Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/99      Seite 6
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Recht auf Leben verweigert

USA will Todesstrafe für Mumia Abu Jamal

Bundesweite Demonstration am 20.2.1999 in Hamburg

Mumia Abu-Jamal ist ein bekannter afro-amerikanischer Radio-Journalist aus Philadelphia. Seit seiner Jugend kämpft er gegen den Rassismus. In Pennsylvania wurde er als "Voice of the Voiceleß" bekannt. Mumia Abu-Jamal war Informationsminister der Black Panther Party.

1981 wurde er bei einem Zwischenfall mit der Polizei niedergeschossen. 1982 wurde er in einem rassistisch geprägten Prozeß, mit Hilfe gefälschter Beweise und erpreßter Zeugen wegen angeblichen Polizistenmordes verurteilt. 1995 konnte eine starke internationale Kampagne die drohende Hinrichtung Mumia Abu-Jamals gerade noch verhindern. Seitdem haben seine AnwältInnen neue Beweise und Zeugenaussagen gesammelt und vor dem höchsten Gericht auf Bundesstaatsebene einen neuen Prozeß beantragt. Am 29. Oktober 1998 hat der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) von Pennsylvania den Antrag auf Wiederaufnahme abgelehnt.

Der frühere Black Panther und Radiojournalist, der auch durch seine beiden Bücher "...aus der Todeszelle" und "Ich schreibe um zu leben" international bekannt geworden ist, kämpft seit Jahren um ein neues Verfahren und hat dabei die Unterstützung einer weltweiten Kampagne, für die sein Fall ein Brennpunkt des Kampfes gegen den Rassismus und die Abschaffung der Todesstrafe ist.

Die Unterdrückung entlastender Beweise, die Vorverurteilung durch Gericht und Staatsanwaltschaft, rassistische Motive bei der Auswahl der Geschworenen und das völlige Versagen seines damaligen Pflichtverteidigers sind nur die wesentlichen Gründe für den 1995 zum ersten Mal gestellten Wiederaufnahmeantrag. Die Fakten, die sein Verteidigungsteam zusammengetragen hat, belegen, daß der Prozeß mit rassistischen Motiven gegen einen politisch verhaßten schwarzen Aktivisten geführt wurde. Sie sind so umfangreich, daß sie ein 300-seitiges Buch füllen. Diese Fakten halten jeder öffentlichen Überprüfung stand und würden unweigerlich zur Freilassung Mumia Abu-Jamals führen. Die Richter des Obersten Gerichtshofes von Pennsylvania haben trotzdem alle von der Verteidigung vorgetragenen neuen Beweise als "unglaubhaft" verworfen. Damit haben sie Gouverneur Ridge den Freibrief in die Hand gegeben, seine Drohung wahr zu machen und unverzüglich einen neuen Hinrichtungsbefehl zu unterzeichnen. Für Mumia Abu-Jamal bedeutet diese Unterzeichnung, daß er danach sofort in die "Phase II" im Todestrakt verlegt wird, wo er weder persönliche Habe besitzen noch Besuch empfangen darf.

Die Forderungen der Solidaritätsbewegung lauten: Keine Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls! Aufhebung des rassistischen Todesurteils gegen Mumia Abu-Jamal und die unverzügliche Freilassung! Abschaffung der Todesstrafe!

Auch Protestbriefe und -faxe üben Druck aus: Adressen siehe Anhang!

Die Todesstrafe ist rassistisch

Über 3500 Menschen sitzen derzeit in den Todeszellen der USA. Der überwiegende Teil ist schwarz. Etwa 500 Menschen wurden in den USA seit der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen am 10.12.1948 hingerichtet. Außer für Mord, wurde auch für Vergewaltigung mit Hinrichtung geurteilt, vor allem, wenn es sich um schwarze Täter und weiße Opfer handelte. Z.B. in Georgia wurden zwischen 1924 und 1964 82 Weiße und 304 Schwarze hingerichtet. 1985 waren 48% der Todestraktinsassen Schwarze bzw. Angehörige anderer Minderheiten: sie machten zur gleichen Zeit 12% der Gesamtbevölkerung aus. Etwa die Hälfte aller wegen Tötungsdelikten Festgenommenen sind Schwarze. Betrachtet mensch die Hautfarbe des Opfers, zeigen sich große Ungleichheiten: 1985 waren 77% aller Todestraktinsassen wegen Mordes an einem Weißen verurteilt worden.

