosten der Ärmsten, weil die politischen Mittel fehlen, die Einnahmen zu erhöhen und Ausgaben an anderer Stelle einzuschränken, so eine kurzfristige, verringerte Fortsetzung der Verschuldung ein Gebot der Menschlichkeit und Vernunft. Welche menschlichen und finanziellen Kosten werden erst auf unsere Gesellschaft zukommen, wenn ihre Ränder ins Nichts abstürzen und die alles überstrahlende Parole "Seid rücksichtslos, unendliche Bereicherung ist eure Pflicht!" von denen mit Gewalt nachgeahmt wird, die nichts mehr zu verlieren haben?

Folgen einer Nicht-Genehmigung

Also muß verhindert werden, daß die Bezirksregierung sich mit ihrem Sparkurs sofort und vollständig durchsetzen kann. Die PDS-Olli-Fraktion schlägt dazu vor, daß die Stadt "gegenüber der Bezirksregierung auf Konfliktkurs gehen" soll. Sie sagt in ihrer Presseerklärung nicht genau, was das bedeutet, vermutlich soll die Stadt auf dem beschlossenen Haushalt bestehen. "Die Landeshauptstadt Hannover hat einen nicht ausgeglichenen Haushalt mit einem viel größeren Defizit vorgelegt und genehmigt bekommen. Hier ist die Landesregierung aber großzügig, weil Hannover als Expo-Standort eine Sonderbehandlung bekommt," ergänzen Olli-PDS. Genau das ist das Problem: Gegenüber Oldenburg ist die Bezirksregierung zu solch einer "Großzügigkeit" nicht bereit. Auf bisherige Kompromißvorschläge ist sie nicht eingegangen, die ablehnende Haltung Dr. Poeschels und die Ankündigung der Koalition, auf keinen Fall die Otter-Vorschläge zu akzeptieren und mehr als 15% bei freiwilligen Leistungen der Stadt zu kürzen, hat sie nicht zur Zustimmung bewogen. Welche Möglichkeiten bleiben noch? Weitere Einsparungen im Personalbereich, die über drei Millionen Mark hinausgehen, sind offensichtlich nur über Entlassungen zu erreichen; das ist inakzeptabel. Besteht jetzt der Rat auf den beschlossenen Haushalt, weil er keine weiteren Kürzungsmöglichkeiten sieht, läuft er Gefahr, jeglichen Einfluß auf den Haushalt zu verlieren. Wahrscheinlich wird dann die Bezirksregierung den Haushalt nicht genehmigen und der Verwaltung den Auftrag erteilen, Einsparungen in ihrem Sinne vorzunehmen. Was das bedeuten würde, hat Finanzdezernent Otter schon klargemacht. Die Initiativen und Ärmsten der Stadt müßten dann die kompromißlose Haltung des Rates bezahlen. So geht wohl kein Weg daran vorbei, weiter nach Kompromissen zu suchen. Es bliebe dann eventuell der winzige Trost, daß einzelne Bevölkerungsgruppen oder Initiativen nicht auf mehr als 15 oder 20 Prozent der vorgesehenen Leistungen verzichten müßten.

achim


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