Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/99      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Der bunte Schatten kommt...

Letzte Vorbereitungen zur Totalen Sonnenfinsternis am 11.8.

Totale Sonnenfinsternisse gehören zu jenen Naturschauspielen, die man sein Leben lang nicht vergißt. Am hellichten Tag wird es dunkel, wenn die Sonne nur noch Sichelgestalt hat und die hellsten Sterne auftauchen. Vom Westen her nähert sich eine dunkle Wand - der Mondschatten, der immer größer und bedrohlicher wird, sich verfärbt und schließlich alles ringsherum einhüllt. Gleichzeitig zerfällt die schmale Sonnensichel in lauter Lichtpunkte, weil das Sonnenlicht nur noch durch die Mondtäler dringt, bis auch der letzte Lichtpunkt verschwindet. Rings um die Sonne sieht man die strukturreiche Korona, daneben die Planeten Merkur und Venus. Der Horizont schillert in buntesten Farben, während Vögel ihre Nachtlager aufsuchen, Fledermäuse erwachen und die Blüten ihre Kelche schließen. Zwei Minuten lang dauert dieses unwirkliche Bild, dann tritt wieder der erste Lichtstrahl durch ein Tal der Mondgebirge. Schnell werden es mehr, sie verschmelzen zu einer Sichel...

Über die einzelnen Phänomene haben wir ausführlich in der Mai-Ausgabe berichtet, und über das Entstehen der Finsternisse in der Juni-Ausgabe. In diesem Monat soll es um die Vorbereitungen gehen, die sich zu treffen lohnen. Solltest Du noch an den vorangegangenen Artikeln interessiert sein, melde Dich bei der Redaktion. Am Ende dieses Artikels sind weitere Informationsquellen angegeben.

Mit Gefahren...

Das wichtigste, auf das man bei der Beobachtung der Sonne (ganz allgemein) achten muß, ist ein geeigneter Sonnenschutz, nicht nur für Haut und Kopf. Blickt man direkt in die Sonne, wird neben dem sichtbaren grellen Licht auch die Infrarotstrahlung auf der Netzhaut im Auge gebündelt. Dadurch wird das Zellgewebe aufgeheizt, so daß es zu Verbrennungen kommen kann. Diese Verbrennungen bleiben zunächst unbemerkt, weil es auf der Netzhaut keine schmerzempfindlichen Zellen gibt. Wenn man Schmerz empfindet, ist es längst zu spät. Auch erreicht uns von der Sonne Ultraviolette Strahlung, die an der Haut den bekannten Sonnenbrand bewirkt. Trifft sie im Übermaß auf das Auge, fördert sie das Entstehen eines Grauen Stars (Linsentrübung).

... richtig umgehen

Dringend abzuraten ist von improvisierten Filtern, wie z.B. geschwärzte Gläser, schwarze Filmstreifen, CDs, Disketten, doppelte Sonnenbrillen, Rettungsfolien aus dem Gärtnereibedarf. Sie dämpfen nur das sichtbare Licht und lassen UV- und Infrarotlicht durch. Besser ist es dagegen, Pappbrillen mit spezieller Sonnenschutzfolie zu verwenden, die für etwa 4 DM beim Optiker oder im Astronomie-Fachhandel zu bekommen sind. Durch sie darf man mit bloßem Auge in die Sonne schauen. Eine andere Möglichkeit ist der Bau einer Lochblende, mit deren Hilfe man die Form der Sonne auf den Boden projizieren kann - mehr dazu weiter unten.

Filter vor optische Geräte!

Will man optische Geräte verwenden, so darf man NIEMALS mit der Pappbrille auf der Nase durch ein solches Gerät schauen! Die Folie schmilzt im Nu weg und das ungefilterte Sonnenlicht verbrennt die Netzhaut. Das geht viel schneller, als man reagieren kann! Deshalb muß man die Sonnenschutzfolie vor dem Eintritt des Sonnenlichtes in das optische Gerät anbringen und so absichern, daß die Folie nicht herunterfällt. Bei Ferngläsern sind beide Objektive zu überspannen. Die Folie dafür kann man aus den Brillen gewinnen oder sich als Bogen im Astronomie-Fachhandel bestellen. (Hier könnte es in den letzten Wochen zu Lieferengpässen kommen.)

Dieses gilt auch für billige Teleskopen, mit denen häufig Sonnenfilter mitgeliefert werden, die in das Okular geschraubt werden. Diese Filter heizen sich bei der Benutzung auf und können platzen. Auch hier besteht keine Chance, den Kopf rechtzeitig wegzuziehen. Lieber Okularfilter weglassen und Sonnenfilterfolie vor das Objektiv spannen.