Studie zur Rassendiskriminierung

William Bowera, Direktor des Zentrums für angewandte Sozialforschung an der Universität Boston, verglich Ende der 70er Jahre die Daten sämtlicher Tötungsdelikte in den Staaten Florida, Texas, Georgia und Ohio (70% aller Todesurteile ergingen in diesen Staaten). Z.B. in Florida und Texas war die Wahrscheinlichkeit eines Todesurteils 5-6mal höher, wenn ein Schwarzer einen Weißen getötet hatte (gegenüber Weißer tötet Weißen), 40 mal höher als bei der Konstellation Schwarzer tötet Schwarzen. Im Studienzeitraum wurde kein einziger Weißer zum Tode verurteilt, weil er einen Schwarzen getötet hatte.

Jugendliche und Todesstrafe

Artikel 6 (5) des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte: "Die Todesstrafe darf für strafbare handlungen, die von Jugendlichen unter 18 Jahren begangen worden sind, nicht verhängt und an schwangeren Frauen nicht vollstreckt werden."

Artikel 4 (5) der Amerikanischen Menschenrechtskonvention: "Die Todesstrafe darf nicht gegen Personen verhängt werden, die zur Zeit der Begehung des Verbrechens unter 18 oder über 70 Jahre alt waren; auch darf sie nicht bei Schwangeren angewandt werden."

Doch das Mindestalter für die Verhandlung bestimmter Taten (Kapitalverbrechen) beträgt nach dem Strafrecht in Montana 12 Jahre, in Mississippi 13 Jahre, in Alabama, Missouri, Utah 14 Jahre, in Arkansas, Louisiana, Virginia 15 Jahre und z.B. Florida, Oklahoma, South Carolina kennen keine Altersgrenze.

In Delaware gibt es ein Gesetz, das besagt: Wird jemand im Alter von 14 Jahren oder jünger von jemandem 4 Jahre Älteren umgebracht, kann er oder sie eines Kapitalverbrechens angeklagt und somit mit dem Tode bestraft werden. So kann in Delaware ein Neunjähriger nach der Tötung eines Fünfjährigen hingerichtet werden.

Wann ist man zu jung für die Todesstrafe?

"Die Frage der Hinrichtung Jugendlicher ist sehr kontrovers. Sie ist kontrovers auch im internationalen Rahmen und die Vereinigten Staaten stehen beim Beharren auf diese Exekutionen allein da", konstatiert Richard Deiter vom Nationalen Todesstrafen-Informationszentrum in Washington, einer Organisation, die für die Abschaffung der Todesstrafe eintritt. Seit ihrer Wiedereinführung in den USA wurden laut Deiter zwölf Menschen hingerichtet, die ihre Verbrechen mit 17 Jahren begingen. Derzeit sitzen in US-Gefängnissen 16 Todeskandidaten, die mit 16 gemordet haben, 54 weitere Todeskandidaten begingen ihre Taten im Alter von 17 Jahren.

Vorsicht bei einer Reise in die USA:

Unter anderem in folgenden Staaten gab es seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1977 Hinrichtungen: Alabama, Arizona, Arkansas, California, Colorado, Delaware, Florida, Georgia, Idaho, Illinois, Indiana, Kentucky, Louisiana, Maryland, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, North Carolina, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, South Carolina, Texas, Utah, Virginia, Washington, Wyoming. Insgesamt haben 38 US-amerikanische Staaten die Todesstrafe wieder eingeführt, als letzter derzeit der Staat New York.

