Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/99      Seite 1
 
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Stau im Stauwerksbau

Der Baustopp am Emssperrwerk in Gandersum bleibt vorerst bestehen. Das Oberverwaltungsg ericht (OVG) Lüneburg wies die Beschwerde der Bezirksregierung gegen den Baustopp zurück. Es bestätigte damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg. "Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg" konnten von der Bezirksregierung nicht deutlich gemacht werden, so die Überzeugung des OVG. Über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsverfahren s wird also erst im Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg entschieden. Ein Schock für Bezirks- und Landesregierung wie für die Werftfirma Meyer, die damit offensichtlich nicht gerechnet hatten.

Während den Klagen des LBU (Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz), des BUND, des Naturschutzbundes NABU, der Umweltstiftung WWF und der Emsanlieger in der Presse bisher wenig Beachtung geschenkt worden war, hat sich das nun schlagartig geändert: Viel mehr als Schlagzeilen erfährt mensch über die Kläger immer noch nicht, aber spaltenweise lesen wir nun, welche Arbeitsplätze durch die Klagen gefährdet worden sind, wie solidarisch Politiker mit Arbeitern sein können, wie unsinnig eine Werftverlagerung an die Küste wäre und wie ökologisch wertvoll das Sperrwerk an Stelle einer Deicherhöhung wäre.

Es ist unnötig, daß wir das hier noch einmal wiedergeben. Stattdessen sollen die Kläger ein wenig zu Wort kommen.

Gemeininteresse?

Die Kläger hatten schon seit langem darauf hingewiesen, daß das Aufstauen des Emswassers nur einseitig der Papenburger Meyer Werft zugute komme und ihr eine Kapazitätserweiterung für größere Schiffe ermögliche, während das schleusenlose Sperrwerk die allgemeine Schiffahrt zum Erliegen bringen würde - möglicherweise ein Verstoß gegen EU- Wettberbsrecht. Obwohl in diesem Punkt kein Gemeininteresse bestehe, sollen die 353 Mio. DM Baukosten aus öffentlichen Steuermitteln, d. h. von Land und Bund finanziert werden. Umweltverträglicher und mit 40 bis 90 Millionen Mark "bei weitem kostengünstiger" sei es aber, die Deiche zu erhöhen. Dieser Hinweis hatte die EU-Wettbewerbskommission hellhörig gemacht, die Subventionen an einzelne Firmen verhindern soll. Im Dezember 98 kündigte sie an, ihre am 17. Juli erteilte Genehmigung noch einmal zu überprüfen - ein weiterer Donnerschlag für die Betreiber nach der Baustopp-Entscheidung des Oldenburger Gerichts.

Ein weiterer gewichtiger Einwand des WWF gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungverfahren zum Sperrwerkbau war, daß die Bezirksregierung es versäumt habe, zum Eingriff in ein Vogelschutzgebiet und zur Gefährdung einer bereits dezimierten Fischart eine Stellungnahme der EU einzuholen; dies sei ein Verstoß gegen europäische Naturschutzrichtlinien. Und wirklich erklärte die EU-Kommission in einem Gespräch mit den Umweltverbänden, sie sähe in dem Sperrwerk eine erhebliche Beeinträchtigu ng eines EU-Vogelschutzgebietes.

Werftverlagerung?

Um auf den schwerwiegenden Vorwurf der Arbeitsplatzvernichtung begründet antworten zu können, gaben die Umweltverbände bei der Uni Bremen eine Expertise in Auftrag: Es sollte geprüft werden, ob eine Verlagerung der Meyer Werft an die Emsmündung aus Eu- Mitteln gefördert werden könne. Bereits vorher hatten sie ein Konzept für eine Werftverlagerung und für eine Kooperation mit Werften an der Küste vorgelegt, waren aber in Papenburg auf taube Ohren gestoßen. Die Bremer Expertise ergab, daß eine Gesamtförderung von 50 % der Kosten einer Standortverlagerung nicht ausgeschlossen sei. Voraussetzung dafür ist aber der politische Wille der Region und ein Antrag der Bundesregierung. Bis diese Voraussetzung erfüllt ist, wird wohl noch viel Wasser ungestaut die Ems herunterfließen müssen.

