Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/96      Seite 16
 
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In Sachen Hanf

Beschäftigt man sich mit Hanf, gibt es zunächst zwei Aspekte, mit denen man sich auseinandersetzen muß. Einerseits die Problematik (die eigentlich gar keine ist) der Klassifizierung der Cannabispflanze als Rauschmittel und deren Konsequenz, andererseits die Betrachtung des Hanfs als reine Nutzpflanze. Letzteres soll vornehmlich Bestandteil dieses Artikels sein.

War Hanf bisher nur als Haschisch, Marihuana oder, in "neutraler" Diskussion, als Cannabis bekannt, so weiß man hier mittlerweile zu unterscheiden. Die Hanfpflanze ist eben nicht nur Lieferant des verbotenen, weil rauscherzeugenden Stoffes THC (Tetrahydrocannabinol, genauer das Delta-9 Derivat dessen), sondern eine traditionelle Nutzpflanze mit enormem Produktpotential. Vom Turnschuh bis zum Bremsbelag, den pharmakologischen Nutzen eingeschlossen, liefert Hanf circa 50000 verschiedene industrielle Produkte. Durch die Jahrhunderte hat der Mensch Hanf kultiviert, ja sogar Kriege sind wegen Hanf geführt worden.

Ein Markt für Konsumgüter wie Kosmetika oder Kleidung ist sehr wohl vorhanden und er wächst stetig. Es haben sich bereits einige deutsche Anbieter etabliert; logischerweise mit ausländischem Hanf, meist im Ausland gefertigt. Das weitaus größte Potential von Hanf liegt in seiner industriellen Nutzung, hier schlägt er andere nachwachsende Rohstoffe um Längen. Er läßt sich praktisch vollständig verwerten: Vom Samen, über Faser, Schäben und Blätter bis zu den Blüten. Hochwertige Filterpapiere, Bau- und Dämmaterial, Formpressteile, Spezialpapiere, Lacke, Farben, Öle und Treibstoff lassen sich z.B. aus Hanf herstellen. Eine echte Industriepflanze eben.

Gutenberg, der seine Bibeln auf Hanfpapier druckte, oder Levis der seine erste Jeans aus Hanf schneiderte, würden sich im Grab umdrehen würden sie den heutigen Stellenwert jener Pflanze erfahren, die sie so berühmt machte.

Dabei ist Hanf gerade jatzt die Chance für unseren Planeten. Er ist prädestiniert für einen ökologischen Anbau und, was noch wichtiger ist, er ermöglicht einen ökologisch sinnvollen Vertrieb. Hanf wächst pestizidfrei fast überall ohne großen Aufwand, zudem zahlt die EU einen Zuschuß von rund 1500 DM pro Hektar Hanf zur Fasergewinnung. Dies ermöglicht eine Verarbeitung vorort, was eine absolute Bedingung für den Anbau sein sollte. Hier stelle ich mir eine Hanffabrik vor den Toren Oldenburgs vor: Faseraufspaltung, Ölpressung aus Samen, Formpressteile aus Schäben, hochwertige technische Filter, Spezialpapiere etc. Den Hanf geliefert von einer landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaft Weser-Ems. Landwirte aller Landkreise vereinigt euch! Bündnis für Arbeit - hier könnte es praktiziert werden. Doch welcher Investor will hier Pionierarbeit leisten? Wer vergibt Kredite in zweistelliger Millionenhöhe für ein solches Projekt? Ohne staatliche Gelder ein wohl nicht zu realisierendes Vorhaben, doch Land und Kommunen sind pleite.

Stattdessen importieren wir millionen Tonnen Baumwolle, die vorher um die halbe Welt transportiert wurde, die vorher mit millionen Tonnen Pestiziden behandelt wurde, damit sie überhaupt wächst, zahlen Hungerlöhne an Billigarbeitskräfte aus Drittweltländern und ziehen uns diese Faser, am besten noch mit reichlich Chemie tiefschwarz gefärbt, an. Das ganze natürlich im fernen Ausland genäht, denn Transport ist zwar eine ökologische Sauerei, doch kostet halt nichts. Geht ja auch nicht anders, schließlich würden unsere zahlreichen Speditionsfirmen an Umsatz verlieren und das, wo sie im europäischen Vergleich sowieso benachteiligt sind. Gegen massive Wirschagtsinteressen kann man sich schwerlich durchstzen. So kommt es, daß gut 30% unserer Kinder mittlerwile an einer oder mehreren Allergien leiden; davon zehn Prozent an Neurodermitis, die mit Hanf behandelt werden könnte. Daß dies an der total chemiebelasteten Baumwolle liegen könnte ist doch völlig abwägig - Fruit of the Loom - eben.

Bleibt die Hoffnung, daß der Bürger die Nachfrage nach Hanfprodukten noch steigert und das Interesse an Hanf vertieft. Ubegreiflich, daß eine intelligente Zivilisation die mit Abstand beste Nutzpflanze dieses Planeten verteufelt, nur weil in den Blüten der weiblichen Pflanze ein Stoff enthalten ist, der bei Konsum einen Rausch erzeugt. Wer ist denn der Staat, daß er seinen Bürgern einen Rausch verbietet? Jeder hat ein Recht auf Rausch, und solange dabei niemand gefährdet wird, sollte man diesen auch ausleben können. Die Menschheit berauscht sich schließlich, seitdem es sie gibt.

Es darf nicht unser Ziel sein, eine Pflanze, die unsere Lebensqualität nachhaltig verbessert und die vor unserer Hautür wächst zu importieren, nur weil einige doppelmoralige Politike auf deren Verbot und Tabuisierung beharren. Um Gottes Willen keine Drogen! Dabei gibt es im deutschen Fernsehen kein Fußballspiel mehr, welches nicht im 10- Minutentakt von einer Bierwerbung unterbrochen wird. Na denn, Prost! Aber denken Sie daran: Keine Macht den Drogen!

Fibra Verde
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