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"Auge um Auge"
Zum "Tag des Flüchtlings" zeigt die Interkulturelle Arbeitsstelle IBIS
e.V. den Film "Auge um Auge" von Mansour Ghadarkhah. Wir hatten
bereits vor drei Jahren Gelegenheit uns diesen sehr
eindrucksvollen Film im Muwi anzusehen.
"Auge um Auge" erzählt die Geschichte einer
vierköpfigen Familie, die in ihrer Heimat politisch verfolgt,
inhaftiert und gefoltert wurde, und jetzt in Deutschland in einem
Heim für Asylbewerber lebt. Bei alltäglichen Gelegenheiten
erinnern sie sich den Grausamkeiten, die sie erlebt haben. Der
Vater hat Tabletten verschrieben bekommen, die älteste Tochter hat
die erste Zeit jede Nacht vor Alpträumen nicht schlafen können.
Zwar sind sie dem Grauen entkommen, jedoch werden sie immer wieder
von ihren schlimmen Erlebnissen geplagt. Die verübten Gewaltanschläge
von Skins und die Ablehnung seitens der Bevölkerung machen ihnen
Angst. Schlagartig bekommt die Vergangenheit Aktualität, als der
Vater den Folterer seiner Familie eine Straße in Deutschland
überqueren sieht.
Eindrucksvoll beschreibt der Film die Entwicklung der Gefühle der
einzelnen Familienmitglieder und ist durch die Einarbeitung der
Gewaltanschläge hochaktuell, obwohl das Drehbuch schon kurz nach dem
ersten großen Gewaltanschlag in Hoyerswerda vor vier Jahren fertig
war.
Wegen Zensur erst jetzt im Kino
Ursprünglich war geplant, den Film auf der damaligen Berlinale zu
zeigen, zu der Zeit, als die Brandanschlagsserie begann. Das wurde
aber mit aller Kraft verhindert. Der Film gehöre ins Archiv, nicht auf
die Leinwand, sei besonders von linken Leuten in der Filmbranche zu
hören gewesen, erzählte der Regisseur Mansour Ghadarkhah in der
Gesprächsrunde nach der Oldenburger Erstaufführung am 1. Oktober
1993. Er habe die Erfahrung gemacht, daß es viele Leute gebe, die sich
links gäben, doch in ihren Köpfen rassistische Gedanken hätten und
sich als erstes hinter die Scharfmacher stellten, wenn es soziale und
politische Spannungen gibt.
Alles ist politisch - alles ist menschlich
"Auge um Auge" zeigt weniger das politische und soziale
Spannungsgefüge, mit denen Asylbewerber zu täglich konfrontiert sind,
sondern schwerpunktmäßig die Emotionen der Menschen. "Alles ist
zugleich menschlich und politisch", argumentiert der Regisseur, der
vor neun Jahren einen Dokumentarfilm zum Thema Folter und Flucht
drehte und dabei von vielen Betroffenen ihre Erlebnisse geschildert
bekam. Das Schicksal der Charaktäre in "Auge um Auge" stelle eine
Mischung dieser Erlebnisse dar.
Der Film solle ein Unterhaltungsfilm sein, mit Emotionen und Spannung
und zugleich mit dem Anspruch, Vorurteile abzubauen. Mit einer
Lebensgeschichte könne sich ein Publikum leichter identifizieren, als
in einem Dokumentarfilm, der nur Fakten darstelle, meinte
M. Ghadarkhah. Es sollen mit dem Film alle Leute erreicht werden und
nicht nur solche, die sich sowieso schon mit dem Thema befassen. Die
Tür vor rechten Leuten zuzuschlagen wäre hier der falsche Weg. Um
Gefühle besser näherzubringen und keine Sprachbarrieren aufzubauen,
wählte der Regisseur akzentfreies Deutsch als
Kommunikationssprache. Untertitel könnten das nicht leisten, zumal
deutsches Publikum diese nicht gewohnt sei, anders als
z.B. Niederländer.
Die Gewalt real werden lassen
Der Film soll unter die Haut gehen - und das macht er. Alle, die
das Drehbuch lasen, seien der Meinung gewesen, daß er zu hart sei,
obwohl er nur einen kleinen Teil der realen Grausamkeit von
Verfolgung, Folter und Erinnerungen daran wiederspiegelt. M.
Ghadarkhah will, daß das Publikum die Gewalt spürt in der Hoffnung,
daß das die Menschen aufrüttelt und aktiver werden läßt. Er beschrieb
seine Intention so: "Ich habe in Euer Herz eingegriffen. Ich halte das
nur begrenzt für erlaubt. Ich wollte schneiden wie ein Chirurg - Euch
den Tumor entfernen, den Tumor, Menschen zu töten und Anschläge zu
verüben" und appellierte, nicht zu schweigen, denn Schweigen ist
Verbrechen.
Wer die Gelegenheit hat, sich diesen Film
anzusehen, sollte sie nicht verpassen. Wie aus Gesprächen mit anderen
Kinobesuchern hervorging, wird dieser Film sehr unterschiedlich
erlebt, was ihn, wie ich finde, noch interessanter macht. Aufgeführt
wird er am Freitag, dem 4. Oktober, um 18 Uhr im PFL in der
Peterstraße 3.
muh
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Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.
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