Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/99      Seite 5
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Es gibt nichts Gutes, außer Mensch tut es!

Für eine bessere Gesellschaft - Vorschläge für gute Vorstätze für das neue Jahr 1999

Wenn sich im Winter allmählich das Jahr seinem Ende nähert, schauen wir zurück, erinnern uns vielleicht an wichtige oder auch weniger wichtige Erlebnisse des vergangenen Jahres, freuen uns über einiges davon, über anderes aber ärgern wir uns oder möchten es sogar gerne ungeschehen machen. Nichts läßt sich zurücknehmen, aber wir können die Zukunft anders gestalten. So kommen wir dazu, uns gute Vorsätze zu überlegen, die wir im neuen Jahr umsetzen wollen. Meist sind es ganz persönliche Dinge, die wir anders machen wollen. Und daß ist gut so, wenn sie denn auch Umsetzung finden.

Da wir aber nicht nur als isolierte Einzelne leben können, seien hier weitere Vorsätze formuliert und Dir als Leserin oder Leser zur gefälligen Beachtung ans Herz gelegt. Aufgrund der notwendigen Platzbeschränkung sind hier erste Ideen veröffentlicht, es ließe sich sicher noch mehr dazu formulieren. Als Impuls zum weiterdenken reicht es sicher aus.

Vorsätze für das neue Jahr 1999

- Ich werde mein Leben verlangsamen, d.h. ich prüfe, wie ich versuche, mit weniger festen Terminen auszukommen, mich auf wenige wesentliche Aufgaben in den verschiedenen Lebensbereichen zu konzentrieren und die anderen aufzugeben. In der gewonnen freien Zeit möchte ich über das gelebte Leben bzw. die geleistete Arbeit reflektieren, Veränderungen überlegen und mich in Ruhe auf neue Herausforderungen vorbereiten.

Die Menschen, die mir im täglichen Leben begegnen, sind mir vielleicht nicht alle gleich wichtig. Aber jede und jeder Einzelne ist ein einzigartiges Original und verdient meine Aufmerksamkeit, zumindest aber meinen Respekt. In Zukunft möchte ich im Kontakt mit anderen Menschen - auch bei kurzen Begegnungen - sensibler auf mein Gegenüber eingehen und die vielleicht auch nur kurze Zeit des Zusammentreffens bewußter gestalten. Ein Lächeln für einen entgegenkommenden Menschen macht die Welt freundlicher, hat immer eine positive Wirkung, die weiterstrahlt. (Das ersetzt aber nicht den Gang zur nächsten Demonstration).

- Ich möchte mich nicht mehr anpassen, sondern mir selbst ein Bild von Situationen oder Themen machen, die mir bisher fremd sind. Statt in Gesprächen Kenntnis vorzutäuschen, gebe ich Unwissenheit zu und verstärke eigenes Nachdenken. Vor allem möchte ich mich nicht mehr zufriedengeben mit scheinbar undurchschaubaren gesellschaftlichen bzw. politischen Sachverhalten. Dafür hole ich mir im kommenden Jahr Informationen ein, z.B. bei Gruppen der sozialen Bewegungen, bei Institutionen, guten Medien mit emanzipatorischem Anspruch und/oder dem Internet. Dabei lerne ich zu akzeptieren, daß ich mich vertieft nur in wenigen Bereichen informieren kann, benutze diese Tatsache aber nicht als Argument für meine Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit. Ich treffe verantwortliche Entscheidungen, wo ich mich verstärkt engagiere und wo ich mir zumindest einen Überblick verschaffe.

Um mehr Zeit für wesentliche Inhalte zu haben, schalte ich beim Frühstück den Fernseher nicht mehr ein, damit ich nicht wie so oft hängenbleibe. Bevor ich den Fernseher nach dem Abendbrot einschalte, überlege ich genau, was ich sehen möchte und warum.

- Ich weiß bzw. höre von den Probleme der Umwelt, von den Spannungen von Arm und Reich, vom Terror der Ökonomie weltweit, aber auch in Europa und in Deutschland, von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, vom faktisch abgeschafften Recht auf Asyl und den unzumutbaren Bedingungen für Flüchtlinge, kann etwas wissen vom geplanten Ausbau der Gentechnologie mit unabsehbaren Folgen, lasse mir auch nicht vorschnell vormachen, als seien die Atomkraftwerke schon so gut wie abgeschafft usw. Ich begreife, daß ich mich zulange diesen wesentlichen Fragen für diese Gesellschaft aber auch für mich selbst entzogen habe und beginne, mich für deren Lösung verantwortlich zu fühlen. Dazu stelle ich mir Fragen wie z.B. die folgenden: Welche Medien nutze ich und wie objektiv und differenzierend werde ich dadurch informiert? In welchen Bereichen möchte ich bis zum Jahresende endlich Bescheid wissen? Wo kann ich freie Zeit-Kontingente schaffen, in denen ich mich besser informieren und mich mehr als bisher engagieren kann? Wie kann ich das Erfahrene weitergeben, also andere Menschen in meiner Umgebung für wichtige gesellschaftlich-politische Fragen sensibilisieren? Welche politischen Gruppen unterstütze ich durch Verteilen von Flugblättern?

Ich nehme mir folgendes vor: Ich lasse mich nicht nur von Zeitungsartikeln betroffen machen, sondern reagiere auch darauf durch Briefe an die zuständigen Stellen, um gegen eventuell Protest zu erheben. Ich prüfe, welche politisch-emanzipatorische Gruppen in Oldenburg ich regelmäßig durch Spenden unterstützen kann. Darüberhinaus begreife ich, daß es von meiner Bereitschaft abhängt, ob sich politisch in diesem Land etwas ändert und suche mir eine Gruppe, sei es in der Anti-Atom-Bewegung, der Friedens- oder Umweltbewegung, eine Gruppe, die für Flüchtlinge eintritt oder die sich um weltweite Gerechtigkeit kümmert, und prüfe in Gesprächen die eventuelle Mitarbeit in einer dieser Gruppen.

Bei allen diesen Vorsätzen setze ich mich nicht selbst unter Druck, sodaß ein Scheiterm eine private Katastrophe für mich bedeutet. Ich bleibe offen für mich selbst und meine Möglichkeiten, sehe aber auch meine Grenzen. Diese Spannung möchte ich aushalten im Bewußtsein, daß ich nicht alleine auf der Welt bin, andere mit mir zusammen und an vielen Stellen der Erde an einer besseren Welt arbeiten. Ich lerne, daß auszuhalten, was ich absolut nicht ändern kann, die Fähigkeit, daß zu ändern, was ich ändern kann oder lernen kann, es zu ändern und ich eigne mir die Fähigkeit an, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Hinrich

 

 
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