Oldenburger STACHEL Ausgabe 10/97      Seite 14
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe.

Annähernd fünf Milionen Erwerbslose gibt es allein offiziell in der BRD. Die durch Amt, Wirtschaft und Politik Ausgegrenzten sind noch viel mehr. Die Zahl der offenen Stellen ist im Verhältnis dazu nicht mehr nennenswert. Damit sich dieses ändert, werden Erwerbslose nunmehr verpflichtet, sich überprüfen zu lassen, ob sie dem "Arbeitsmarkt" noch zur Verfügung stehen, ob es "vermittlungshemmende Faktoren" gibt und ähnliche Fragestellungen mehr, die bekanntermaßen zur Vermehrung von Arbeitsplätzen führen könnten. Getarnt werden diese Überprüfungs- und Aussonderungsveranstaltungen als "Trainingsmaßnahmen", z.B. als "Bewerbungstraining". Bestandteil dieser Maßnahmen sind "Personalbewertungsbögen", in deren Originalfassung der jeweiligen Einrichtung den Beurteilenden Aussagen abverlangt werden, zu denen sie in aller Regel nicht qualifiziert sein dürften. (Psychologische Beurteilungen sollten von Psychologen verfaßt werden, wenn ein Minimum an Zuverläßigkeit erreicht werden soll.) Für umfassendere Informationen über diese Maßnahmen bitte in der SIESTA von Sommer und Herbst 1997 nachlesen. (SIESTA ist die Zeitung der ALSO, Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, Kaiserstr. 19.)

In Oldenburg gab es hitzige öffentliche Diskussionen über diese Bewertung von Erwerbslosen. Alle örtlichen Bildungseinrichtungen haben sich diesen Maßnahmen verweigert, selbst der Arbeitgeberverband, der zunächst ein Angebot eingereicht hatte. In Oldenburg werden diese Überprüfungsmaßnahmen deshalb ausschließlich vom Institut IBIS-ACAM gegenüber der Hauptpost durchgeführt. Dieses Institut ist keinesfalls mit IBIS vom Pferdemarkt zu verwechseln - wo z.B. Beiträge für den offenen Kanal gestaltet werden. IBIS-ACAM ist ein kleiner Ableger eines bundesweit mit derzeit 14 offiziellen Filialen operierenden Instituts, das nach eigener Aussage europaweit organisiert ist. Die BRD-Zentrale befindet sich vermutlich in Andernach. Es kursiert hartnäckig das Gerücht, daß Verbindungen zu einer pseudo-religiösen Wirtschaftsorganisation bestehen sollen.

Zwangsmaßnahme!

Bereits die Vorladung seitens des Arbeitsamtes sprach Bände. Pünktliches Erscheinen wurde als wichtiger Bestandteil genannt. Wer zu spät kommt, den bestraft das Arbeitsamt, mensch bekommt das Geld gesperrt.

Ich war natürlich nicht pünktlich. Ich betrat das Arbeitsamt rechtzeitig. Da intelligenterweise keine Erläuterung über Lage der Amtsstube im Arbeitsamt auf der Vorladung war, mußte ich die Information bemühen. Bei Flurlängen von 150 Metern nimmt das nicht Wunder. 15 Menschen, die informiert werden wollen - da kann schon Zeit ins Land streichen.

Dann heißt es weiter zu warten, da mit so bedrohlichen Menschen wie Erwerbslosen natürlich nicht allein gesprochen wird: ZeugInnen müssen dabei sein. "Die Kollegin ist mal eben für kleine Mädchen." Na prima, "Humor" hat er also, mein Gegenüber. Im Verlaufe des "Gesprächs" erweist er sich mir als der unfreundlichste und inkompetenteste Mitarbeiter des Arbeitsamtes, den ich je erleben durfte. Obgleich es bereits die dritte Maßnahme ihrer Art ist, in die er mich zwingen will, kann er mir keine Informationen über Form und Inhalt geben. Er hat nicht einmal Informationen des durchführenden Instituts bereit. Seine einzige mit Vehemenz wiederholte Äußerung besteht in: "Wenn sie nicht unterschreiben, wird Ihnen das Geld gesperrt." Nun, abgesehen, daß solche Außerungen fast an allen anderen Orten dieses unseren Landes als Nötigung und Erpressung gewertet werden, liegt wenigsten Ehrlichkeit vor. Ich weiß, woran ich bin.

