Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/96      Seite 12
 
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Oldenburg - das bin ich!

Heißt es in Zukunft so?

Im September ist Kommunalwahl. Wenn die BürgerInnen zur Urne gehen, werden sie einige Neuigkeiten feststellen. Hervorstechend wird sein, daß sich mit Herrn Holzapfel von der SPD, Herrn Poeschel von der CDU und der Grünen Frau Dückert BewerberInnen um den Posten eines Stadtdirektors zur Wahl stellen. Dies ist möglich geworden mit dem "Gesetz zur Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsrech ts", das am 1.11.96 in Kraft tritt. Im neuen Rat werden dann Wandschers bisherige Position und Holzapfels Stellung in einer Person vereint sein. Der Chef der Stadtverwaltung wird gleichzeitig den Vorsitz des Verwaltungsausschusses übernehmen, mit Sitz und Stimme dem Rat angehören und entscheidenden Einfluß auf eine große Fraktion haben. Die Vorbereitung der Ratsbeschlüsse durch den Verwaltungsausschuß geht de facto auf ihn über, somit wird ein Kontroll- und Lenkungsinstrument des Rates zu einem Hilfsinstrument der Verwaltung. Außerdem erhält er das Vorschlagsrecht für die Dezernenten, vertritt allein sowohl in rechtlicher als auch in repräsentativer Hinsicht die Gemeinde nach außen. Dies alles tut er mit der stärkeren Legitimationswirkung einer Direktwahl. Die Verwaltungsspitze wird so weiter gestärkt, der Rat als Kontrollorgan gegenüber der Stadtverwaltung weiter geschwächt werden. Wenn mensch bedenkt, wie selbstherrlich schon bisher Wandscher mit den Beschlüssen des Rates umgesprungen ist, läßt das nichts Gutes erwarten. Der aussichtsreich ste Kandidat für den neuen Oberstadtdirektor- Oberbürgermeister ist der SPD-Kandidat Holzapfel. Seine Vorliebe für den Umzug der Feuerwehr in die Fleiwa und die Verbreiterung des Küstenkanals hat er bereits kundgetan. Erleichtert würde der Widerstand gegen diese Projekte durch einen neuen stärkeren Ober-Wandscher sicher nicht.

Modell "absoluter Schröder"

Mit ihrer Einstimmenmehrheit hat die SPD im Landtag am 6.3.96 die tiefgreifendste Veränderung der niedersächsischen Kommunalverfas sung seit ihrer Entstehung durchgepeitscht. Ein "absoluter Schröder", ein "starker Mann" wird sich in Zukunft auch an der Spitze der Städte und Gemeinden etablieren. Machtbefugnisse, die bisher auf verschiedene Organe der Kommunalverfassung verteilt waren, werden sich in seiner Hand konzentrieren. Ohne ihn wird nichts laufen, und die Stadtverwaltung wird noch schwerer zu kontrollieren sein. Forderungen nach verstärkter Bürgerbeteiligun g durch Instrumente direkter Demokratie sind dagegen nur äußerst halbherzig mit dem Reformgesetz verwirklicht worden. Zwar schafft es das neue Recht, Bürgerentscheide zu beantragen. Doch die neuen niedersächsischen Regelungen zum Bürgerentscheid fallen weit hinter denen anderer Bundesländer, insbesondere Bayerns, zurück und enthalten Bestimmungen, die eher der Verhinderung von Bürgerentscheiden dienen. Im Gegensatz zu Bayern, Sachsen und Hessen schließen sie die Bauleitplanung und die sonstigen Planungsverfahren vom Entscheid aus, ausgerechnet die Angelegenheiten, die eigentlich an erster Stelle stehen müßten und die in Hessen und Bayern die Hälfte aller Bürgerbegehren ausmachen. So dürfen die niedersächsischen BürgerInnen nicht über die Erweiterung eines Gewerbegebietes, über Planung von Baugebieten (Hausbäke!), über Straßen, Autobahnen oder den Standort einer Müllldeponie abstimmen.

Bürgerentscheid - schwer gemacht

Das neue Kommunalverfassungs-Reformgesetz verlangt von den BürgerInnen, daß diese ihr Bürgerbegehren mit einem "nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der mit der Ausführung der Entscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle" versehen. Niemand in den Gemeinden und Städten weiß, durch welche weiteren Gebühren und Steuern das wachsende Defizit in den Kommunalhaushalten begrenzt werden soll. Aber die BürgerInnen sollen neue Einnahmequellen aufzeigen. Ein schlechter Witz!

Auch die Bedingungen, die die Unterschriften und das Teilnahmequorum betreffen, werden nur schwer zu erfüllen sein. Ca. 10 % der Wahlberechtigten müssen das Bürgerbegehren unterschrieben haben, in Oldenburg müßten 12 OOO gültige Unterschriften vorgelegt werden. Ein Entscheid ist nur dann erfolgreich, wenn mindestens 25 % der Antragsberechtigten (nicht der Abstimmenden!) mit "ja" gestimmt haben. In Großstädten wird das kaum zu schaffen sein. Bei einer Beteiligung von 30 %, die in einer Großstadt schon beachtlich wäre, wenn es um ein Thema ginge, das nicht alle BürgerInnen betrifft, wäre eine Mehrheit von 80 % der Abstimmenden notwendig.

Wenigstens hielt die SPD nicht an ihrer Absicht fest, die Zwei-Personen-Fraktionen abzuschaffen. Wählergemeinschaften und Grüne, die in vielen Kommunalräten nur mit zwei Stimmen vertreten sind, hätten dann keinen Fraktionsstatus mehr bekommen. Doch auch so wird es für die Kleinen schwieriger: Das neue Kommunalwahlgesetz vom 20.11.95 sieht das Zählverfahren nach d'Hondt vor, das große Parteien und Fraktionen begünstigt und ihnen relativ mehr RatsvertreterInnen sichert.

Öffentlichkeit ausgeschlossen

Noch schwerer wiegt, daß die zwingende Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen durch die Kommunalverfassungs-Reform beseitigt wurde. Gerade in Oldenburg hätten sich viele Ausschußmitglieder manchmal zu gern von der zahlreich erschienenen empörten Öffentlichkeit befreit, wenn es darum ging, z. B. über die Aufhebung von Verkehrsberuhigu ng oder andere Planungen zu beschließen. Mal sehen, wie oft sie in Zukunft von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, geschützt vor der Öffentlichkeit Fakten zu schaffen.

In eine ähnliche Richtung geht die beschlossene Einschränkung des Mitwirkungsverbotes von Ratsmitgliedern. Von Abstimmungen sind sie nur dann noch ausgeschlossen, wenn sie oder ihre nahen Angehörigen von dem Beschluß einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil haben. Vereinvorstände dürfen über die Vergabe von Vereinsfördermittel entscheiden, GmbH- Gesellschafter ihre Firmen mit Aufträgen bedenken. Kungelei und Filz werden erleichtert.

Zum Schluß noch ein paar Worte zu den Kosten. Die Kommunen ächzen unter den Schulden und Defiziten, doch die Landtags-SPD hat ihnen ohne Not Pensionslasten in dreistelliger Millionenhöhe für zusätzliche oder entlassene Gemeindedirektoren aufgebürdet. Immer kleinlicher werden den Sozialhilfeempfängern die Groschen gekürzt. Wieviel wohl ein Stadtdirektor als Pension erhält?

achim


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