Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/99      Seite 4
 
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Ausstieg durch Blockade

,Ausstieg! Nur mit uns!", plakatierten die Grünen im Wahlkampf. Jetzt, nach einem halben Jahr rot-grüner Regierungswirklichkeit ist vom Ausstieg nicht viel zu sehen. Dafür ist in den Zeitungen, immer häufiger vom geplanten Ende des Transportstops für CASTOR-Behälter zu lesen. Mit den CASTOR-Transporten kommen auch der Widerstand dagegen und damit die Anti-Atom-Bewegung wieder stärker ins Blickfeld. Und diese könnte mit mehr Recht als je zuvor plakatieren: "Ausstieg? Nur mit uns!"

Das Zauberwort rot-grüner Ausstiegspläne heißt Konsensgespräche. Dabei soll zwischen Bundesregierung und Atomindustrie eine einvernehmliche Regelung für das Ende der Atomenergie gefunden werden. Aber mit den Konzernen ist nur eines einvernehmlich zu haben, der Weiterbetrieb ihrer Anlagen. Denn die sind wahre Gelddruckmaschinen, weil sie betriebswirtschaftlich abgeschrieben und die Gewinne, über die Möglichkeit sie als Rückstellungen für die Entsorgung zu deklarieren, sogar zu großen Teilen steuerfrei sind. Und der rot-grünen Bundesregierung ist die Einvernehmlichkeit wichtiger ist als der Ausstieg, immerhin sind diese Konzerne nicht irgendwer, und mensch braucht ihre freundliche Unterstützung noch beim Bündnis für Arbeit. Was dazu führt, daß das, was da verabredet wird, mehr mit gesichertem Weiterbetrieb der AKWs zu tun hat als mit einem schnellen Ausstieg.

Der Nonsens beim Konsens

Beim Knackpunkt aller Ausstiegsdiskussionen, der Zeitspanne bis zum Abschalten des letzten Atomkraftwerks, bewegt sich die Diskussion zwischen Schröder und der Industrie derzeit zwischen 20 und 40 Jahren. Wobei letzteres der erwarteten technischen Lebensdauer der Anlagen, inclusive allen lebensverlängernden Maßnahmen, entsprechen dürfte.

Auch auf den Nebenschauplätzen der Atomdebatte ist von Ausstieg wenig zu sehen. Die Erkundungen im Endlager Gorleben sollen eingestellt werden. Was aber nicht dazu dient, den Atomstromern über das nachweisliche Fehlen eines Endlagers für hochradioaktiven Müll den sogenannten Entsorgungsnachweis und damit die Betriebsgenehmigung für ihre Kraftwerke zu entziehen. Nein, es soll bis zum Jahr 2030 erörtert werden, ob sich Salz oder Granit am besten zur Endlagerung eignet. Nach dreißig widerstandsarmen Jahren (wo keinen Endlagerstandort ist, ist auch kein Widerstand) soll dann der konkrete Standort gesucht und untersucht werden. Und dann kann mensch den protestierenden Menschen vor Ort und von anderswo wirklich sagen, daß der Atommüll nun einmal da sei und ja schließlich irgenwo hin müsse. Daß der dann zu entsorgende Müll, heute zum großen oder gr"ßten Teil noch gar nicht existiert, sondern erst in den nächsten Jahrzehnten anfallen wird, interessiert die Atommüllmänner weder heute noch im Jahr 2030.

Einige Bereiche der Atomwirtschaft werden sogar weiter ausgebaut. So werden zum Beispiel in Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, in der angereichertes Uran für die Produktion von Brennelementen hergestellt wird, zwei neue Trennhallen gebaut.

Wohin mit dem Atommüll? Wiederaufarbeitung

und Zwischenlagerung!

Am weitesten gingen die Ausstiegsversuche beim Thema Wiederaufarbeitung. Bis zum Stopp der CASTOR-Transporte im Mai letzten Jahres wurden die meisten abgebrannten Brennelemente aus deutschen AKWs in die Wiederaufarbeitungsanlagen nach La Hague und Sellafield gebracht - etwa 120 Transporte jährlich. Wobei die teure Wiederaufarbeitung wenig mit Recycling zu tun hat, dafür aber viel mit der Gewinnung von Plutonium für Atombomben (La Hague heißt in Frankreich auch nicht Wiederaufarbeitungsanlage sondern Plutoniumfabrik), atomarer Verseuchung der Umwelt und der "aus-den-Augen-aus-dem-Sinn"-Mentalität. Denn Atommüll, der in Frankreich lagert, stört in Deutschland keinen. Wenn nicht die regelmäßigen Horrormeldungen aus La Hague und Sellafield kämen, wie beispielsweise die, daß Tauben aus Sellafield oder Sand aus La Hague, die nach Deutschland gebracht wurden, als Atommüll deklariert werden mußten. Deswegen beschloß die frischgewählte rot-grüne Bundesregierung die Wiederaufarbeitung zum 1.1.2000 zu verbieten.""Am weitesten gingen die Ausstiegsversuche beim Thema Wiederaufarbeitung. Bis zum Stopp der CASTOR-Transporte im Mai letzten Jahres wurden die meisten abgebrannten Brennelemente aus deutschen AKWs in die Wiederaufarbeitungsanlagen nach La Hague und Sellafield gebracht - etwa 120 Transporte jährlich. Wobei die teure Wiederaufarbeitung wenig mit Recycling zu tun hat, dafür aber viel mit der Gewinnung von Plutonium für Atombomben (La Hague heißt in Frankreich auch nicht Wiederaufarbeitungsanlage sondern Plutoniumfabrik), atomarer Verseuchung der Umwelt und der "aus-den-Augen-aus-dem-Sinn"-Mentalität. Denn Atommüll, der in Frankreich lagert, stört in Deutschland keinen. Wenn nicht die regelm,ßigen Horrormeldungen aus La Hague und Sellafield kämen, wie beispielsweise die, daß Tauben aus Sellafield oder Sand aus La Hague, die nach Deutschland gebracht wurden, als Atommüll deklariert werden mußten. Deswegen beschloß die frischgewählte rot-grüne Bundesregierung die Wiederaufarbeitung zum 1.1.2000 zu verbieten.