Sonnenfilter sind solange einzusetzen, wie noch direktes Sonnenlicht zum Beobachter kommt. Erst wenn auch der letzte Lichtpunkt verschwunden ist, darf man alle Filter (auch vor optischen Geräten) ablegen (man muß es sogar, um überhaupt etwas zu sehen). Es ist aber darauf zu achten, daß die Filter rechtzeitig vor dem ersten Lichtstrahl wieder installiert sind, oder zumindest niemand mehr durch die Geräte schaut. Nur ein Sonnenstrahl reicht, um die Netzhaut unwiederbringlich zu zerstören. Um an das Ende der Totalität erinnert zu werden, kann man sich einen Wecker stellen.

Trotz aller Warnungen

Die Sonnenfinsternis selbst ist vollkommen ungefährlich! Wer Gelegenheit hat, sollte sie sich ansehen. Es ist ein echtes Erlebnis!

Bequemlichkeit ist bequem

Um keine Genickstarre zu bekommen, könnte es praktisch sein, sich einen Liegestuhl oder eine Wolldecke mitzubringen, da die Sonne sehr hoch stehen wird. Wenn du einen Eindruck davon haben möchtest, wie hoch die Sonne zur Finsternis steht, schaue Mitte Juli etwa gegen 12 Uhr oder 13 Uhr 50 zur Sonne empor.

Wegen der verminderten Sonneneinstrahlung kühlt auch die Luft ab. Damit man sich während der Totalität nicht in die Wolldecke einhüllen muß, sollte man sich etwas zum Überziehen mitnehmen.

Wer Fotos machen möchte oder sich daran erinnern will, daß die Totalität zuende geht, stelle sich einen Wecker auf die Mitte oder auf kurz vor Ende der Finsternis.

Auch kann man sich eine Taschenlampe mitnehmen, falls während der Totalität etwas Licht benötigt wird. Astronomen verwenden übrigens gerne rotes Licht, damit sich dann ihre Augen schneller wieder an die Dunkelheut gewöhnen.

Es gibt viel zu sehen...

Sicherlich ist es ratsam, sich vorher zu überlegen, welche der zahlreichen Phänomene man sehen möchte. Natürlich will man am liebsten alle sehen, aber die Ereignisse überstürzen sich in den letzten Minuten vor der Totalität, so daß man einfach keine Zeit dazu haben wird. Vom eigenen Plan hängt ab, welche Utensilien man benötigt, bzw. auf was man bei der Platzwahl achten sollte.

... Reaktionen der Natur ...

Wer die Reaktionen der Natur auf die Sonnenfinsternis erleben möchte, sollte tunlichst Stadtfeste und andere Parties meiden, sondern sich in die Natur begeben. Auch sollte man sich nicht unbedingt zu einer Sternwarte begeben, um vielleicht einmal die total verfinsterte Sonne durch ein Teleskop zu sehen - man kommt innerhalb der maximal zweiminütigen Totalität doch nicht zum Zuge. Deshalb haben viele Sternwarten auch geschlossen.

... Partielle Phase ...

Die Partielle Phase läßt sich am sichersten beobachten, wenn man in ein Stück Pappe ein mehrere Millimeter großes Loch sticht und es senkrecht zu den Sonnenstrahlen hält. Das Licht, das durch dieses kleine Loch tritt, sollte auf eine helle Fläche fallen, damit es das Bild der Sonne abbilden kann (Lochblendeneffekt). Vorteil gegenüber den Sonnenschutzbrillen ist, daß mehrere Leute gleichzeitig schauen können. Derselbe Effekt ist es, der unter Bäumen die kleinen Sonnensicheln erscheinen läßt.

... Viele kleine Sonnensicheln ...

Will man diese vielen kleinen Sonnensicheln unter einem Baum beobachten, so sollte ein Baum in der Nähe stehen, durch dessen Blätter Sonnenstrahlen fallen. Hier könnte zur Not auch ein Strohhut oder ein Picknickkorb praktisch sein. Seine Löcher bewirken dasselbe Phänomen.

... Fliegende Schatten ...

Die Fliegenden Schatten (ein sich bewegendes wellenartiges Hell-Dunkelmuster) treten etwa ein bis zwei Minuten vor der Totalität an großen weißen Flächen auf - weshalb also kein weißes Bettlaken oder eine große weiße Pappe mit zum Beobachtungsplatz nehmen und vor sich ausbreiten?

... Heranrasen des Mondschattens ...

Um das Heranrasen des Mondschattens zu erleben, lohnt es sich, einen freien Blick Richtung Westen zu haben. Der Mondschatten bewegt sich mit etwas weniger als 1km/s. Nach der Totalität kann man ihn, freien Blick in Richtung Osten vorausgesetzt, in Richtung Osten verschwinden sehen.

... Helle Sterne ...

Wer die kurz vor der Totalität erscheinenden hellen Sterne identifizieren möchte, sollte sich vorher anhand einer Sternkarte die Gestirne in der Nähe der Sonne einprägen. Für das Nachschlagen im Sternatlas ist es erstens zu dunkel, zweitens ist die Zeit zu kurz. Sternkarten vom Himmelsausschnitt zur Sonnenfinsternis findet man in Astronomie-Zeitschriften und -Jahrbüchern, sowie auf der Ausstellung der Astronomie-AG. Die Venus wird sich links unter, der Merkur rechts neben der Sonne befinden.

