Leiharbeit und Erwerbslosigkeit
Ein Handbuch zum kritischen Umgang mit Arbeitsamt und Leiharbeit Ankündigung des Buches von Wolf Herzberg
Es ist inzwischen bei den Regierungsparteien Mode geworden, die
Leiharbeit, bzw. im Rechtsdeutsch: die gewerbsmäßige
Arbeitnehmerüberlassung, als den Königsweg zur Beseitigung der nach wie
vor hohen Erwerbslosenzahlen anzupreisen. Kanzler Schröder regte ein
"Nachdenken" darüber an, "ob schon alle Möglichkeiten für
Zeitarbeitsverhältnisse genutzt" würden (FR, 13.7.2001).
In dem Entwurf des vielerorts diskutierten "Job-Aqtiv-Gesetzes" ist eine
Erhöhung der maximalen Arbeitnehmer-Überlassungsdauer von bislang zwölf
auf 24 Monate vorgesehen, wenn Langzeitarbeitslose oder über 55jährige
Erwerbslose eine Leiharbeit aufnehmen. Ab dem 13. Monat müssen die
Verleihfirmen den LeiharbeitnehmerInnen allerdings die gleichen
Arbeitsbedingungen gewähren und die gleichen Löhne zahlen, die im
Entleihbetrieb üblich sind. Im Zentrum des "Job-Aqtiv-Gesetzes" wird die
sogenannte Eingliederungsvereinbarung stehen. Mit ihr werden Erwerbslose
von den Arbeitsämtern unter Androhung von Sanktionen (12wöchige
Sperrzeit) auf ein bestimmtes Bewerbungsverhalten festgelegt. Die
Bewerbung auf Leiharbeitsstellen kann damit massenhaft vorangetrieben
werden.
Bei seiner Tournee durch Ostdeutschland sprach sich Gerhard Schröder für
noch mehr Flexibilisierung bei den Fristen in der Leiharbeit aus. Aus
Regierungskreisen ist bekannt geworden, daß auch das
Synchronisationsverbot, d.h. das Verbot der Beschränkung eines
Arbeitsverhältnisses bei einer Leiharbeitsfirma auf einen einzigen
Verleiheinsatz, aufgehoben werden soll (FR, 25.8.2001). Zwischen den
Einsätzen müssen die Beschäftigten also Arbeitslosengeld beantragen. Das
Unternehmerrisiko der Verleihfirmen trägt somit die
Versichertengemeinschaft. Es wird auf Erwerbslose und Erwerbstätige
abgewälzt.
Stehen uns am Ende blühende
Leiharbeitslandschaften bevor?
Eine Überlassungsdauer von bis zu 12 Monaten, die zur Zeit schon möglich
ist, bedeutet, daß Belegschaften immer mehr in zwei Kategorien
aufgeteilt werden. Die eine Kategorie besteht aus den noch in die
bestehenden Tarif- und Mitbestimmungsstrukturen eingebundenen
Beschäftigten, die andere Kategorie arbeitet unter wenig
kontrollierbaren Arbeitsbedingungen und muß mit den Löhnen vorlieb
nehmen, die in der Leiharbeitsbranche üblich sind. Es gibt einen
Betrieb, aber zwei Klassen von Arbeit. Damit zerstört die Leiharbeit auf
Dauer bestehende, gewachsene Tarifstrukturen.
Gegen die langen Überlassungseinsätze, aber auch gegen die fortlaufende
Beschränkungsmöglichkeit von Leiharbeitsverhältnissen auf kurze
Leiheinsätze werden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Mit dem
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) wird ein hire and fire möglich. Das
AÜG ist somit schon in seiner jetzigen Fassung in rechtlicher Hinsicht
zweifelhaft.
Das Niveau der Leiharbeitslöhne liegt um mehr als ein Drittel unter dem
von Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft, wie das Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Forschungsinstitut der
Bundesanstalt für Arbeit, für das Jahr 1995 festgestellt hat. 1980 lag
diese Differenz noch bei 23 Prozent. Männliche Leiharbeitskräfte
erhielten 1998 sogar nur 60,5 Prozent der Löhne, die vergleichbare
Beschäftigte in der Regel erhalten (IGM-direkt, 16/2001).
Es gibt aktuell keine ernsthafte Untersuchung darüber, ob
Leiharbeitskräfte nach ihrem Leiheinsatz von einem Betrieb übernommen
werden. Die Bundesregierung spricht in ihrem Erfahrungsbericht über die
Anwendung des AÜG von Oktober 2000 nur von 30 Prozent - und stützt sich
dabei auf Schätzungen des Bundesverbandes Zeitarbeit
Personaldienstleistungen (BZA).
