Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/97      Seite 6
 
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Zukunftsforschung auf dem Ökomarkt?

Ungekennzeichnete genmanipulierte Sojabohnen der US-Firma Monsato werden derzeit auf Europas Märkten eingeführt. Nachdem die USA massiven Druck ausgeübt hatten, erlaubte die Europäische Kommission die Vermarktung des Gen-Tech-Sojas - und dies, obwohl nach einer Emnid-Umfrage im August 96 über 80 Prozent der deutschen VerbraucherInnen den Kauf und Verzehr von Nahrungsmitteln aus gentechnisch manipulierten Pflanzen oder Tieren ablehnen.

Gen-Soja überall?

Auf zwei Prozent der US-Soja-Anbaufläche wurde 1996 die durch Genmanipulation gegen das Totalherbizid "Roundup" resistente Sojabohne "Roundup Ready Soybean" von Monsanto angebaut. Mit dem Hinweis auf die Identität mit traditionellen Sojabohnen werden die gentechnisch veränderten nicht gesondert erfaßt und gekennzeichnet, sondern kommen als Gemisch in den Handel. In der Bundesrepublik werden jährlich 3,5 Mio. Tonnen Soja verarbeitet. Soja findet sich in fast einem Drittel aller Lebensmittel, von der Babynahrung über Margarine bis zu Pralinen und Schokolade. In mindestens 20.000 Lebensmittelprodukten, Kosmetika und Medikamenten wird Soja eingesetzt.

Die gesundheitlichen Risiken des Verzehrs von Gen-Tech-lebensmitteln bestehen darin, daß sich das allergene Potential von Organismen - z.B. der Sojabohne - durch das Einpflanzen fremder Gene beträchtlich erhöht. Bereits geringfügige Veränderungen in der Eiweiß- Struktur können allergene, vielleicht sogar tödlich verlaufende Immunreaktionen beim Menschen bewirken. In Deutschland sind Allergien stark im Kommen und zählen bereits zu den häufigsten schlimmen Beschwerden.

Gen-Tech, Chemie, Essen - alles eine Multi- Suppe

Die großen "life"-Industrien produzieren heutzutage nicht nur Lebensmittel, sondern liefern den Bauern mit dem Saatgut auch das Gift, die Pestizide und die Pharmakeulen. Nur noch zehn multinationale Firmen kontrollieren ca. 80 Prozent des Lebensmittel- und Pestizidmarktes. 1980 existierten noch 7 000 Saatgut-Firmen. 1996 blieben nur zehn davon übrig, die jetzt alle mit der Pharma- Industrie und der "life"-Industrie fest verheiratet sind. Heute gibt es keine großen Tierproduzenten mehr, die nicht mit größeren Firmen, die Hormone liefern, verbunden sind. Die zehn Multis, die Versuche mit Erbgut unternehmen, sind dieselben, die Saatgut, Pestizide, Lebensmittel und Medikamente vertreiben. Ihre Wirtschafts- und Produktionsweise soll mit Freihandel und neoliberaler Globalisierung bis in den letzten Winkel der Erde ausgebreitet werden. Sie wird zudem als Ausweg aus dem wachsenden Hunger in der Welt gepriesen.

Gen-Saat gegen Hunger ?

Das Problem ist dringend: 3 400 Kalorien mehmen die Menschen in den 21 reichsten Ländern der Welt pro Tag durchschnittlich zu sich, lediglich 2 300 Kalorien sind es in den 86 ärmsten Ländern. Rund 800 Millionen Menschen hungern. Und die Weltvorräte an Mais und Weizen haben den tiefsten Stand seit zwanzig Jahren erreicht. Doch hilft es den brasilianischen Bauern, wenn sie mit noch mehr Chemie und Gen-Tech-Saat zusätzliche Soja-Mengen für holländische oder norddeutsche Rinder liefern?

