Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/97      Seite 4
 
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Stadt und Rat hören nicht auf Radler-Rat

Wie in Oldenburg Radfahrerinteressen ignoriert werden

Auf der Verkehrsausschußsitzung im Oktober wurde sie endlich nahezu einstimmig - mit Ausnahme der CDU beschlossen: die zeitweise Öffnung der Fußgängerzone (abends/nachts sowie an Sonn- und Feiertagen). Noch in diesem Jahr sollen nach Auskunft der Verwaltung die entsprechende Beschilderung erfolgen.

Nach jahrelangen Diskussionen (es war nicht der erste Antrag, der die zeitweise Öffnung der Fußgängerzone zum Inhalt hatte) kann dieses Kapitel wohl nun endlich zu den Akten gelegt werden, denn an einen Erfolg zweifelt der ADFC nicht, wie auch die Erfahrungen anderer Städte (nicht nur Münster) zeigen

Trotz dieses Erfolges für den ADFC muß die Dauer bis zur Entscheidung und der Kraftaufwand, der zur Durchsetzung dieser Maßnahme notwendig war, nachdenklich stimmen. So beantragte die SPD in der Verkehrsausschußsitzung im September die Vertagung des ADFC Antrages, da "man noch Beratungsbedarf habe"; und das, obwohl die Öffnung der Fußgängerzone im Wahlprogramm der SPD zur Kommunalwahl 1996 steht und von der SPD auch immer wieder verbal als Ziel genannt wurde. Wenn schon die Durchsetzung solcher, in anderen Städten längst erfolgreich praktizierter und als selbstverständlich angesehener, den Autoverkehr in keiner Weise einschränkender Maßnahmen so schwierig ist, welche Kraftanstrengungen müssen dann wohl unternommen werden müssen, um wirklich wichtige Maßnahmen zur Förderung des Fahrradverkehrs durchzusetzen.

Keine Überbewertung

Bei der Öffnung der Fußgängerzone muß folgendes angemerkt werden: Als Maßnahme zur Fahrradförderung sollte sie nicht überbewertet werden - auch wenn sie einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt -, bei dieser Maßnahme kommt es zu keinen ernsthaften Interessenkonflikten und der Autoverkehr wird nicht davon berührt, geschweige denn, daß er eingeschränkt wird. Doch letzteres wird unweigerlich geschehen, wenn weitere Maßnahmen zur Förderung des Fahrradverkehrs umgesetzt werden sollten. Spätestens, wenn darüber diskutiert wird, Radfahrer auf die Fahrbahn zu verlagern (direktes Linksabbiegen, fakultative Führung), müssen Verwaltung und v.a. die Politik Farbe bekennen: Ist es ihnen ernst mit der Förderung des Fahrradverkehrs und der Zurückdrängung des MIV (motorisierter Individualverkehr = Kfz-Verkehr) - wie so oft in Parteiprogrammen und Stellungnahmen zu lesen und zu hören - oder bleibt es - wie so oft in der Vergangenheit - bei bloßen Lippenbekenntnissen.

Eines muß klar sein: Man kann nicht den Fahrrad- und Busverkehr fördern, aber nichts gegen den MIV tun wollen. Es gibt nur ein entweder oder, da der Verkehrsraum begrenzt ist und aus ökologischen und städtebaulichen Gründen auch nicht erweitert werden kann (zumindest über den letzten Punkt besteht Konsens). Hier sind klare Positionen und Prioritäten gefragt.

Einige Parteien haben diese Positionen schon gefunden: So spricht sich die CDU klar für den MIV und damit gegen den Fahrradverkehr aus - wenn auch nicht explizit, doch untermauert die Forderung nach einem weiteren Innenstadtparkhaus diese Feststellung. Die GRÜNEN sind grundsätzlich eher für die Förderung des Umweltverbundes und damit auch des Fahrradverkehrs, wissen aber nicht immer genau wie. Noch nicht entschieden hat sich die SPD, die sich zwar in ihrem Wahlprogramm (zur Kommunalwahl 1996) für die Förderung des Umweltverbundes stark macht, diese Haltung in der Praxis, sprich konkreten Politik, aber oft vermissen läßt.