Im Arbeitsamt weiß niemand nix

Ich wünsche trotzdem weitere Informationen, versuche ihn dazu zu bewegen, mich zu informieren, warum die geplante Maßnahme im Sinne der Arbeitsvermittlung sinnvoll sein soll. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß dies seine Aufgabe ist. Aber selbst ein Gespräch mit einem hinzugerufenen Vorgesetzten bringt keine neuen Erkenntisse. Auch dieser zeigt eine für mich erschreckende Unkenntnis über die Maßnahme und die Einrichtung, in die auch er mich zwingen will. Auch nach seinen Äußerungen sollen meine Brötchen für die nächsten Wochen zur Disposition stehen. Immerhin zeigt sich dieser Mensch etwas gesprächsbereiter: Ich bekomme die "Erlaubnis", mich zu entfernen und zunächst bei dem Institut um Informationen nachzufragen. Dann solle ich wiederkommen zur Unterschrift.

Und immer wieder: Mangelhafte Aufklärung seitens des Arbeitsamtes

Wieder zurück läßt mich der erste Typ stundenlang warten. Am frühen Nachmittag kommt es dann zur Unterschrift. Erneut der Hinweis: "Wenn sie nicht unterschreiben, bekommen sie das Geld gesperrt!" Ich unterschreibe, daß ich eine Menge von Informationen zur Kenntnis genommen habe, die mir nicht zur Kenntis gegeben wurden. Z.B. habe ich unterschrieben, daß ich über den Datenschutz informiert wurde. Wenn die Kollegin Zeugin dieses Gespräches fair ist, wird sie bestätigen, daß weder der Datenschutz Bestandteil des Gespräches war, noch das mir etwa ein entsprechendes Merkblatt zur Verfügung gestellt wurde. Ich empfinde dies Vorgehen als ekelhaft und als Nötigung.

Dann habe ich es noch gewagt, nach den Kosten dieses "Trainings" zu fragen. Mir wurde barsch bedeutet, daß mich das nichts anginge. Ich deutete darauf hin, daß in Zeiten knapper öffentlicher Kassen alle aufgefordert sind, darauf zu achten, daß keine unnötigen Kosten entstehen. "Machen sie es schriftlich." Nun, wenn es sein soll - ich bat um Schreiber und Papier, welches mir mit knurrenden Blicken überreicht wurde. Ich habe meine Anfrage ruhig schriftlich formuliert, während mein Gegenüber mit den Fingern trommelte. Von einem seiner Vorgesetzten liegt es mir inzwischen schriftlich vor, daß es mich nichts angeht, was das Arbeitsamt an Geldern rausschleudert.

Der Kurs

In den zurückliegenden Wochen habe ich nette Menschen kennengelernt, was mich freut. Die ca. 45 TeilnehmerInnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Aus der anderen Gruppe hörte ich wiederholt, daß es dort äußerst langweiig sei. Also eine Geduldsprobe? In meiner Gruppe gab es gleich zu Beginn ordentlich Dampf. Mein Eindruck der Behandlung seitens des Arbeitsamtes wurde im Wesentlichen bestätigt. Der Amtstyp wurde als unfreundlich und inkompetent bezeichnet. Die wenigen Ausnahmen wurden im Wesentlichen von Frauen geäußert. Auch sein Auftritt zu Beginn der Maßnahme wirft kein gutes Licht auf das Arbeitsamt.

Doch bin ich der Meinung, daß dies kein Zufall ist, oder an seiner Person hängt. So wird mehrfach während des Kurses eingebracht, daß von anderen MitarbeiterInnen des Arbeitsamtes geäußert worden sei, daß diese "Kurse" nur den Sinn hätten, Bedürftige aus der Arbeitslosenunterstützung zu werfen.

Der Arbeitsverwaltung zum Trotz

Insgesamt haben wir ein paar schöne, intensive, wenn auch arbeitsame Wochen verlebt, dem benannten Rahmen zum Trotz. Das lag nach meinem Eindruck an dem kompetenten Kursleiter, der es schaffte, den Frust aufzufangen, die Teilnehmenden so zu nehmen, wie sie waren und sie von ihrem persönlichen Standort abzuholen. Mir hat sich der Eindruck vermittelt, daß diese Wochen für kein Mitglied unserer Gruppe nutzlos waren. Das lag sicher auch daran, daß sich alle in unserer Gruppe gut mit eingebracht haben. Wieviel es persönlich gebracht hat, hängt sicher auch davon ab, mit welcher Einstellung mensch an die Sache gegangen ist. Ob der Nutzen im Sinne der Arbeitsverwaltung war, mag dahingestellt bleiben, menschlich hat es uns genützt.