Mit der Leiharbeit entsteht ein Arbeitsmarktsektor, bei dem im
Durchschnitt Löhne gezahlt werden, die fast den Straftatbestand des
Wuchers erfüllen.Von Wucher wird gesprochen, wenn ein auffälliges
Mißverhältnis zwischen Lohn und Leistung besteht. Der Bundesgerichtshof
(BGH) hat in einem Urteil von 1997 festgestellt, daß arbeitsrechtlich
ein Verdienst unzumutbar ist und als Wucherlohn bezeichnet wird, der um
mehr als ein Drittel unter dem ortsüblichen Lohn liegt. Als Maßstab für
den ortsüblichen Lohn hat der BGH den entsprechenden Tariflohn
angesetzt. Werden somit in der Leiharbeit häufig Wucherlöhne gezahlt?
Leiharbeit und
Zumutbarkeitskriterien
Gleichzeitig mit der Lockerung von Vorschriften im AÜG sind aber auch
die Zumutbarkeitskriterien für die Aufnahme einer Beschäftigung im
Arbeitslosenrecht, im SGB III, verschärft worden. Der im alten
Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bis 1997 noch bestehende Berufs- und
Tätigkeitsschutz ist abgeschafft. Erwerbslose können von Anfang an auf
unterwertige Tätigkeiten verwiesen werden. Auch auswertige Unterbringung
und ungünstige Arbeitsbedingungen müssen in Kauf genommen werden. Der
tarifliche oder ortsübliche Lohn ist ebenfalls kein Maßstab mehr für die
den Erwerbslosen zumutbare Lohnhöhe.
Zu schlechter Letzt hat die Bundesanstalt für Arbeit in einem Runderlaß
von Juli 2000 Grundsätze für eine Zusammenarbeit mit dem BZA erarbeitet.
Darin heißt es, daß die Leiharbeitsfirmen den LeiharbeitnehmerInnen
eine Mindestvergütung in Höhe des bei Verleihern ortsüblichen Lohnes
zahlen müssen. Das würde bedeuten, daß für Erwerbslose eine Arbeit
zumutbar wird, deren Löhne um ein Drittel unter den Löhnen in der
Gesamtwirtschaft, also unter den tariflichen oder ortsüblichen Löhnen,
liegen. Einen solchen Maßstab für die zumutbare Lohnhöhe hat es in der
ganzen Geschichte des Arbeitsförderungsrechts noch nicht gegeben.
Zu fragen wäre, ob die Bundesanstalt für Arbeit bei der Vermittlung von
Erwerbslosen auf Leiharbeitsstellen am Ende nicht das sogenannte
verfassungsrechtlich garantierte Untermaßverbot verletzt. Denn der
arbeits- und sozialrechtliche Mindestschutz würde Erwerbslosen in diesem
Fall verwehrt werden.
Ein Handbuch für Rechts- und
Sozialberater und Ratsuchende
Das Buch enthält Tips und Anregungen zum Verhalten bei Bewerbung und
Vorstellungsgespräch, beim Vorgespräch bei einer Leiharbeitsfirma sowie
beim Vermittlungsgespräch beim Arbeitsamt, und Hinweise auf die
Mitbestimmungsrechte im Verleih- wie im Entleihbetrieb. Außerdem werden
die gesetzlichen Vorschriften im AÜG wie im SGB III unter
Berücksichtigung von Entscheidungen aus der Rechtssprechung und von
Erfahrungen aus der Arbeitslosenberatung ausführlich behandelt und einer
Kritik unterzogen. In einem historischen Exkurs werden die Änderungen
der Zumutbarkeitsbestimmungen für die Aufnahme einer Beschäftigung im
Arbeitsförderungsrecht beschrieben.
Das Buch (ISBN-Nr. 3-89438-233-3) wird im März/April 2002 im
PapyRossa-Verlag erscheinen. Umfang: ca. 300 Seiten, Preis: 32,30 Mark
bzw. 16,50 Euro. Bei Bestellungen bis zum 31.3.02 gibt es den
Subskriptionspreis von 24,06 Mark bzw. 12,30 Euro.
Wer das Buch zum Subkriptionspreis bestellen möchte, wende sich an die
Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, Kaiserstr. 19, 26122 Oldenburg, Fax
04 41/1 63 94, e-mail: also@also-zentrum.de. Wer sich unter Angabe
ihrer/seiner vollständigen Adresse meldet, bekommt die Bankverbindung
mitgeteilt. Durch Überweisung des Buchpreises (zzgl. 2,50 Mark Versand)
wird die Bestellung perfekt gemacht.
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