Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/98      Seite 7
 
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"welthaus oldenburg" eröffnet!"

Seit Samstag, den 17. Oktober, hat das Warten ein Ende: Frau Karin Opphard, Umweltdezernentin der Stadt Oldenburg, eröffnete im vollbesetzten Café das "welthaus oldenburg" am Friedensplatz 2 (vgl. STACHEL 9/98).

Als ich kurz vor der offiziellen Eröffnung am Friedensplatz eintreffe, werde ich draußen mit Samba-Rhythmen und einem Sekt empfangen. Ich muß mich beeilen, wenn ich im "tierra" dem "café & bar" im "welthaus" noch einen Sitzplatz bekommen möchte: gut und gerne 60 Personen - ältere und jüngere, Familien, Pärchen, Studierende und Etablierte - sitzen und stehen bereits erwartungsvoll diskutierend im Erdgeschoß. Die ersten besetzen auch schon die Treppe nach oben. Letztendlich ergattere ich doch noch einen Stuhl. Langsam am Sekt nippend, schaue ich mich erstmal in Ruhe um.

"Ein Stück Welt von morgen"

Dies ist also das neue "welthaus". Um ehrlich zu sein, ich bin ziemlich überrascht: hell, groß, freundlich - fällt mir zuerst ein. Unten ist Platz für ca. 35 Gäste. Eine große Fensterfront - die im Sommer in Gänze aufschiebbar ist! - läßt viel Licht in`s "tierra". Die Wände sind in raffinierter Wischtechnik in hellen Orange-, Rot- und Blautönen lasiert. Ein besonderer Clou ist die Wandbeleuchtung: geschweißte, rostige Bleche mit dahinter angebrachten Energiesparlampen beleuchten die Räume mit einem indirekten Licht und dienen zudem als Aufhängung für Bilderausstellungen. Heute hängen hier die Zeichnungen des Architekensteams an der Wand. Sie vermitteln einen Eindruck davon, wie das "welthaus" mal aussehen soll, wenn es "fertig" ist. Denn heute, das wird mir schnell klar, geht es erstmal los. Auch wenn noch längst nicht alles so ist, wie es sich die Macherinnen und Macher des Projektes vorstellen. Es ist ein, es ist der Anfang. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ein Anfang immerhin, den selbst Frau Opphard nicht hat wirklich kommen sehen. Sie betonte in ihrer Eröffnungsrede noch einmal, wie sehr es sie freue, daß das Projekt nach fast zwei Jahren Vorlaufzeit völlig ohne finanzielle Unterstützung seitens der Stadt Oldenburg in die Tat umgesetzt worden sei. Ein Projekt, von dem sie nicht nur hoffe, daß es den Agenda-Prozeß positiv beeinflußen werde, sondern auch die entwicklungspolitische Arbeit vor Ort.

Ruppig-elegant...

Nachdem Frau Opphard dann dem "welthaus" eine "nachhaltige Entwicklung" wünschte, sich ein Vertreter vom VEN und VNB dem anschloß, erklärte Marco Klemmt, einer der Mitinitiatoren, "this basar open" und ich ströme mit den anderen die Stufen hinauf in den 1. Stock, zum Weltladen.

Auch hier oben ist alles hell, groß und freundlich. Wie unten Holzfußboden, wie unten lasierte Wände, wie unten "Blechlampen". Statt der für "Dritte Welt"-Läden typischen Ikea-Regale werden hier die Artikel in Teekisten präsentiert. Das hat was für sich. Rüppig-elegant, schießt es mir durch den Kopf.