... die anderen Phänomene

Für die anderen Phänomene, wie die scharfen Schatten der herumstehenden Mitbeobachter und z.B. ihrer Haare, das Perlschnurphänomen, der Diamantring, die rosafarbene Chromosphäre, die Korona und die schillernden Farben am Horizont benötigt man keine besonderen Utensilien - nur beim Perlschnurphänomen die Pappbrille.

Erinnerungsfotos sind möglich

Manch einer wird die Sonnenfinsternis in Form von Fotos dokumentieren wollen. Im Prinzip lassen sich hier mit sehr einfachen Mitteln schöne Ergebnisse erzielen, so daß es sich auch lohnt, spontane Fotos zu machen.

Wer plant, ein regelrechtes Fotoprogramm durchzuziehen, dem sei ans Herz gelegt, zwei Drittel der Zeit für das bloße Schauen und ein Drittel für das Fotografieren zu verwenden, da die Sonnenfinsternis in erster Linie erlebenswert ist. Wichtig ist dann auch, sich einen exakten Plan zu machen und diesen im Dunkeln einzuüben.

Die Auswahl der Fotoausrüstung hängt ebenfalls davon ab, was man wie fotographieren möchte. Da eine nähere Erläuterung den Artikel sprengen würde, sei auf die weiteren Informationen am Ende des Artikels verwiesen. Bei der Lektüre der Internet-Seiten sei allerdings davor gewarnt, sich entmutigen zu lassen - diese Texte sind oft von Profi-Amateurastronomen geschrieben, die teilweise gewaltige Anforderungen an sich stellen. Dennoch kann man einige Anregungen mitnehmen. Einen guten Überblick liefert auch das "Sonne spezial" der Zeitschrift Sterne und Weltraum.

Urlaub schon geplant?

Wer noch am Überlegen ist, zur Sonnenfinsternis zu fahren, dem sei die Entscheidung hiermit abgenommen: "Ja, nur zu!" Dabei ist es ratsam, möglichst nicht erst am Finsternistag anzureisen, da erstens die Autobahnen und Züge voll sein werden und zweitens kaum Zeit bleibt, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen. Wer aber nur für diesen Tag frei bekommt, sollte trotzdem versuchen hinzufahren. Zu beobachten ist die Totale Finsternis mit allen ihren besonderen Phänomenen nur in dem grau schattierten Bereich der abgedruckten Karte, der in der Natur 109km breit ist. Je weiter man in die Mitte dieses Streifens fährt, desto länger dauert die Totalität. Außerhalb dieses Streifens bleibt ein Teil der Sonne zu sehen, so daß die beschriebenen Phänomene nicht beobachtbar sind!

Wie wird das Wetter?

Ein wichtiger Faktor bei der Ortswahl ist das Wetter, das aber nicht auf Wochen hinaus vorhergesagt werden kann. Man achte hier auf kurzfristige Wettervorhersagen, denn inwieweit Wetterstatistiken der letzten Jahre aussagekräftig sind, bleibt dahingestellt. Für den August besagen diese Statistiken eine höhere Sonnenscheinwahrscheinlichkeit für den Oberrheingraben südlich von Bruchsal, den oberen Neckar südlich von Stuttgart, zwischen Ulm und Augsburg, sowie unterhalb von Mühldorf am Inn bis zur Salzach. Wegen ihrer Höhenlage und der damit verursachten Wolkenlage schneiden der Schwarzwald, die Fränkische Alb sowie die Alpen mit direktem Vorland nicht so gut ab.

Also, dann... viel Spaß!

Wir hoffen, in unserer bisher dreiteiligen Serie, viele Informationen, Anregungen und Antworten gegeben zu haben. Vielleicht wird die ein oder andere offene Frage auf der Ausstellung oder im Vortrag der Astronomie-AG beantwortet (siehe unten). Auf jeden Fall wünschen wir allen, die hinfahren, klares Wetter und erlebnisreiche Minuten. Und wenn auch bei uns alles klappt, bringen wir in der nächsten Ausgabe einen Erlebnisbericht. Mehr sehen wir am 11. August...

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Weitere Informationen zur Sonnenfinsternis:

- Vortrag der studentischen Astronomie-Arbeitsgruppe am Mi., 14.7.1999, um 20 Uhr im Bibliothekssaal der Universität am Uhlhornsweg

- Ausstellung der stud. Astronomie-Arbeitsgruppe ist in der Ringebene der Universität Wechloy (Carl-von-Ossietzky-Straße) zu sehen (Astronomie-AG, E-Mail: Astro-AG@Uni-Oldenburg.DE - Web: http://www.infodrom.north.de/ßmuh/Astronomie/Astro-AG)

- Zeitschrift "SuW - Sonne Spezial" von Sterne und Weltraum, erschienen am 1.7.1999.

- Im WorldWideWeb unter http://www.astroinfo.org, http://www.dwd.de/general/eclipse u.v.a.

 

 
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