Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/99      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Wo fahren wir heute hin?

Ergebnisse der Umsetzung der novellierten Straßenverkehrsordnung in Oldenburg

Wie inzwischen allgemein bekannt, ist zum 01.09.1997 die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft getreten. Sie sieht eine Reihe von Möglichkeiten zur Förderung des Fahrradverkehrs vor, die bereits in vielen Kommunen seit Jahren erfolgreich angewendet worden sind, jetzt Einzug in das Gesetzeswerk gehalten haben und damit rechtlich abgesichert sind.

V.a. bei der zweiten Stufe der StVO, der Überprüfung des Radwegenetzes hinsichtlich der Anforderungen der StVO-VwV (Verwaltungsvorschrift) an benutzungspflichtige Radwege, gab es Auseinandersetzungen zwischen der Oldenburger Verwaltung und dem ADFC. Uneinig war und ist man sich darüber, welche Radwege benutzungspflichtig, d.h. ausgeschildert, werden sollen und welche nicht. Ausschließliches Kriterium für eine benutzungspflichtige Ausschilderung eines Radweges ist die Verkehrssicherheit (StVO-VwV zu § 2 II Radwegebenutzungspflicht). Erfordert die Wahrung der Verkehrssicherheit eine Ausschilderung, müssen die Radwege bestimmte Anforderungen in Bezug auf die Breite, Stetigkeit, Oberflächenqualität etc. erfüllen, um auch ausgeschildert werden zu dürfen. Aber auch hier gilt: kein Gesetz ohne Ausnahmeregelungen und darauf beruft sich die Verwaltung, wenn sie Radwege beschildert, die eindeutig nicht den Anforderungen der StVO-VwV an benutzungspflichtige Radwege entsprechen – man kann fast den Eindruck gewinnen, ganz Oldenburg bestehe aus einer einzigen Ausnahme. Extrembeispiele: Hauptstraße (Oberfläche), Bremer Heerstraße (Breite), Alexanderstraße (Oberfläche, Breite) etc.

Zunächst hatte die Verwaltung die von der StVO-VwV vorgeschriebene Bestandsaufnahme des Radwegenetzes im Alleingang vollzogen. Die Radwege wurden mehr oder weniger mit dem Auto (!) abgefahren, die Bewertung erfolgte in Zusammenarbeit mehrerer städtischer Ämter und der Polizei, aber ohne den ADFC oder sonstiger Fachverbände. Dabei sehen die Hinweise zur Beschilderung von Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) die Beteiligung externer Fachverbände explizit vor. Dieses Verhalten sowie die Ausschilderung von Radwegen, die entweder nicht die Anforderungen der StVO-VwV erfüllen, bzw. für die eine Beschilderung aufgrund der Verkehrssicherheit nicht notwendig ist, führte zu starker Kritik seitens des ADFC. Angebote zur Mitarbeit hatte die Verwaltung schon früh ignoriert, Briefe wurden entweder gar nicht oder nur mit Floskeln gefüllt, beantwortet. Als die Nachfrage des ADFC nach den Prüfergebnissen der Untersuchung des Oldenburger Radwegenetzes auch nach mehreren Monaten nicht beantwortet wurde, wandte er sich an den Verkehrsausschuß und brachte dort einen entsprechenden Antrag ein. Gezwungenermaßen reagierte die Stadt jetzt. Anstatt aber auf die inhaltliche Kritik einzugehen, hielt die Stadt an ihrem bisherigen Konzept fest, indem sie weiterhin Behauptungen aufstellte, die sie nicht belegen kann und die diametral den Erkenntnissen der Verkehrswissenschaft entgegenstehen. So behauptet die Stadt Oldenburg z.B. immer noch, das Führen des Radverkehrs auf Radwegen im Kreuzungsbereich sei sicherer als auf der Fahrbahn. Dabei kommen Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) und aus England, genau zu gegenteiligen Ergebnissen. Neu hinzugekommen waren in dem Antwortschreiben der Verwaltung persönliche Angriffe auf den Vorsitzenden des ADFC. So warf die Stadt ihm Sachunkundigkeit und sehr einseitige Interessenvertretung vor und unterstellte ihm, eine alleinige Beteiligung des ADFC zu fordern, d.h. keine anderen Verbände zuzulassen. Dieses Schreiben führte auf der Sitzung des Verkehrsausschusses zu empörten Reaktionen und Protesten seitens der SPD und Bündnis 90/die Grünen.

Gespräche über die Ausschilderung von Radwegen ...

