Wir sind nicht behindert - Wir werden behindert!
Die Carl von Ossietzky Universität gehört zu den jüngeren Universitäten. Somit gibt es Gründe zur Annahme, daß bei der Architektur auch die Lebenswelt mobilitätsbeeinträchtigter Menschen Berücksichtigung finden konnte. Und dies war tatsächlich so. Z.B. gab es eine lange Rampe vom Zebrastreifen am Uhlhornsweg hinauf bis zum Eingang von Bibliothek und Zentralbereich. Allerdings wurde diese Rampe mit großem Aufwand und den Kosten von ca. 40.000 DM vor wenigen Jahren gezielt beseitigt. Offiziell hieß es: Damit die bösen Skater dort nicht mehr rollen können. Diese haben sich gefreut und jetzt eine Sprungmöglichkeit mehr. Die angeblich beabsichtigte Beseitigung dieser Stufen läßt auf sich warten. Da die Parkplätze in der Tiefgarage meistens illegal zugeparkt sind, müssen die Rollis also auf die drei Parkplätze auf dem Uhlhornsweg zurückgreifen. Deshalb müssen sie unter der Brücke hindurch, ganz bis zum Hochschulsport, und von dort geht es jetzt in den Zentralbereich. Besonders bei Regen ist das ärgerlich.
Moderne Hürden
Zum Essen in die Mensa geht es nur über den Fahrstuhl neben der Pforte. Wie alle Fahrstühle muß auch dieser mal gewartet werden. Da dies völlig unvorhersehbar sein muß, gab es auch keinen Hinweis auf diesen Umstand. Der Weg in die Mensa geht für Rollis derzeit ungefähr so:
Zunächst also keine Rampe mehr - siehe oben. Beim Zentralbereich angekommen, erwarten mensch schwere schwarze Türen. Diese sind bereits für "normale" Menschen nur mit Kraft-Aufwand zu öffnen. Vorsichtshalber gibt es gleich zwei solche Türen hintereinander. Dann ist der Fahrstuhl geschlossen. Die freundlichen Menschen in der Telefonzentrale versuchen den jetzigen Weg zu erklären: Durch den Hochschulsport also. Es hatte ein paar Tage gedauert, bis der hintere Teil mit dem Fahrstuhl überhaupt freigegeben war. Wieder hinaus durch die Türen. Die Schräge hinunter bis vor Türen des gleichen Typs. Ganz durch den Hochschulsport hindurch. In den Fahrstuhl. Verflixt - kein Hinweis auf die richtige Etage - wie war das noch gleich? Auf der richtigen Ebene den ganzen Weg wieder zurück bis zur Cafeteria. Von dort aus sind auch der AStA und das Immatrikulationsamt zu erreichen. Um in die Mensa zu gelangen, müssen jetzt Gespräche mit dem Cafeteria-Personal geführt werden. Denn der einzige Weg in die Mensa führt derzeit durch die Cafeteria und deren Küche. Mit dem Lastenfahrstuhl in die Mensa-Küche. So ist mensch dem guten Essen nicht mehr ferne.
Zurück möchte mensch auch noch? Nun, unter einer halben Stunde ist beides wohl nicht zu machen. Jeder Fahrstuhl muß mal gewartet werden. Ob das allerdings bei solch zentralen Bauteilen wirklich Wochen dauern muß? Daß der lapidar anmutende Hinweis der Universitätsleitung über den Umweg auch noch an die Fahrstuhltüren der oberen Etagen geheftet wurde, ist zwar skurril - jedoch zudem ein weiterer Hinweis auf die allgemeine Gedankenlosigkeit - die oft so erdrückend wirkt.
Informationen aus dem WorldWideWeb
Seit 1994 sind Menchen mit Behinderungen zumindest vor dem Gesetz gleichgestellt. (Art. 3 Abs. 3 GG) Wer Genaueres wissen möchte, sollte sich an die Aktion Grundgesetz wenden - eine Initiative von Aktion Sorgenkind und über 85 Verbänden und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe. Die WWW-Adresse lautet: http://www.aktion-sorgenkind.de
Hier gibt es auch aktuelle Informationen zur Wahl. So hat die Aktion Fragen zur Behindertenpolitik gestellt. 1. Was tun Sie für die Integration behinderter Mennschen? 2. Was wollen Sie tun, um die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu garantieren (Art. 3 Abs. 3 GG)? 3. Was wollen Sie tun, um die Chancen behinderter Menschen am Arbeitsplatz zu erhöhen? 4. Was wollen Sie tun, um die gemeinsame Beschulung von behinderten und nicht behinderten Kindern voranzutreiben? 5. Welche Position bezieht Ihre Partei in der Bioethik-Diskussion? Wie wollen Sie etwa einwilligungsunfähige Menschen vor Organtransplantationen und sogenannter "Sterbehilfe" schützen? Die Antworten von CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis 90 / Grüne und PDS sind unter der angegebenen WWW-Adresse nachzulesen.
Gerold Korbus