Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/02      Seite 15
 
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Teure €-Kopien

Uni-Bibliothek verdoppelt Preise für Einzelkopien

Nach der Umstellung auf die neue Währung hat die Universitätsbibliothek die Preise für Fotokopien erhöht. Zahlte man für eine Kopierkarte für 100 Kopien im letzten Jahr noch 9 DM (€ 4,60), so sind es jetzt 9,78 DM (€ 5,00), was eine Steigerung um knapp 9% ist. Derartige Preiserhöhungen mit der Euro-Einführung sind der Trend. Bücher, Zeitschriften, Speisen und Getränke in der Gastronomie, Bahnpreise und vieles mehr sind erhöht worden. Die Bibliothek geht jedoch noch weiter: Eine Preissteigerung um 100% muß hinnehmen, wer in der Universitätsbibliothek mit Bargeld kopieren möchte. Eine Einzelkopie kostete im letzten Jahr 0,10 DM (€ 0,05) und jetzt 0,20 DM (€ 0,10) - es wurde lediglich das Währungszeichen gewechselt.

Unverständlich ist diese Preisanhebung besonders deswegen, weil eine Kopie mit Kopierkarte 5 Cent kostet und es eine Münze gibt, die denselben Wert trägt. Der Kopierer könnte diese Münze also problemlos annehmen.

Begründung der Bibliothek

Die Bibliotheksleitung begründet die Preisanhebung mit gestiegenen Kosten, die durch die Anmiete besserer Kopierer und Buchscanner entstanden seien. Diese Geräte lieferten eine bessere Qualität als die alten.

Als Grund für die Erhöhung der Bargeldkopien auf 10 Cent wird der erhebliche Personalaufwand bei der Abrechnung angeführt. Im Vergleich mit öffentlich aufgestellten Kopierern sei der Preis noch günstig. Studierende und Vielkopierer seien von dem Preisungleichgewicht zwischen Bargeld und Kopierkarte nicht betroffen, da sie die preiswerteren Kopierkarten verwendeten, so die Bibliotheksleitung in Ihrer Stellungnahme. Obwohl die Akzeptanz außerordentlich hoch sei, erhoffe sich die Bibliotheksleitung, daß noch mehr Benutzer auf Kartenkopien umstiegen und das Personal vom Münzenzählen entlastet würde. Die Benutzung der anonymen Magnetkarten sei zudem unproblematisch und komfortabel.

Personal über Nacht stark teurer geworden?

Sicherlich gibt es einen Aufwand, das Geld aus den Kopierern zu nehmen, zu zählen und zu protokollieren. Dieser Aufwand war jedoch schon immer vorhanden, so daß es nicht plausibel ist, weshalb die Mehrbelastung von Bargeldkopien so sprunghaft ansteigt. Für den Verkauf von Kopierkarten muß ebenfalls Personal bereitgestellt werden.

Bibliothek ist kein Kaufhaus

Der angeführte Verglich zwischen Bibliothekskopierern und anderswo aufgestellten öffentlichen Fotokopierern ist nicht zulässig, denn letztere unterliegen den Gesetzen der Marktwirtschaft: Kopiert wird dort, wo es am günstigsten ist. Das trifft auf die Bibliothek nicht zu, denn die Bibliothekskopierer erfüllen zu einem Großteil den Zweck, nichtausleihbare Bücher oder gerade erstellte Arbeitsergebnisse zu Studienzwecken zu kopieren. Kein Bibliothekar wird einem Studierenden erlauben, ein Buch aus dem Handapparat für den Gang zum Kaufhaus oder zum Copy-Shop zu entleihen. Die Bibliothek hat also ein Kopiermonopol, da viele Kopien mit den teuren Kopierern gemacht werden müssen.

Kopierkarten sind komfortabel - für wen?

Wie so oft, wird auch in der Stellungnahme der Bibliotheksleitung angeführt, die Magnetkarte sei unproblematisch und komfortabel. Die Entscheidung, ob Kopierkarte oder Bargeld komfortabel ist, wird von der Bibliothek durch die Preispolitik konstruiert, anstatt jeden Benutzer diese Entscheidung selbst zu überlassen. Wenn die Bibliotheksleitung mit ihrer Behauptung recht hätte, wären bereits alle Benutzer von sich aus auf die Kopierkarte umgestiegen.