Aufgrund dieser Proteste oder aufgrund der in dem o.g. Schreiben an den ADFC gemachten Zusage, den ADFC anhören zu wollen (die Aktiven hatten nicht geglaubt, daß diese Zusage ernst gemeint war) kam es im Dezember zu einem ersten Treffen mit der Verwaltung bezüglich der Ausschilderung von Radwegen, an dem seitens des ADFC Gernot Lucks und Stephan Popken teilgenommen hatten. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurde die Liste der Radwege durchgegangen, die benutzungspflichtig werden sollten und inzwischen auch schon waren, d.h. es sind vorher schon Fakten geschaffen worden. Dabei kam es, wie erwartet, zu deutlichen Meinungsdifferenzen zwischen dem ADFC und der Verwaltung/Polizei. Während die Verwaltung gleich zu Beginn signalisierte, daß bis auf wenige Ausnahmen alle Radwege entlang des Vorbehaltsnetzes (weitgehend identisch mit dem Tempo 50 Straßen-Netz) benutzungspflichtig werden, konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf die Tempo 30 Zonen, hier v.a. auf die, die für Radfahrer eine Netzfunktion aufweisen (Lindenallee, Uhlhornsweg, Voßbergen, Brandenburger Straße etc.). Auch wenn der ADFC erreichen konnten, daß einige dieser Straßen zumindest halbseitig nicht ausgeschildert werden, so konnte er sich im großen und ganzen nicht durchsetzen. Da tröstet es auch wenig, daß die Verwaltung immer wieder betont, daß die Ausschilderung der Radwege nicht endgültig und jederzeit abänderbar sei. Nicht beschildert bzw. wieder entschildert ist bzw. werden soll der Uhlhornsweg, Am Schmeel (ab der Fußgängerbrücke stadtauswärts), ausgeschildert bleibt dagegen die Lindenallee, die Brandenburger Straße, An den Voßbergen (alles Straßen in Tempo 30 Zonen). Auch eine Entschilderung der Auguststraße (Tempo 50), die sehr beengte Seitenbereiche (kombinierter Rad/Gehweg bei einem hohen Radverkehrsaufkommen) aufweist, dagegen aber aufgrund der schmalen Fahrbahn geringe Kfz-Geschwindigkeiten, konnte nicht erreicht werden, genauso wie des Straßenzuges Roonstraße, Hindenburgstraße, Tirpitzstraße, obwohl sich diese Straßen außerhalb des Vorbehaltsnetzes befinden und eine mittlere Kfz-Belastung aufweisen (ca. 6.000 Kfz/Tag).

Die Forderung des ADFC bezüglich der Radwegebenutzungspflicht lautet aufgrund der Tatsache, daß zahlreichen Untersuchungen zufolge das Fahren auf der Fahrbahn auf Hauptverkehrsstraßen nicht gefährlicher ist als auf dem Radweg, zudem viele Oldenburger Radwege in einer so schlechten Ausstattung (Breite, Oberfläche) sind, daß sie den Ansprüchen des Radverkehrs in keiner Weise mehr entsprechen: die Abschaffung derselben. Das soll aber nicht heißen, daß der ADFC die Radfahrer auf die Fahrbahn zwingen will. Es geht lediglich um die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht, d.h. der Radfahrer kann entscheiden, ob er weiterhin den Radweg benutzen will oder die Fahrbahn benutzt. Auf diese Weise werden die langsamen von den schnellen Radfahrern getrennt.

... die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung ...

