Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/99      Seite 6
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

WählerInnengemeinschaft Grün-Links gegründet

"Öffentliche Versammlungen" an jedem Donnerstag im Litfaß, eine erste Veranstaltung in den Räumen der ALSO zum Sparpaket der Bundesregierung: Grün-Links ist nicht mehr nur eine über die Presse verkündete neue WählerInnengemeinschaft aus dem grün-alternativen Spektrum, sondern eine Gruppe, die an die Öffentlichkeit geht, um Menschen für ihre Ziele zu gewinnen und auch neue Mitglieder zu organisieren. Bei den Bündnisgrünen sind enttäuschte und verbitterte Reaktionen nicht verwunderlich, aber auch aus dem Lager der Menschen, die schon immer große Vorbehalte zur grünen Partei hatten, wird durchaus skeptisch auf dieses Projekt gesehen. Man mag zum einen nicht so recht glauben, daß es mit einer Parteigründung klappen könnte, denn zu viele Gründungsversuche sind gescheitert, und nur die Bündnisgrünen haben es geschafft, sich in die Parteienlandschaft der BRD fest zu etablieren und die 5%-Hürde zu schaffen. Zum anderen trifft man sich mit den Argumenten der Bündnisgrünen, wenn man eine unnötige Zersplitterung der Linken befürchtet. Natürlich gibt es auch viel Zustimmung zu diesem "mutigen" oder "längst überfälligen" Schritt. Als Gründungsmitglied von Grün-Links will ich versuchen darzustellen, warum wir weder "Spalter" noch "Träumer" sind.

Krieg als Menschenrechtspolitik?

Anlaß zum Austritt einiger Grüner war die Politik der Bundesorganisation zum Kosovo- Krieg. Wer für die BRD auf Grund ethischer und/oder historischer Gründe die Beteiligung an einem Krieg, insbesondere an einem Angriffskrieg der NATO, nicht mit verantworten kann, muß die Partei, deren Mehrheit sich zur Notwendigkeit des Kosovo- Krieges bekannt hat, deren Mehrheit über den "erfolgreichen Abschluß" des NATO-Krieges sinniert, verlassen, wenn er/sie sich nicht in unlösbare Widersprüche von Überzeugung und Handeln verstricken will. Die Frage der Beteiligung an einem Krieg läßt keine Kompromisse zu: ein bißchen Krieg ist so unsinnig wie ein bißchen tot. Was hätte ich bei meinem Versuch, während des Kosovo- Krieges noch an einem Wahlkampfstand der Grünen zur Europawahl teilzunehmen, dem Menschen entgegnen sollen, der uns fragte:"Na, habt ihr auch eure Knobelbecher angezogen?" Knapper und schmerzhafter konnte mir niemend beibringen, daß die Partei, für die ich mich ewig lange engagiert hatte, auf dem Wege war, sich in einer grundsätzlichen Frage von meiner Position wegzubewegen. Ich mußte den Wahlkampfstand verlassen.

Die nächsten Grundsäulen der Grünen wanken

Die Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung und daß man dabei Kompromisse mittragen muß, hat mir nie Probleme bereitet. In 10 Jahren Mitgliedschaft mußte ich oft genug meinen Finger für Dinge heben, die ich gerne abgelehnt hätte, wie z. B. die Bereitstellung von Geldern für den unsinnigen Tunnel der Ammerländer Heerstraße. Vertreten kann man solche Kompromisse aber nur, wenn die Richtung der Politik insgesamt noch stimmt - zumindest selbst muß man das glauben. Bei der letzten Bundestagswahl sind die Grünen angetreten, eine 16jährige Ära zu brechen, in der es eine stetige Umverteilung von unten nach oben gegeben hatte, in der das Auseinanderklaffen von Arm und Reich nie gekannte Ausmaße angenommen hatte, in der die Entsolidarisierung zum Programm erhoben war. Das Sparpaket der Bundesregierung, das Rainer Müller von der ALSO viel besser erklärt (siehe Artikel in diesem STACHEL "Eichel spart, Gemeinden zahlen"), als ich es in diesem Artikel könnte, ist die nahtlose Fortführung und noch Verschärfung der Politik der Kohl-Regierung. Und führende FinanzpolitikerInnen der grünen Bundestagsfraktion begreifen offenbar nicht, daß die Besteuerung von Vermögen und Kapitalgewinnen - unabhängig davon, wieviel Einnahmen damit erzielt werden können - Grundvoraussetzung ist, um zumindest noch von einer "ausgewogenen" Sparpolitik träumen zu können, wenn man schon den Richtungswechsel der Politik aufgegeben hat. Die Grundsäule grüner Politik, daß man "sozial" sei, wird in der Bundesrepublik der "neuen Mitte", die man gewinnen will, zunehmend geopfert.

Das Gefeilsche um die Laufzeiten von Atomkraftwerken macht deutlich, daß der "unumkehrbare Ausstieg" aus der Atomenergie schon aufgegeben wurde zu Gunsten einer Koalitionstreue zu Schröders SPD, die offenbar vom Konsens mit der Atomlobby nicht lassen kann. Ausstieg aus der Atomenergie war für einen erheblichen Teil der grünen Parteimitglieder die entscheidende Motivation, sich parlamentarisch-politisch zu engagieren. Und auch die vierte Säule der Grünen (friedlich, sozial, ökologisch, BASISDEMOKRATISCH - bitte kursiv) droht den "Sachzwängen" hektischer parlamentarischer Politik mehr und mehr zum Opfer zu fallen. Rotation ist - zu Recht oder nicht - längst ein Fremdwort geworden, die notwendige Professionalität hat aber auch das ein oder andere mit zu Fall gebracht, was man besser erhalten hätte und was man auch hätte erhalten können. Ein Personenkult z. B., wie er jetzt teilweise um Joschka Fischer gepflegt wird, geht weit über das hinaus, was der Erkenntnis, daß Politik natürlich auch von Personen gemacht wird, geschuldet ist. Kurz und knapp: Die Entwicklung der grünen Bundespolitik hat der Notwendigkeit, auf Grund der Kosovo-Politik auszusteigen, einige weitere Dinge hinzugefügt, die für sich genommen meinen Austritt nicht unbedingt erzwingen würden, die mir aber den Schritt erleichterten.

Warum in Oldenburg Grün-Links?

Wenn man wegen der Bundespolitik aussteigt, dann müsse man doch auf Bundesebene eine Partei gründen und dürfe nicht auf kommunaler Ebene die Linken zersplittern, wird uns entgegengehalten. Recht so! Gerne wäre ich kommunalpolitisch ein Grüner geblieben, nur, wie soll ich's anstellen? Man kann nicht die Bundespolitik kündigen und den Rest behalten. Und eine neue Partei auf Bundesebene gründen? Warum nicht! Wir sind dabei, nur können wir das nicht alleine. Wir müssen schon auf kommunaler Ebene anfangen, uns von unten her aufbauen. Wenn wir dann hoffentlich überregional genügend Menschen finden, die mit uns zusammen eine überregionale Organisation gründen wollen, dann tun wir das. Und auf der Suche sind wir.

Gernot Koch

 

 
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