Oldenburger STACHEL Ausgabe 12/01      Seite 12
 
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Ein Denkmal für den Grafen?

Altpolitiker auf Themensuche

Horst Milde, einst Präsident des Niedersächsischen Landtages und in dieser Eigenschaft so etwas wie das einstige Staatsoberhaupt des Landes, quält ein Manko: In Oldenburg fehle, so hat er verlauten lassen, ein Denkmal des Grafen Anton Günther. Er sei nämlich ein Herrscher gewesen, der der Stadt Oldenburg im 30jährigen Krieg den Frieden erhalen habe. "Einem solchen Mann kein Denkmal zu setzen, ist ein Versäumnis der Vergangenheit," so Milde - laut NWZ vom 15.11.01 - zu dem neuen Oberbürgermeister Dietmar Schütz und setzte hinzu, daß die zur Finanzierung notwendigen Gespräche bereits liefen.

Wer war Graf Anton Günther?

Der Oldenburger Historiker Friedrich Wilhelm Schaer charakterisierte den "Herrscher" ausreichend und erschöpfend, als er ihn als "Großgrundbesitzer, Großunternehmer und Fürst" - in dieser Reihenfolge - bezeichnete (Oldb. Jb. 1984, S. 81), und er umschrieb die Propaganda, die sich an diesen Namen knüpft, in ebenso genialer Einfachheit, als er hinzusetzte, er sein ein Mann gewesen, der "um Gerechtigkeit und christliche Fürsorge" (ebd.) bemüht gewesen sei.

Und in der Tat: Als Großgrundbesitzer hat Graf Anton Günther während seiner sechzigjährigen Regierungszeit (1603-1667) an die Parteien des Dreißigjährigen Krieges, so lange sie zahlen konnten, Pferde und Ochsen geliefert und dabei vermutlich gut verdient. Das Land Oldenburg indes hat von diesen Geschäften keinen erkennbaren Nutzen gehabt, denn Graf Anton Günther hat seine Gewinne nicht investiert, sondern als "Schatz" aufbewahrt oder in konsumptiven Ausgaben vergeudet. Falls bei seinem Tode noch Rücklagen vorhanden gewesen sein sollten, verschwanden sie in den Taschen seiner hochadligen Erben. Großunternehmer war er also nur in dem Sinne, daß er viele Ochsen und Pferde verkaufte und das auf weit entfernten Märkten, aber er war es nicht im Sinne hanseatischer Kaufleute, die Gewinne mit dem Ziel anlegten, so zusätzliche Profite zu erzielen. Er blieb also Feudalherr und als solcher hat er seine Untertanen gnadenlos ausgebeutet, und das nicht nur, indem er sie mit Steuerforderungen überzog, sondern darüber hinaus verlangte, daß seine Tiere auf privatem Land weiden durften und was dergleichen Schikanen mehr waren. Hinzu traten die Deichlasten, die Anton Günther, wie seine Vorgänger, den Bauern der Marsch aufpelzte. Das so neu gewonnene Land gehörte natürlich dem Grafen und nicht denjenigen, die es erarbeitet hatten, ist doch klar.

Nun habe der Graf Oldenburg den Frieden erhalten, sagt Horst Milde. Das ist wahr und wieder auch nicht wahr. Richtig ist, daß Anton Günther nicht, wie so viele Duodezfürsten seiner Zeit (beispielsweise der Herzog Bernhard von Weimar) den Beruf des Soldaten ergriffen hat. Das lag ihm nicht - Anton Günther war eben Kaufmann und die schießen nicht selbst, sondern lassen allenfalls schießen. Wenn er das getan hätte, wäre er mit seinen Soldaten dorthin gezogen, wo der Krieg stattfand, also nach Sachsen oder nach Bayern. Oldenburg hätte davon weder einen Schaden noch einen Nutzen gehabt, so wie die Neutralitätspolitik des Grafen nur insofern eine Auswirkung hatte, als Tilly auf seinem Vormarsch nach Ostfriesland nur die Stadt Oldenburg, mit der Residenz des Grafen, verschonte. Die Grafschaft selbst wurde von den kaiserlichen Soldaten gnadenlos ausgeplündert; nur die Marschen blieben verschont, weil sie zu abgelegen waren. Außerdem änderte sich die Kriegslage, so daß Tilly abziehen mußte. Anton Günther hat also schlicht Glück gehabt - aber rechtfertigt die Gunst des Zufalls ein Denkmal?

