Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/00      Seite 16
 
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Kirchenasyl "freiwillig" verlassen

Der 18jährige türkische Schüler kurdischer Abstammung, Hasan Sevimli, hat das Asyl in der Bremer Friedensgemeinde freiwillig verlassen, um einer entsprechenden Aufforderung der Kirchengemeinde zuvorzukommen. Hasan befand sich seit etwa vier Wochen im Bremer Kirchenasyl, nachdem ihn die Ausländerbehörde der Stadt Delmenhorst bereits am 14. August in die Türkei abschieben wollte. In den letzten Tagen war der Druck auf den 18jährigen Kurden derart stark geworden, daß sich die in Bremen und Delmenhorst lebende Familie von Hasan dazu entschloß, den zunächst für sicher gehaltenen Aufenthalt in der Bremer Friedensgemeinde zu beenden. Die Ausländerbehörde der Stadt Delmenhorst hatte zuletzt erneut damit gedroht, das Kirchenasyl per Amtshilfe durch die Bremer Polizeibehörden zu beenden.

Entscheidend für den Ausstieg Hasans aus dem Kirchenasyl war das Vorgehen des Rechtsanwaltes von Hasan, Detlef Driever, der in Verhandlungen mit dem Delmenhorster Ausländerdezernenten Bernd Müller-Eberstein (CDU) die fragwürdige Abmachung erzielt hatte, daß Hasan freiwillig in die Türkei ausreisen sollte; eine Lösung, die der Rechtsanwalt bereits im April diesen Jahres persönlich favorisiert hatte. Diesmal jedoch war dem 18jährigen versprochen worden, daß ihn die türkischen Sicherheitsbehörden bei der Paßkontrolle angeblich unbehelligt passieren lassen, auch vor dem Hintergrund seiner kürzlich erklärten Kriegs- und Wehrdienstverweigerung. Angeblich hätte Hasan nach einigen Monaten Wartezeit dann die Möglichkeit, wieder in die Bundesrepublik einzureisen, so die Vereinbarung des Rechtsanwaltes mit der Stadt Delmenhorst. Die Ausländerbehörde bestätigte diese Abmachung per Anschreiben an den Rechtsanwalt, sie habe dagegen nichts einzuwenden...

Wie die Familie von Hasan gegenüber Medienagentur für Menschenrechte (mfm) mitteilte, sei Hasans Rechtsanwalt zu diesem "Deal" zu keinem Zeitpunkt beauftragt worden. Auch sei die Familie in die entscheidenden Verhandlungen in der Bremer Friedensgemeinde nicht eingezogen, sondern - in einem konkreten Fall - sogar von den Verhandlungen ausgeschlossen worden. Daher war die Vertrauensbasis zwischen Anwalt und Familie nicht mehr gegeben.

Aus der Sicht von mfm stellt sich diese Entwicklung als beklemmend und skandalös dar. Offenbar wurden die berechtigten Lebensinteressen von Hasan Sevimli im Rahmen interner Vereinbarungen und Abmachungen mit der Delmenhorster Ausländerbehörde einer Politik geopfert, die keine Rücksicht mehr nimmt auf die - im Fall der Türkei - jederzeit mögliche und, selbst nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, nicht kalkulierbare Beschädigung von Menschenleben.

Wer solchen Vereinbarungen gegenüber Militärdiktaturen Vorschub leistet, handelt verantwortungslos im Sinne menschenrechtlicher Verpflichtung.

Inzwischen ist die Zahl der Paten, die sich für ein Bleiberecht von Hasan Sevimli in der BRD einsetzen, auf 49 gestiegen. Neben Günter Wallraff und Günter Graß hat nun auch der Schriftsteller Gerhard Zwerenz eine Patenschaft für Hasan übernommen.

Peter Vogel, Ursula Hoppe, mfm

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