Oldenburger STACHEL Ausgabe 3/99      Seite 7
 
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Tod in der Gaskammer

Institutionell legitimierter Mord

Zwei Menschen - die Brüder LaGrand - wurden in den vergangenen Tagen auf entsetzliche Weise ums Leben gebracht - begleitet von einem schwer beschreiblichen Medienspektakel. Die beiden hatten nachweislich Unrecht getan und einen anderen Menschen auf ähnlich entsetzliche Weise umgebracht. Doch gibt es Unterschiede zwischen den beiden Taten. Denn die Tötung der zwei Menschen wurde von vielen Beteiligten über viele Jahre geplant. Die Ermordung mittels Gaskammer löst in mir permanentes Übelsein und Brechreiz aus. Kann es für Menschen das Recht geben, über andere Menschen derartig den Stab zu brechen? Ich meine nein! Wie ist ein Staat zu bewerten, der Menschen ihnen zustehende Verteidigungsmöglichkeiten vorenthält und selbst ein Urteil der weltweit höchsten Instanz zum Thema Menschenrechte - des Gerichtshofes in Den Haag - völlig ignoriert.

Politiker weisen Schuld von sich

Hiesige Politiker haben es sich leicht gemacht. So hat die Bundesregierung unter Kohl nicht ein Mal interveniert, obgleich die Verfahrensfehler seit Jahren bekannt waren. Stattdessen versuchte sich der niedersächsische CDU-Sonnenknabe Wulf jetzt zu profilieren, indem er medienwirksam der neuen Bundesregierung eine Teilschuld an der Tötung gab - es sei zu spät reagiert worden. Doch es waren amerikanische PolitikerInnen, die nach vielen Jahren Knast in der Todeszelle für die Brüder LaGrand nicht einmal mehr 60 Tage Aufschub gewähren wollten.

Mediale Ekelhaftigkeit

Als Spitze medialer Widerwärtigkeit ist mir eine Ted-Umfrage des Privatsenders SAT1 aufgefallen. Beim dortigen Videotext war die populistische Frage zu lesen: "Finden Sie es richtig, daß die Brüder LaGrand hingerichtet wurden? Gleich anrufen - Ihre Stimme zählt!" Annähernd zwei Drittel der AnruferInnen pöbelten für JA, nämlich über 5000. Dieses Werkzeug der Stimmungsmache hat keinerlei Aussagewert. Denn wer hat überhaupt Bildschirmtext? (ich nicht) Und wer darüber verfügt, wer hat die Zeit, dies zu nutzen? Und wer tut es sich an, ausgerechnet bei SAT1 nachzulesen? Es dürften vorrangig Männer sein, denn SAT1 wirbt beim Videotext ausgiebig mit diesen eigenartigen teuren Telefonnummern. Es gibt lohnenswertere Informationsquellen... Doch wird mit dem Umfrageergebnis versucht, Seriosität zu suggerieren. Umgekehrt gedacht wird ein Schuh daraus: SAT1 hatte in den Tagen während der Umfrage ein Millionen-Publikum. Lediglich 5000 haben sich bemüßigt gefühlt, beim Ted anzurufen. Wieviele Spinner darunter waren, die gleich x-fach angerufen haben, entzieht sich der Kenntnis des Senders.

Die Brüder LaGrand sind tot -

Mumia Abu Jamal lebt - noch

Angesichts der demonstrierten Bereitschaft zum Äußersten seitens der amerikanischen Regierung wird klar, dasz Mumia Abu-Jamal in äußerster Lebensgefahr schwebt (vgl. Artikel STACHEL 2/99). Zwar kann der amerikanische Bürgerrechtler auf eine breite Solidaritätsbewegung zählen - im Februar demonstrierten überraschend mehr als 6.000 Menschen in Hamburg für seine Freilassung - doch diese Solidaritätsbewegung muß noch stärker und breiter werden. Vielleicht wachen die Menschen angesichts der gezeigten Grausamkeit auf. Vielleicht ist die Zeit reif für weitere Aktivitäten zur weltweiten Ächtung der organisierten tödlichen Rachsucht.

Gerold Korbus

Kleine Erkenntnis aus der Recherche: Leo Kirch läßt den SAT1-Videotext von Firma Axel Springer in Hamburg produzieren. Ein Herr Feighart von dort ist der Verantwortliche. Nach seiner Auffassung ist der Springerkonzern mit dem Thema äußerst sensibel umgegangen. Man könne am Ergebnis erkennen, wie die Stimmung im Lande sei. (s.o.)

 

 
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