Zur Erinnerung: Massiv gefördert durch die amerikanischen Rockefeller-, Ford- und Kellog-Stiftungen sowie die Weltbank und die UN-Orghanisation FAO begann man vor dreißig Jahren, mit Hochleistungssorten von Weizen, Reis und Mais, den Welthunger zu bekämpfen. Diese "Grüne Revolution" hatte durchaus Erfolg - aber Konsequenzen, die jenen Erfolg weitgehend hinfällig machen: In Indien z.B. steigt der Pestizid-Einsatz jährlich um zwölf Prozent, Ergebnis jahrelanger Beratung durch Vertreter der Agrochemie. Dabei sind siebzig Prozent aller auf dem Subkontinent eingesetzten Pflanzen"schutz"mittel DDT und Lindan, die in Europa längst verboten sind. Voraussetzung für den Erfolg der Hochleistungssorten sind nämlich massive Düngung, viel Wasser und extremer Einsatz von Pestiziden. Ergebnis nach dreißig Jahren: Nahezu zwei Drittel der für die Intensivlandwirtschaft bewässerten Flächenc in aller Welt müßten, so die FAO, saniert werden, weil sie versalzt sind. Bodenversalzung und -vernässung - beides Folgen der künstlichen Bewässerung und Überdüngung - reduzieren die landwirtschaftli chen Erträge etwa in Ägypten und Pakistan bereits um dreißig Prozent. Doch es gibt bisher gar keine praktikable Möglichkeit der Sanierung. Trotzdem propagieren Multis und (auch Bonner) Agrarminister weiterhin die Ertragssteigerung durch Chemie und biotechnologisch veränderte Saaten. Gutachter dagegen plädieren für wassersparende Techniken und eine veränderte Nutzung durch angepaßte lokale Sorten anstatt der Hochleistungspflanzen - zumal Trinkwasser weltweit knapp wird und vierzig Prozent der Welt-Lebensmittelproduktion auf der künstlichen Bewässerung von Land basiert. Hygienisch mangelhaftes Trinkwasser ist neben Atemwegserkrankungen Hauptursache für das massenhafte Sterben von Kindern auf dieser Welt. 3,1 Mio. - achtzig Prozent unter fünf Jahren - sterben jährlich an akuten Durchfallerkrankungen, zehntausende an Cholera. Auch Gutachter der Bundesregierung sprechen sich deshalb für kleinräumige Wasserentwicklungsprogramme und eine ökologisch angepaßte Landwirtschaft aus, die mit wenig Chemie auskommt, also auf Hochertragsgetreide zugunsten etwa von Hülsenfrüchten verzichtet.

Dezentral gegen global

In den Industrieländern scheint nicht der Mangel, sondern der Überfluß das Problem. Doch unsere Rinder und Schweine werden in Massenhaltung oft durch billige Lieferungen aus armen Ländern gemästet, sie fressen deren Nahrungsgrundlagen. Fleischmast kostet ein Vielfaches mehr an Nahrung als die direkte Verwertung der Feldfrüchte durch die Menschen.

Die Regale der Supermärkte sehen auf den ersten Blick gut gefüllt aus mit preiswerten Produkten aus aller Welt. Woher die Produkte jedoch stammen und wie sie verarbeitet wurden, ist für die Kunden kaum noch nachvollziehbar. Europäischer Markt und Weltmarkt zerstören dezentrale Versorgung, Einkauf direkt beim Erzeuger und Rückkopplung zwischen KäuferInnen und Produzenten. Und doch läge gerade hier die Rettung vor der Ungewißheit, welche Stoffe das gekaufte Produkt nun wirklich enthält - ob dem Soja im Öl oder in der Mayonnaise nicht etwa allergenes Paranuß-Eiweiß "eingepflanzt" wurde, ob das Brot nicht mit gentechnisch erzeugten Enzymen hergestellt wurde, ob die Hefe im Bier nicht gentechnisch "optimiert" wurde, ob die Pizza oder der Käse nicht gentechnisch verändertes Chymosin (Gen-Lab für die Käseherstellung) enthält... Erst Mitte März 97 hatte das Bundesministerium für Gesundheit der Einfuhr und In-Verkehr- Bringung von Chymosin zugestimmt, ohne die Kennzeichnung über dessen Einsatz vorzuschreiben.

Ökologie ohne Gen-Tech

"In der Produktion und Herstellung ökologischer Nahrungsmittel unterliegt die Verwendung genetisch veränderter Erzeugnisse und ihrer Zutaten einem strikten Verbot - die Kontrollen sind streng." (Volker Harms im Editorial der Ökomarktzeitung) Allein die ökologische Landwirtschaft sichert langfristig die Erhaltung von Wasser und Böden sowie die Ernährung der Menschen - nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, in Europa wie in Lateinamerika oder Asien. So ist auf dem Oldenburger Ökomarkt am 14. September durchaus die Zukunft zu besichtigen. Hier finden wir die Antwort auf eine Strategie der Agroindustrie, die den Welthandel mit Nahrungsmitteln allein IHRER Ertragssteigerung unterordnen will.