Datenschutz: Das Risiko bleibt!

Der beste Datenschutz wird betrieben, indem Daten gar nicht erst erhoben werden. Wer in diesem Kurs mutig ist und sich öffnet, wird möglicherweise menschlich große Schritte weiterkommen - etwas eingeschränkt vielleicht durch die Frage, wie virtuos die jeweilige TeamerIn mit Gruppe und Methoden umzugehen vermag. Da es aber nicht nur darum geht, Menschen weiterzubringen und damit etwas Positives für die Menschheit zu leisten, sondern im Hintergrund auch immer der Bewertungsgedanke eine Rolle spielt, werden Unterlagen erstellt. "Aus diesem Raum dringt nichts nach draußen." Leider stimmt dieses Motto nicht so ganz. Denn zum Abschluß gab es doch die große Bewertungsrunde. Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Teamfähigkeit usw. wurden bewertet.

Es bleibt abzuwarten, wie das Arbeitsamt hier weiter vorgehen wird. Angeblich soll nur eine kurze Bewertung über die Eignung zu Ausbildung, Umschulung etc. ans Amt weitergegeben werden. Doch das Arbeitsamt weiß, daß weitergehende Bewertungen erstellt wurden. Die dürfen wir dann vermutlich dem Amt persönlich übergeben, frei nach dem Motto: Wenn du nicht spurst, bestraft dich... . Sollte es zu solchen Problemen oder vermehrt zu dubiosen Arbeitsangeboten kommen, ist die ALSO eine gute Anlaufstelle.

Die große Unsicherheit ...

wird von vielen nur als Nebenschauplatz betrachtet. Das Arbeitsamt scheint es nicht für nötig gehalten zu haben, sich die Räumlichkeiten zu betrachten. Oder sollte es bewußt übersehen worden sein, daß die Sicherheitsvorkehrungen für den Katastrophenfall völlig unzureichend sind? So gibt es keinen ausgewiesenen Fluchtweg, obwohl sich nach meiner Schätzung gleichzeitig ca. 150 Menschen im Gebäude befinden. Der nach außen zu öffnende Flügel der Hauseingangstür ist ständig verriegelt. Der andere geht nach innen auf. Am Fahrstuhl existiert kein Hinweis darauf, daß dieser im Gefahrenfall nicht zu benutzen ist. In den Schulungsräumen gibt es keinen Hinweis auf den hinter Altpapier versteckten Feuerlöscher. Der Zugang zur trockenen Löschwassereinspeisung ist ständig durch Fahrräder versperrt, die zudem so festgeschlossen sind, daß zügiges Beiseitestellen ausgeschlossen ist. Es gibt keinen Hinweis auf einen 1.Hilfekasten. Es existiert keine Krankenliege, weder für Teilnehmende, noch für TeamerInnen. Die Toiletten sind von Teilnehmenden und TeamerInnen gemeinsam zu benutzen. Hinsichtlich dieser Feststellungen äußerte das Arbeitsamt dem STACHEL gegenüber lapidar: Machen Sie es schriftlich.

Zusammenfassend ...

bleibt für mich: Das eigentliche Ereignis, an dem ich vier Wochen beteiligt war, war für mich und die Anderen weniger erschöcklich als erwartet. Widerwärtig waren die Eindrücke im Arbeitsamt. Dort geht es offensichtlich mehr darum, die Erwerbslosen abzuschaffen als die Erwerbslosigkeit. Letztlich hat der Kurs für viele Teilnehmende die Chance geboten, neue Eindrücke zu sammeln und neue Perspektiven zu entwickeln. Neue Arbeitsplätze hat das nicht gebracht. Einige Wenige im Verhältnis zur großen Zahl der Erwerbslosen können sich jetzt vielleicht besser darstellen im Rahmen von Bewerbungen. Nur kann das die Lösung sein, wenn sich letztlich auf dem Arbeitsmarkt nichts ändert?

Gerold Korbus


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