Als Landesherr erbrachte Graf Anton Günther keine Leistungen. Nur die Einrichtung zweier Armenhäuser im Kloster Blankenburg und in Butjadingen ist ihm gutzuschreiben, aber mehr ist in den 63 Jahren seiner Regierung nicht geschehen, was man unter dem Titel "christlicher Fürsorge" abbuchen könnte. Richtig ist auch, daß er katholische und, schlimmer noch, calvinistische Beamte beschäftigte, wenn sie ihm von Nutzen waren und keine Gemeinden bildeten, aber Juden duldete er in seiner Grafschaft nicht - Anton Günther war, wenigstens nach außen hin, ein linientreuer Lutheraner, also Antisemit. Die Entschuldigung, daß seine Standeskollegen ausnahmslos ebenso handelten, trifft nicht zu, denn der Graf von Hanau beispielsweise umwarb die Juden geradezu, weil er sich von ihnen einen Vorteil versprach, und die Haltung der Stadt Amsterdam war auch eine andere, aber dort waren Reformierte am Werke, pfui! Schließlich wäre noch der Weserzoll zu nennen, den Anton Günther legalisierte. Er trat an die Stelle des Seeraubs, den sein Großvater noch aktiv betrieb, und behinderte nicht nur den Handel der Stadt Bremen, sondern auch den der Oldenburger, was aber dem Grafen egal war, denn Untertanen waren dazu da, daß sie ihm die Kasse füllten - andere Rücksichten kannte er nicht. Wenn Friedrich Wilhelm Schaer also Anton Günther als einen um Gerechtigkeit und christliche Fürsorge bemühten Landesherrn bezeichnet, so haben wir es mit einer propagandistischen Formel zu tun, denn der Graf wurde, besonders nachdem die interessierten Großmächte, also Rußland und England, die Gottorps zu Herzögen von Oldenburg gemacht hatten, zum Muster eines fürsorglichen Landesherrn erhoben, dessen Weisheit sich die Untertanen getrost anvertrauen konnten, weil er schon alles richten würde. Das also war der Mythos, der von Pastoren und Lehrern pflichtgemäß verkündet wurde, aber die Menschen in Oldenburg wußten sehr wohl, daß die Legende nicht zutraf, weshalb der Plan, ein Denkmal für den Pferdegrafen zu errichten, im 19. Jahrhundert scheiterte: die Männer von Besitz und Bildung, wie man damals sagte, weigerten sich schlicht, für einen solchen Unsinn Geld auszugeben und die Gottorps waren auch zu gnietschig dazu, also blieb den Oldenburgern eine solche Plastik erspart, und nach dem Sturz der Monarchie hatte man für einen derartigen Unfug erst recht keinen Sinn mehr. Es blieb Horst Milde vorbehalten, den Gedanken wieder aufleben zu lassen, wobei er sicherlich auf die Unterstützung der oldenburgischen Landschaft rechnen kann, die sich bekanntlich nicht entblödete, dem sog. "Alten Großherzog" eine Ausstellung zu widmen. Er war nämlich tatsächlich in der Lage, sich während seiner Regierungzeit - immerhin ein halbes Jahrhundert - einmal im Jahr im Sonderzug von Oldenburg nach Italien fahren zu lassen. Und das Erstaunlichste: Einkaufen konnte er auch. Vor einer solchen Leistung ersterben die Mitarbeiter der Oldenburgischen Landschaft noch nachträglich in tiefster Ehrfurcht und ersterben in submissester Devotion als Allerhöchstdero gehorsamste Diener. Und zum äußeren Zeichen des schuldigen Respekts würdigt die Oldenburgische Landschaft diesen Mann, der dem Land Oldenburg durch seine Dummheit erheblich geschadet hat, mit einer Ausstellung, das allerdings mit Recht: Verglichen mit den geistigen Leistungen seiner Kollegen in den anderen deutschen Ländern waren seine Reisen nach Italien schon eine herausragende Leistung. Immerhin: Der "Alte Großherzog" war nur blöd, nicht bösartig Kaiser Wilhelm II.. Im Ganzen aber hatte deutsche Aristokratie abgewirtschaftet, als sie gestürzt wurde und verdient auch nachträglich keinen Kult. Und abgesehen davon: Irgend jemand sollte Horst Milde gelegentlich mitteilen, daß Deutschland seit dem 11. November 1918 eine Republik ist - offensichtlich weiß er das nicht.

Die Geschichte wäre reif für ein örtliches Kabarett, wenn es ein solches gäbe, aber sie hat noch eine sehr ernste Seite hätte: Dieser Kult um abtakelte Herrscherfiguren wie Nikolaus Friedrich Peter, Carl Röver und jetzt Anton Günther macht doch deutlich, daß nicht nur Horst Milde, sondern die ganze politische Elite der Stadt sich nach eben einem solchen fürsorglichen Landesvater sehnt. Oder anders ausgedrückt: Wer heute ein Graf-Anton-Günther-Denkmal fordert und fördert, entlarvt sich damit als Anhänger des deutschnationalen Führerstaates unseligen Angedenkens und verläßt damit den Boden unserer verfassungsmäßigen Ordnung, die eben vom Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes ausgeht und nicht vom Gottesgnadentum irgendeines Fürsten oder selbsternannten "Führers". Horst Milde bestätigt also mit seinem Vorschlag meine These, daß die Gefahr für unsere verfassungsmäßige Ordnung nicht von irgendwelchen rechtsextremen Parteien ausgeht, sondern von den Verfassungsfeinden innerhalb der SPD, der CDU und der FDP - und darin liegt die Gefahr für uns alle.

Falls es einen Mangel an Denkmälern geben sollte, wüßte ich zwei Alternativen: Man könnte beispielsweise das elegante Oldenburger Kutschpferd auf den Schloßplatz stellen, besser aber noch den Oldenburger Ochsen, mit dem Grafen wie Bauern ihr Geld gemacht haben. Damit wäre auch Anton Günther hinreichend gewürdigt. Und wenn man das nicht will, böte sich der Theologe Rudolf Bultmann an, der nicht nur als einer der drei Erneuerer der evangelischen Kirche - die beiden anderen wären nach meiner Meinung Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer - eine welthistorische Rolle gespielt hat, sondern sich auch in den Anfechtungen der Nazizeit theologisch wie menschlich bewährte. Wichtiger aber wäre noch, daß man den wirklichen Größen Oldenburgs - nämlich Herbart, Jaspers und Bultmann - im allgemeinen Bewußtsein der Menschen Denkmäler setzte, indem man ihre Werk pflegte, aber mit diesem Gedanken habe ich wohl keine Chance.

Klaus Dede

 

 
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