Erfreulicher verlief das zweite Treffen im Januar. Diesmal ging es um die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung. Die Verwaltung hatte auf einen entsprechenden Antrag des ADFC in der Sitzung des Verkehrsausschusses vom Oktober reagiert. Bei der Öffnung von Einbahnstraßen ging es dem ADFC in erster Linie darum, in einem ersten Schritt die Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung zu öffnen, die 1. eine (Netz-)Bedeutung für den Radverkehr aufweisen und 2. aufgrund ihrer Gestaltung (Breite, parkende Kfz) keine oder kaum Probleme hinsichtlich der Sicherheit erwarten lassen. Sollte sich die Öffnung dieser Einbahnstraßen als erfolgreich erweisen (davon geht der ADFC aus) sollen in einem zweiten Schritt weitere Einbahnstraßen geöffnet werden. Dabei müssen vorher in einigen Einbahnstraßen Änderungen vor allem der Parkanordnung vorgenommen werden, da ansonsten die verbleibende Fahrbahn zu schmal wäre (von der StVO-VwV vorgegeben ist eine Breite von 3,00 bis 3,50 m). Die Vorstellungen des ADFC deckten sich weitgehend mit denen der Stadt. Lediglich um die Ritterstraße (sie wird ersteinmal nicht für den Gegenverkehr freigegeben), Ehnernstraße, Wallstraße und den Steinweg gab es längere Diskussionen. In Bezug auf die Ehnernstraße waren sich alle über die große Bedeutung als Durchgangsstrecke für den Radverkehr einig, aber ebenso in der Problematik, daß durch das beidseitige Parken die verbleibende Fahrbahnfläche zu schmal sei für ein gefahrloses Passieren. Eine Änderung der Parkordnung, was einer Reduzierung der Stellflächen gleichkommt, kam für die Verwaltung aber nicht in Frage. Deshalb wird die Ehnernstraße nicht freigegeben. Auch der Steinweg wird vorläufig nicht freigegeben, eine Freigabe soll aber geprüft werden. Bei der Wallstraße bereitet die Zufahrt zum Parkhaus Probleme, so daß eine Freigabe für Radfahrer nach Darstellung der Verwaltung nicht möglich sei. Freigegeben werden dagegen die Straßen in der Fußgängerzone (diese aber nur zu den erlaubten Zeiten befahren!), die Bismarckstraße, Moltkestraße, Gaststraße, Koppelstraße.

... die Einrichtung der ersten Fahrradstraße in Oldenburg

Am 12.05.1999 war es soweit: die erste Fahrradstraße in Oldenburg wurde eingeweiht. Sie umfaßt die Straßen Haarenesch, Katharinenstraße und Georgstraße und führt vom Stadtwesten (Bloherfelde) direkt in die Innenstadt. Eine Beteiligung des ADFC hat es lediglich in geringer Form auf informeller Ebene gegeben. Ein großer Streitpunkt war der Erhalt der Parkplätze in der Katharinenstraße. Vom ADFC kritisiert wird die Querung über die Auguststraße, die weiterhin vorfahrtsberechtigt bleibt. Die Querung erfolgt für den Radverkehr mittels einer Druckampel, was zu Wartezeiten führt, was wiederum das Radfahren unattraktiv macht. Vom ADFC wird die Forderung vertreten, die Auguststraße in eine Tempo 30 Straße umzuwandeln und der Fahrradstraße Vorrang zu gewähren. Vom Erfolg dieser Fahrradstraße wird auch abhängen, ob weitere eingerichtet werden, denn eine Fahrradstraße allein kann noch nicht viel bewirken, ein Netz von Fahrradstraßen muß das Ziel sein, um den Radverkehr auf attraktiven Nebenrouten durch Oldenburg zu führen.

Erste Ergebnisse nach der Einrichtung der Fahrradstraße

Die Haareneschstr., Katharinenstraße und Georgstraße sind lediglich durch eine Umbeschilderung zu Fahrradstraßen geworden, d.h. bauliche oder optische (Markierungen auf der Fahrbahn) Maßnahmen hat es nicht gegeben. Aus Kostengründen (beim Fahrrad spart die Stadt grundsätzlich) wurde bei den Fahrradstraßenschildern die kleinere Variante verwendet.

Da nicht nur Radfahrer, sondern auch Autofahrer, in der Fahrradstraße Vorfahrt gegenüber einmündenden Straßen haben, liegt die Geschwindigkeit der Autofahrer v.a. in der Haareneschstr. nun höher als vor der Umwandlung. Nach Messungen der Polizei fahren über 50 % zwischen 30 und 50 km/h und damit deutlich zu schnell (erlaubt ist eine mäßige Geschwindigkeit, d.h. ca. 20 km/h). Ca. 50 % von diesen Autofahrern wußten angeblich nicht, daß sie sich in einer Fahrradstraße befänden – hier rächt sich das Verwenden kleinerer Schilder sowie fehlende Markierungen und sonstige Hinweise –, 90 % gaben an, sie wüßten nicht, wie man sich als Autofahrer in einer Fahrradstraße verhält. Fahrradfahrer, die nebeneinander fahren (das ist erlaubt), werden angehupt, waghalsige Überholmanöver finden weiterhin statt. Von dem rücksichtslosen Verhalten der Autofahrer verschreckt, benutzen nun mehr Radfahrer den Fußweg als vorher.

Als Reaktion auf diese Mißstände hat die Stadt Oldenburg Fahrradpiktogramme auf die Fahrbahn angebracht – aus Sicht des ADFC aber nicht auffällig genug. Zudem erhofft man sich durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit v.a. in der Presse, dem Problem Herr zu werden. Es wird sich zeigen, ob diese Maßnahmen Erfolg haben.

Stephan Popken

 

 
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