"Ungereimtheiten"

Einen guten Einblick in die Widersprüche, die von den Klägern im Laufe des Planfeststellung sverfahrens zum Sperrwerksbau entdeckt worden waren, gibt der Bericht von Eva Requardt- Schohaus im Sonderdruck des Ostfriesland Magazins 11/97. Wir zitieren auszugsweise:

"Anfang September begab sich (der Gandersumer Pastor) Faßbender in das Rathaus von Warsingfehn, um die Antragsunterlagen einzusehen. Den Auslegungstermin hatte er übrigens nicht, wie sonst üblich, aus der Zeitung erfahren - die Gemeinde Moormerland hängte diese brisante Bekanntmachung lediglich im Schaukasten des Rathauses aus. Im Auftrag des Kirchenrates wollte sich der Pastor gezielt über die Einrichtung der Baustelle und darüber informieren, ob im Bereich der Gandersumer Vorländereien, die im Staufalle überflutet werden, auch kirchliches Eigentum betroffen sei. "So bin ich darauf gekommen, daß drei Seiten fehlen." Daraufhin stellten auch der ... BUND und die niederländischen Umweltschützer fest, daß ihre Planungsunterlagen nicht vollständig waren." Den Kritikern gewährte die Bezirksregierung Einsichtnahme in die vervollständigten Akten.

"Der Gandersumer Pastor kommt jedoch aus dem Staunen nicht heraus. "... (ich habe) in Oldersum erfahren, daß die Privathäuser in der Region nicht mehr versicherungsfähig sind, seit es Planungen für das Sperrwerk gibt." Die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse habe sich geweigert, Neubauten an der Mozartstraße gegen Elementarschäden wie Überschwemmungen, Feuer und Sturmschäden zu versichern..."

"Uwe Sager von der Bürgerinitiative Gandersum weist darauf hin, daß die Strömungsgeschwindi gkeiten noch weiter zunehmen werden, weil das Fahrwasser in diesem Bereich auf eine Tiefe von neun Metern gebracht werden soll. Schon während der letzten Emsvertiefungen aber haben sich knietiefe, bis zu 450 Metern lange Risse im Deichfuß gebildet. ... Schon die erste kleine Sturmflut im Oktober war bei Oldersum 2,60 Meter hoch aufgelaufen, stellte Sager vor Ort fest; bereits bei einer Wasserstandserhöhung von 1,60 Metern schwappt das salzige Naß aufs Deichvorland. Das Sperrwerk soll aber erst bei schweren Sturmfluten in Funktion treten, die 3,70 Meter übersteigen. "Sie können nicht vorher schließen, weil keine Schleuse vorgesehen ist", erklärt Sager. Die Gandersumer fürchten daher, daß ihre Deiche schon bei kleineren Sturmflutereignissen nachgeben, weil sie durch häufigere Überflutungen geschwächt werden."

"Für einen ... Staufall, der für die Überführung der Ozeanriesen der Papenburger Meyer Werft vorgesehen ist, müssen nach der derzeitigen Planung 24 Millionen Kubikmeter Wasser herangeschafft werden. Weil aber selbst die 18 Pumpen in den Sperrwerk- Pfeilern, die zusätzliches Wasser aus dem Dollart in die Ems fördern sollen, nicht ausreichen, will man zudem die Hunte, den Küstenkanal, das Speicherbecken Geeste und die Thülsfelder Talsperre anzapfen."

"Dabei ändert sich gerade im Schiffbau die Situation ständig. Ein Trend geht zu immer breiteren Schiffen..., und da dürfte die Papenburger Werft schon in Bälde wieder an neue Grenzen stoßen. Schon jetzt sind bei der Kvaerner Masa Yard in Turku (Finnland) drei Ozeanriesen ... mit einem Tiefgang von 8,70 Metern, 300 Metern Länge und einer Breite von 38,60 Metern im Bau. ... Das bringt den Bremer Diplom-Ingenieur Manfred Pohl (Sachverständiger für Häfen und Schiffahrt bei BUND und WWF) ins Grübeln. "... Schon für die Überführung eines 8,50 Meter tiefgehenden Schiffes werde, die Sicherheitszuschläge dazu gerechnet, eine Wassertiefe von 9,20 Meter benötigt - aber selbst die aufgestaute Ems bringt es in den Sommermonaten lediglich auf 8,25 Meter. Damit ist nach Pohls Ansicht das ganze Planfeststellungsverfahren ad absurdum geführt."

Spätestens in ein paar Jahren wird also - mit oder ohne Sperrwerk - die Frage der Teilverlagerung der Papenburger Werft aller Wahrscheinlichkeit nach wieder auf der Tagesordnung stehen.

achim


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