Die fast 100 Aussteller des Ökomarkts bieten einiges an Alternativen zu den aktuellen gentechnisch beeinflußten Produkten. Ein Beispiel ist Gen-Lab-freier Bio-Käse, der zunehmend ohne Kälbermagen und mit "vegetarischem Lab" hergestellt werden könnte. "Alle uns bekannten ökologischen Verbände der Welt haben den Einsatz von Gen- Lab bei der Käseherstellung verboten. Die Kontrolle über die Nichtverwendung von Gen- Lab scheint einfach und praktikabel. Sie sollte von den ökologischen Verbänden genutzt werden: Gen-Lab ist in der Lab-Form nachweisbar, nicht aber im fertigen Käse. Bioland versicherte, daß das Lab schon in den Kontrollen 1997 intensiver geprüft wird. Bio- Käse werden heute noch hauptsächlich in kleinen traditionellen Käsereien hergestellt und werden die Reinheit ihrer Produkte aufrechterhalten können. ... Viele Bio-Käse haben neben der Nicht-Verwendung von Gen-Lab, Nitrat und dem Antibiotikum Natamycin als Antischimmelmittel noch einen wesentlichen Vorteil: Sie schmecken noch nach Käse." (Eberhard Hasper in der Ökomarktzeitung, S. 5)

Die BSH informiert über ihren Widerstand gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Kartoffeln in Düngstrup. Sie sieht "in der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen vor allem die Gefahr des ungeplanten Genaustausches zwischen den Versuchspflanzen und freilebenden Organismen. ... Welche ökologischen Konsequenzen dies wiederum nach sich ziehen wird, kann nicht vorhergesehen werden. ... Die Kartoffeln in Düngstrup sollen resistent gegen Antibiotika sein. So können Schadorganismen vernichtet werden, ohne daß die Kartoffel selbst geschädigt wird. Das entsprechende Antibiotikum liefert die Pharmaindustrie gleich dazu. In der Folge entwickeln aber auch Viren und andere Schadorganismen Resistenzen, so daß der Erforschung und dem Einsatz immer neuer Mittel keine Grenzen gesetzt sind." (Karin Wolken in der Ökomarktzeitung S. 8)

Vielfalt auf dem Ökomarkt

Doch natürlich präsentiert der Ökomarkt auch viele andere Produkte, Dienstleistungen und Erfahrungen. Als willkürlich herausgegriffene Beispiele seien hier neben der Gentechnik- Kampagne von Greenpeace nur genannt

* die Prüfung von Gebäudeluftdichtigkeit durch eine "Blower Door",

* eine Palette von Naturfarbenprodukten und die Information über Schellack, dem seit 4000 Jahren von Menschen aus Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnenen Lack,

* angenehme, auf Schadstoffe untersuchte, kompostierbare, pflanzengefärbte Teppichböden,

* Bäume und Sträucher aus ökologischem Anbau,

* Informationen über naturgemäßen Anbau von Heil- und Gewürzkräutern,

* alles über das Fahrrad und Informationen über ökologische Verkehrskonzepte vom ADFC,

* Expertenwissen vom Umwelthaus Oldenburg und

* Informationstafeln des städtischen Umweltamtes zur Lokalen Agenda 21,

* eine Darstellung des erfolgreichen Konzeptes des Vereins StadtTeilAuto Oldenburg,

* Beschwingtes über Öko-Weinbau ohne Fingizide, Insektizide, Herbizide,

* Grüntee und Säfte ohne "naturidentische Aromen".

Verschiedene Anzeigen in diesem Stachel weisen auf weitere Ökomarkt-Angebote hin.

Wer sich also umfassend über die Alternativen der Zukunft informieren will, die den Menschen auf der Erde noch eine Perspektive bieten, ist auf dem Ökomarkt am 14. September auf dem Oldenburger Schloßplatz und Rathausplatz genau richtig. Wer nur etwas Leckeres essen und trinken will, ebenfalls...

achim


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