So ist es für die Parteien - mit Ausnahme der GRÜNEN - immer noch undenkbar, den Fahrradverkehr auf Hauptverkehrsstraßen auf die Fahrbahn im Mischverkehr mit dem Kfz zu verlagern. Dieser Auffassung schließt sich sowohl die Verwaltung als auch die Polizei und die VWG an. Bei den Begründungen, die für die Ablehnung nicht nur für diesen Fall angeführt werden, fällt auf, daß diese meist aus dem hohlen Bauch ohne Bezug zur Realität kommen. Da wird mit Sicherheitsgefahren für den Radverkehr argumentiert, die weder belegt, noch nachvollziehbar begründet werden können - diffuse und irreale Ängste bestimmen hier das Bild. Nicht unerhebliche Informationsdefizite offenbaren sich zudem.

Der ADFC wird ignoriert

Das Hauptproblem aber ist die Tatsache, daß die Parteien zumindest bisher offensichtlich nicht daran interessiert sind, sich mit unseren Forderungen näher zu befassen, zu versuchen, unsere Argumente nachzuvollziehen und ggf. argumentativ, mit Belegen und Untersuchungen, zu entkräften. Dabei liefert der ADFC immer wieder konkret belegbare Argumente dafür, daß z.B. das Radfahren im Mischverkehr mit dem Kfz-Verkehr auf der Fahrbahn auch auf Hauptverkehrsstraßen (Tempo 50) nicht gefährlicher ist als das Fahren auf einem separaten Radweg - im Gegenteil, die Studien kommen zu dem Ergebnis, daß eine Führung im Mischverkehr sogar sicherer für den Radfahrer ist. Ähnlich sieht es in Bezug auf die Problematik Ampelschaltung, Linksabbiegen, Fahrradstraßen etc. aus. Auch hier werden unsere Argumente nicht zur Kenntnis genommen und vom Tisch gefegt, ohne sich damit vorher ernsthaft auseinandergesetzt und/oder uns konsultiert zu haben. Dieser Vorwurf trifft auch im vollen Umfang auf die Verwaltung zu.

Seit dem Inkrafttreten der novellierten Straßenverkehrsordnung hat weder die Verwaltung, noch eine Partei bei uns angefragt, wie man denn nach Meinung des ADFC mit der neuen StVO umgehen solle und ob und was für Vorschläge wir hätten. Wir werden komplett gemieden. Das ganze grenzt an Arroganz und Ignoranz uns gegenüber. Dazu paßt auch, daß der ADFC in der verwaltungsinternen Arbeitsgemeinschaft Fahrrad nicht vertreten und eine beratende Tätigkeit auch zukünftig nicht vorgesehen ist. Da wird zur Bewertung von Maßnahmen zur Fahrradförderung (Antrag des ADFC im Verkehrsausschuß) ein runder Tisch einberufen - mit Polizei, VWG und Verwaltung - aber wieder ohne den ADFC. In die Planungen für die Umgestaltung des südlichen Bahnhofsvorplatzes (u.a. Fahrradstation) sind wir genauso nicht mit einbezogen worden wie in die Planung des ersten Kreisverkehrsplatzes an der Kreuzung Bloherfelder Str / Wildenlohdamm, obwohl auch hier Radfahrerbelange nicht unerheblich tangiert werden, zumal die Stadt Oldenburg auch keinerlei Erfahrung mit Kreisverkehrsplätzen hat und es daher nahe liegen dürfte, sich Rat von anderen zu holen. Diese Ausgrenzung scheint System zu haben – der große Verlierer ist dabei der Fahrradfahrer, dessen Komfort und Sicherheit dabei auf der Strecke bleibt.

Rechtswidrige Beschlüsse

Heftig und nicht mehr hinnehmbar wird es allerdings dann, wenn seitens der Verwaltung Beschlüsse bezüglich des Radverkehrs gefaßt werden, die nicht nur dem Radverkehr keine Vorteile verschaffen, sondern ihn sogar gefährden und zudem gegen geltendes Recht verstoßen. Dieses ist der Fall bei der Ausweisung/Ausschilderung von Fahrradwegen, die ab dem 01.10.1998 an bestimmte Mindestkriterien geknüpft ist. Obwohl die wenigsten Radwege in Oldenburg diese Mindestbreite von 1,50 m erfüllen, hat die Verwaltung vor, "bis zum 01.10.1997 die Radwege an den Straßen im Vorbehaltsnetz, soweit noch nicht geschehen, zusätzlich auszuschildern" (Anlage I zur Niederschrift 8/97 des Verkehrsausschuß). Diese Ankündigung stellt einen Rechtsbruch dar, den wir uns im Interesse der Sicherheit der Radfahrer nicht gefallen lassen werden (siehe auch unsere Radwegeaktion). Zwar gibt es in der Verwaltungsvorschrift Ausnahmen, die eine Beschilderung trotz Nichterfüllung der Mindestkriterien zu lassen, doch soll es bei Ausnahmen bleiben und nicht zum Regelfall werden (sonst wären keine Mindestkriterien aufgestellt worden). Auch in der Frage, was zukünftig mit den Radwegen geschehen soll, die nicht den Mindestkriterien der Verwaltungsvorschrift entsprechen, hat sich noch niemand an uns gewandt.