Doch dagegen liefen die Stromkonzerne Sturm. Denn ohne Wiederaufarbeitung und mit nur einem jährlichen CASTOR-Transport bei anhaltendem Widerstand in Gorleben und Ahaus, müßten zwölf der neunzehn laufenden Atomkraftwerke innerhalb von drei Jahren abschalten, weil sie keine Lagerkapazität für abgebrannte Brennelemente mehr hätten. Als Ausweg wurde ihnen der Bau dezentraler Zwischenlager an den Standorten vorgeschlagen. Aber Genehmigung und Bau einer CASTOR-Halle dauern, selbst wenn alles relativ reibungslos läuft, bis zu sechs Jahren. Und Preußen-Elektra-Chef Hans-Dieter Harig fragte zu unrecht: "Kann sich jemand vorstellen, daß an 20 Standorten in Deutschland Zwischenlager für eine vorerst unbegrenzte Lagerung auch hochradioaktiver Abfälle genehmigt werden können? Das ist genehmigungsrechtlich nicht zu bewältigen." Wobei er noch nicht berücksichtigt hat, daß bei jedem Standort, an dem ein Zwischenlager geplant wird, mit einem Aufleben des Widerstandes zu rechnen ist.

Das Verbot der Wiederaufarbeitung zum 1. 1. 2000 hätte also das schnelle Ende der meisten AKWs bedeutet. Und so mußte die Bundesregierung aus Rücksicht auf die Atomindustrie das Verbot der Wiederaufarbeitung aufgeben. Das heißt, ganz aufgeben mußte sie es nicht. Die Kraftwerke dürfen ihren Atommüll nur noch so lange in die Wiederaufarbeitungsanlagen liefern, bis die standorteigenen CASTOR-Hallen stehen. Danach ist die Wiederaufarbeitung verboten.

Neue CASTOR-Transporte

Damit wäre der Weiterbetrieb der AKWs eigentlich gesichert. Wenn da nicht das Problem der CASTOR-Transporte wäre. Denn derzeit gilt ja noch der Stopp für CASTOR-Transporte. Und ohne Transporte ersticken im nächsten Jahr sechs AKWs am eigenen Müll und müssen vom Netz. Weshalb auch mit Hochdruck an der Beendigung des Transportstopps gearbeitet wird. Und nach derzeitigen Planungen sollen die Transporte im Sommer oder Herbst diesen Jahres wieder aufgenommen werden.

Wobei es noch spannend sein wird, zu beobachten, wie Industrie und Umweltministerium die an den CASTOR-Behältern haftenden radioaktiven Kontaminationen wegdiskutieren. Denn eine Garantie für "kontaminationsfreie" Transporte will die Industrie nicht geben und verweist dabei auf Frankreich, wo derzeit bei etwa zehn Prozent der Grenzwert von vier Becquerel pro Quadratzentimeter überschritten wird.