Nun fährt mensch sicherlich nicht in die USA, um dort eine mit der Todesstrafe bewehrte Straftat zu begehen. Das war mehrfach die Reaktion auf die Zwischenüberschrift. Diese Reaktion ist verständlich, denn es geht um Strafe, und bei Strafen, welche seitens der Justiz ausgesprochen werden, denken die meisten Menschen an Gerechtigkeit. Doch eben diese Gerechtigkeit möchte ich ausdrücklich in Abrede stellen. Kein Mensch hat das Recht, einem anderen das Recht zu Leben abzusprechen. Nach meiner Auffassung gilt das auch für Straftaten wie Mord. Alle sogenannten Argumente für die Todesstrafe haben sich als falsch erwiesen. So gibt es z.B. keine abschreckende Wirkung. Doch die Todesstrafe ist so endgültig wie nichts auf dieser Welt. RichterInnen, die eine Todesstrafe verhängen, machen spätestens im Fall eines Justizirrtums den Henker selbst zum Mörder und sich zum Mittäter. Im Falle Mumia Abu-Jamals liegt nach meiner Auffassung mindestens ein solcher Justizirrtum vor. Meinen vorherigen Ausführungen ist zu entnehmen, daß es vermutlich sogar weit schlimmer ist und hier von einem Justizmord gesprochen werden muß. Einzuschränken bleibt lediglich, daß für Menschen weißer Hautfarbe das Risiko, in die Mühlen der Justiz nicht ganz so groß ist.

Ich möchte noch anmerken, daß mich auch die Berichterstattung im WorldWideWeb zu "Jimmy Dennis - unschuldig in der Todeszelle" sehr beeindruckt hat. Neben dem menschlichen Schicksal kann hier nochmals eindrucksvoll die traumatische Gerichtsbarkeit in Sachen Todesstrafe nachvollzogen werden: http://home.t-online.de/home/petra.e/flug.htm.

Gerold Korbus

Quellen, weitere Informationen:

Archiv ï92, Kampagne Mumia Abu-Jamal, Postfach 150323, D-28093 Bremen, Tel: 0421,354029, Fax: 0421,353918

Spenden: Sonderkonto "M. Abu-Jamal" / Archiv '92, Kto.Nr. 100 873 8701, BfG-Bank Bremen, BLZ 290 101 11.

Mumia Abu-Jamal, # AM-8335, SCI Greene 1040 East Furman Highway, Waynesburg, PA 15370, USA

WordlWideWeb:

www.humanrights.de/b/bremen/mumia/maj/action.html

ourworld.compuserve.com/homepages/labournetaustria/aktion16.htm

www.walrus.com/ßresist/mumia

home.t-online.de/home/petra.e/dpusa.htm

home.t-online.de/home/petra.e/flug.htm

www.merkur-online.de/merkurnt/html000/global-jugendaktuell.html

omnibus.uni-freiburg.de/ßbeurer/taimes0198/todesstrafe.htm

www.is-koeln.de/antifakoeln/mumia.html

www.amnesty.de

www.amnesty.de/jb97/todesstrafe.htm

www.amnesty.de/jb98

www.us-botschaft.de

www.us-botschaft.de/consular/hamburg/e-ham-cl.htm

www.us-botschaft.de/mission/d12-9.htm

www.events/kiel-conference/dright.htm

Protestbriefe/ -faxe:

General-Konsulat der Vereinigten Staaten, Alsterufer 27/28, 20354 Hamburg, Tel: 040,41171-0, Fax: 040,417665, Abteilung Politik,Wirtschaft: Tel: 040,4117,1207, Fax: 040,4117,1222, Abteilung Konsulat: Tel: 040,4117,1351, Fax: 040,443004, Administrative Abteilung: 040,4117,1209.

Gouverneur von Pennsylvania, Tom Ridge, Fax: 001-717-783-1396, eMail: governor@state.pa.us

Präsident Clinton, Fax: 001-202-456-2461

 

 
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