Es zeigt sich, daß Fahrradförderung in Oldenburg bislang nur möglich ist, wenn dadurch der Autoverkehr nicht behindert wird, daß sehr irrational und meist ohne Faktenwissen argumentiert und damit effektive Fahrradförderung verhindert wird. Da tröstet es auch nur wenig, daß der Verkehrsausschuß in seiner Sitzung im November beschlossen hat, in der Schützenhofstraße den Radverkehr auf die Fahrbahn zu verlagern, für den Knotenbereich Peterstraße Richtung Ziegelhofstraße das direkte Linksabbiegen probeweise einzuführen und den Straßenzug Haarenesch/Katharinenstraße zu einer Veloroute (was immer die Verwaltung darunter versteht) auszubauen (siehe nebenstehender Artikel Akutelles von der Oldenburger Verkehrspolitik).

Trotz dieser ernüchternden und fast schon frustrierenden Bilanz werden wir nicht aufgeben und uns weiterhin für die Förderung des Radverkehrs einsetzen, auch wenn schnelle Erfolge nicht zu erwarten sind.

An die eigentlichen, hauptsächlichen und grundlegenden Probleme wie die Frage, Führen des Radverkehrs grundsätzlich auf der Fahrbahn (Vorbehaltsnetz) oder auf dem Radweg, direktes Linksabbiegen, Ampelschaltungen mit dem Kfz-Verkehr statt mit dem Fußgänger, geht die Verwaltung aus oben dargestellten Gründen nicht heran; sie bleiben weiterhin zu Lasten des Radfahrers ungelöst. Die konkreten Vorschläge des ADFC – Einrichtung einer Fahrradstraße für die Straße Haarenufer, Ehnernstraße, direktes Linksabbiegen am Friedensplatz, Gartenstraße und Roonstraße sowie die fakultative Führung des Radverkehrs in den Straßenzügen Damm, Hauptstraße – wurden ohne nähere und nachvollziehbare Begründungen von der Verwaltung abgelehnt. Die oben angeführten diffusen aber nicht belegbaren Ängste um die Sicherheit des Radverkehrs reichten für die Ablehnung aus. In der Oldenburger Verkehrspolitik und -planung regiert das Auto uneingeschränkt weiter, seine Interessen bleiben im vollen Umfange gewahrt, und es wird alles abgelehnt, was den Autoverkehr einschränken könnte, sei es auch nur um wenige Sekunden (direktes Linksabbiegen).

Neuer Runder Tisch

Der ADFC wird versuchen, wieder einen runden Tisch zum Thema Fahrrad einzurichten - so wie er vor zwei bis drei Jahren schon einmal existierte -, an dem die Verwaltung (Ordnungsamt, Stadtplanungsamt, Tiefbauamt), die Polizei, die Verkehrswacht und der ADFC vertreten sind. Dieser soll nach unseren Vorstellungen regelmäßig tagen. Dort sollen die Probleme des Radverkehrs konkret besprochen werden - konkreter und direkter als es im Verkehrsausschuß der Fall ist und sein kann. Desweiteren soll für die Parteien eine Informationsveranstaltung durchgeführt werden, auf der wir anhand eines Diavortrages die Probleme des Radfahrers sowie Maßnahmen zu deren Beseitigung vorstellen wollen. Auf diese Weise wollen wir versuchen, einen Dialog zwischen Verwaltung, Parteien und ADFC herzustellen, um endlich ein fahrradfreundliches Klima in Oldenburg zu schaffen und konkret etwas für den Fahrradverkehr und den einzelnen Radfahrer zu erreichen.

Über Nachfragen, Anregungen, Kritik und sonstigen Reaktionen und natürlich und v.a. Unterstützung Ihrer- und Eurerseits würden wir uns sehr freuen.

Stefan Popken, ADFC


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