Und selbst wenn alle technischen Probleme, wie auch immer, beseitigt sind, können die Transporte noch nicht rollen. Denn die Anti-Atom-Bewegung bereitet sich seit Monaten intensiv auf die Blockade des ersten CASTOR-Transportes nach dem Transportstopp vor. Denn es gibt Chancen, die eine Soziale Bewegung nur einmal bekommt. Und der Transportstopp ist so eine Chance. Bisher konnten große Blockaden nur bei den Transporten in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus organisiert werden. Und von denen gab es nur einen pro Jahr, da nur einmal im Jahr der dafür notwendige Polizeieinsatz mit bis zu 30.000 BeamtInnen durchführbar war. Bei den Transporten in die Wiederaufarbeitung war jeder nur einer von vielen Transporten, so daß es höchstens gelang, einige hundert Menschen zu mobilisieren. Nun aber geht es um den ersten Transport, egal von wo nach wo er geht. Dafür ist es durchaus möglich, viele Menschen zu mobilisieren. Und mit einer großen Blockade des ersten Transportes lassen sich alle weiteren Transporte verhindern. Denn es kommt nicht darauf an, daß es gelingt bei 120 Transporten jährlich tausende von Menschen auf die Straße zu bringen. Wenn es nämlich gelingt den ersten Transport mit 10.000 Menschen zu blockieren, damit einen Polizeieinsatz von 30.000 PolizistInnen notwendig zu machen und klar zu machen, daß beim zweiten Transport auch wieder so viele Menschen auf der Straße oder Schiene sein werden, dann gibt es so schnell keinen zweiten Transport, oder zumindest keinen dritten. Denn dafür hat die Polizei gar nicht mehr die Kapazitäten. Das hat der Niedersächsische Innenminister Heiner Bartling auch erkannt. "Mehr als ein Transport ist undenkbar, wenn der Widerstand nicht endet", kommentierte er die Frage nach regelmäßigen Transporten. Außerdem stellte er die positive Prognose für die Anti-Atom-Bewegung auf, "daß sich der Widerstand in der Bevölkerung gerade auch wegen der rot-grünen Bundesregierung noch einmal wesentlich erhöhen wird."

Natürlich ist damit zu rechnen, daß Betreiber und Regierung noch die eine oder andere Hintertür einfallen wird, um ein Abschalten der Anlagen trotz nicht durchführbarer Transporte und fehlender CASTOR-Hallen zu verhindern. So ist derzeit die "Transportbereitstellungslagerung" im Gespräch. Das heißt, die CASTOR-Behälter werden einfach beladen unter offenem Himmel auf dem AKW-Gelände gelagert, wo sie für einen etwaigen Transport bereitstehen. Mensch sieht, die Atomlobby bleibt erfinderisch. Aber es wird enger für sie. Und ob allgemein sichtbar auf dem AKW-Geländen rumstehende CASTOR-Behälter gute Werbung für die Kraftwerke sind, darf bezweifelt werden.

Oldenburg und der Tag-X

Auch in Oldenburg laufen die Vorbereitungen für den Tag-X. Das Problem dabei ist diesmal, daß nicht nur der Tag, sondern auch der Ort der Blockaden und Aktionen noch unklar sind. Zwar gibt es AKWs die als Abfahrtsorte wahrscheinlicher sind als andere, aber bisher handelt es sich nur um Vermutungen. Noch scheint nicht mal die Atomindustrie zu wissen, welches Kraftwerk das erste sein wird. Und ein Transport von La Hague nach Gorleben ist auch noch möglich.

Das macht es notwendig, den Widerstand ortsunabhängig zu planen. Klar ist auf jeden Fall, daß sich die Vorbereitungen für den ersten Transport schon wegen des "ffentlichen Interesses und des Drucks nach dem CASTOR-Skandal vom letzen Jahr, Transparenz zu demonstrieren, nicht geheim halten lassen. Es wird also eine Vorwarnzeit von ein paar Wochen, vermutlich etwa einem Monat, geben. Am Abfahrts-AKW und je nachdem, wo der Transport hingeht, am Zwischenlager oder an der Grenze, wird es Camps und große Blockaden geben. Einzige Ausnahme ist ein Rücktransport aus Frankreich. Der wird an der Grenze nicht blockiert werden, sondern erst im Wendland. Neben anderen Aktionen ist auch die große gewaltfreie Sitzblockade X-tausendmal quer wieder geplant. Die Infrastruktur der Aktion für SprecherInnenräte und "hnliches wird in einem der Camps untergebracht sein.

In Oldenburg wird die OlgA (OldenburgerInnen gegen Atomkraft) zum Tag-X mobilisieren und, wie die letzten Male auch, Infoabende, Infotelefon und Fahrtmöglichkeiten zum Aktionsort organisieren. Die Anfahrt wird mit privaten PKWs und Bullis organisiert werdem. Vor Ort soll in dem Camp, in dem auch X-tausendmal quer ist, ein "Oldenburger Dorf" eingerichtet werden. Also eine Anlaufstelle für alle Menschen aus Oldenburg und umzu, wo es neben den privaten Zelten der OldenburgerInnen einen Oldenburger Infopunkt und einige gr"ßere Zelte geben wird, um sich zu treffen, zu essen oder auszuspannen. Für den Tag-X selbst will die OlgA einen möglichst großen "Oldenburger Block" für die gemeinsame Teilnahme an X-tausendmal quer organisieren. Sie weist aber ausdrücklich darauf hin, daß die aufgebauten Strukturen wie Infotelefon, Mitfahrdienst und das Oldenburger Dorf für alle Leute aus Oldenburg und umzu gedacht sind, unabhängig davon, ob sie sich an X-tausendmal quer beteiligen wollen. Auch werden Gruppen, die andere Aktionen vorhaben, so weit wie möglich unterstützt.

Bernd Schmidt für OlgA

Die OlgA trifft sich 14tägig am Dienstag um 20.00 Uhr. Kontakt übers Infotelefon: 0441/592762

 

 
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