Ob die Kopierkarte komfortabel und unproblematisch ist, kann z. B. an folgenden Punkten überlegt werden.

· Das Komfortable am bargeldlosen Kopieren ist, daß er kein passendes Münzgeld parat gehalten werden muß. Dieses ist in der Tat ein Vorteil, aber er wird sofort relativiert, denn stattdessen muß die Kopierkarte parat gehalten werden. Vergißt man sie, muß man entweder ein anderes Mal wiederkommen, sich eine neue Karte kaufen oder teure Hartgeldkopien machen. Das ist komfortabel für die Bibliothek, da sie Mehreinnahmen hat, wenn Bar bezahlt wird.

Die Vorteile von Bargeld liegen in seiner hohen Verfügbarkeit: Passendes Hartgeld zu bekommen ist unproblematisch, da man es an verschiedenen Kassen oder bei Mitstudierenden wechseln oder leihen kann.

· Die Kopierkarte wird gekauft, bevor die Kopien gemacht werden. Studierende geben der Bibliothek also ein zinsloses Darlehen. Komfortabel ist die Karte in diesem Fall für die Bibliothek.

· Ausgestattet ist die Kopierkarte mit einem empfindlichen Magnetstreifen. Es kommt daher nicht selten vor, daß die Karten kaputtgehen, obwohl sie noch gutgeschriebene Kopien haben.

Die Karte zu reklamieren birgt das Problem, daß nicht genau feststellbar ist, wieviele Kopien verbraucht sind. Da mit einer Reklamation außerdem Wege verbunden sind, ist die Motivation, die Karte zu reklamieren recht gering. Viele Karteninhaber lassen daher die Angelegenheit auf sich beruhen und schenken das Restgeld der Bibliothek. Auch dieses ist komfortabel für die Bibliothek.

· Nicht zuletzt "erlebt" man beim Einwerfen von Münzen in den Kopierer den Wert der Kopie - man trennt sich von Geld. Dieses Erlebnis motiviert dazu, sparsam zu kopieren (vielleicht auch, weil nur eine begrenzte Anzahl von Münzen zur Verfügung steht.). Dieses Erlebnis hat man nicht, wenn sich die Zahlen auf dem Zähler ändern. Komfortabel ist dieses für die Bibliothek, die Mehreinnahmen verzeichnen kann.

Diese Punkte lassen sich auch auf andere bargeldlose Zahlungen anwenden, wie Geldkarte, Telefonkarte, CC-Paß u.ä. [1]

Studierende betroffen

Die Aussage der Bibliotheksleitung, Studierende seien nicht betroffen, steht im Widerspruch zu der geäußerten Hoffnung, mit dem Preisungleichgewicht noch mehr Benutzer zur Kartenbenutzung zu bewegen. Es sind gerade die Studierenden, die im wesentlichen in der Bibliothek kopieren und dazu motiviert werden sollen, die Karte zu benutzen. Wer betroffen ist, sind also gerade die Studierenden.

Problematik dieser Politik

Über die Preisgestaltung werden die Kunden daran gewöhnt, Zahlungen bargeldlos abzuwickeln, anstatt frei über Vor- und Nachteile zu reflektieren und dann zu entscheiden. Durch die Gewöhnung gehen Hemmungen verloren, kritische bargeldlose Zahlungssysteme anzuwenden. Die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und die Individuen sind enorm. Gerade von einer Universität würde man erwarten, daß über derartige gesellschaftliche Belange nachgedacht wird (die Bibliothek ist Teil der Universität). Leider wird dieses im Gegenteil nur forciert.

Alles zu spät?

Die Bibliothek ist zum Glück leicht erreichbar für die Studierenden, auch was Kritik angeht. Daher ist es durchaus angebracht, die Entscheidung mittels individueller Anfragebriefen zu hinterfragen. Das gilt für die Preisgestaltung beim Kopieren genauso, wie für andere Probleme. Briefe an die Bibliothek müssen nicht per Deutsche Post versendet werden, man kann sie abgeben oder - wer gerade in der Uni verweilt - sie per Hauspost an die Bibliotheksleitung versenden.

muh

[1] siehe dazu: "Wenn Klimpergeld nur noch piepst...", Artikel über die Geldkarte, 5/96, S. 15, http://www.stachel.de/96.05/5ecash.html

 

 
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