Über 400 Artikel aus ca. 25 Ländern

Insgesamt stehen im Weltladen, der übrigens auch "tierra" heißt, über 400 Artikel aus ca. 25 Ländern zur Auswahl: u.a. Kaffee aus Mexiko, Lebensmittel aus den Tropen, Weine aus Südafrika, Schmuck aus Indonesien, Textilien aus Peru, Korb- und Lederwaren aus Lesotho und Nicaragua, Holz-Spielzeug aus Indien, Fußbälle aus Pakistan, mundgeblasene Gläser aus Guatemala, handgeschöpftes Papier aus Nepal, Trommeln aus Gambia sowie allerlei Kunsthandwerk aus Ton, Speckstein und Holz, Haushalts- und Geschenkartikel. Und natürlich fehlen weder Sach- noch Kinderbücher oder entwicklungspolitische Zeitschriften. Ein spezieller Schwerpunkt soll im Weltladen auf ein vielfältiges Sortiment an Literatur aus Lateinamerika, Asien und Afrika gelegt werden. Insbesondere auf das Sortiment der kleinen Verlage wie Hammer, Lamuv, Unionsverlag oder Die Werkstatt will der Weltladen dabei zurückgreifen.

Interessante Kombination

Interessant am "welthaus"-Konzept finde ich, daß im Weltladen u.a. die Sachen verkauft werden, die unten im Café getrunken oder gegessen werden. Also gehe ich ersteinmal wieder runter und will was trinken. Angekündigt waren ja Speisen und Getränke aus Bio-Anbau und Fairem Handel. Doch die erste Enttäuschung: die Küche ist noch nicht konzessioniert worden, also gibt es nur "Häppchen" wie Pizzabrötchen, Käsestangen, Lauchtorten und Kuchen. Alles immerhin zwar bio, aber... Der hauseigene "welthaus"-Kaffee aus Mexiko, der speziell und immer frisch für`s "tierra" geröstet wird, schmeckt lecker und entschädigt dafür ein wenig. Auch abends gibt`s noch nicht wie geplant die "tapas", dafür aber Wein, Bier und Knabbereien. Alles, wie gesagt, soweit wie möglich aus Fairem Handel und Bio-Anbau.

Das leidige Thema "Rauchen/Nichtrauchen"

Um es gleich vorweg zu nehmen, das "tierra" ist kein Nichtraucher-Café. Das Team, in dem Raucher und Nichtraucher arbeiten, hat aber nach zweiwöchigem Betrieb entschieden, zumindestens tagsüber eine Nichtraucher- und eine Raucherecke mit jeweils 5 Tischen einzurichten. Ob diese Regelung eine Lösung oder nur - drastisch gesprochen - ein fauler Kompromiß ist, wird sicherlich die Reaktion der (nicht-) rauchenden Gäste zeigen...

"Politik für Kopf & Bauch"...

...zu bieten, ist der Anspruch des "welthaus". Dafür sorgen sollen in erster Linie die im "Welthaus" angesiedelten Vereine und Initiativen. Aber auch die sind noch nicht eingezogen, da das Büro noch keines ist. "In naher Zukunft" soll sich das aber ändern. Dann werden die Vereine "welthaus oldenburg e.V.", "IBIS" und der VEN, Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen, ihr Domizil ebenso im "welthaus" haben, wie die Mediathek mit ausleihbaren Diaserien, Videos, Filmen und anderen audio-visuellen (Unterrichts-) Materialien zu Themen der Entwicklungspolitik. Ratsuchende in Sachen Agenda & Entwicklung können sich dann zudem an das Büro «21» wenden. Darüberhinaus stellt das "welthaus" anderen Gruppen die Räumlichkeiten für Ausstellungen, Lesungen, kleinere Konzerte, Diskussions- und Informationsveranstaltungen zur Verfügung. Die "welthäusler " haben somit den ehrgeizigen Anspruch, durch eine vielfältige Informations-, Bildungs-, Beratungs- und Kulturarbeit der entwicklungspolitischen und interkulturellen Arbeit sowie dem Fairen Handel vor Ort neue Impulse zu verleihen.

Ein ziemlich hochgestecktes Ziel, das sicherlich einen langen Atem erfordert. Oder wie es Lesego Rampolokeng, der südafrikanische Poet, der kürzlich im "welthaus" auftrat, ausdrückte: "Erste Schritte in dieser miserablen Welt sind immer schwer. Ich hoffe, daß Ihr Eure Vision hochhaltet und nicht vom sumpfigen Magen der monströsen Ökonomie aufgesogen werdet!"

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