Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/99      Seite 16
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Der gläserne Mensch an der Uni

oder: Wie unter dem Vorwand besserer Serviceangebote unglaubliche Datenmengen in der Universität über Studierende gesammelt werden sollen

Das Präsidium der Universität plant zum Wintersemester 2000/2001 die Einführung einer "multifunktionalen UniCard", das Vorgehen hierzu wird in einer seit Februar ‘99 bestehenden Arbeitsgruppe diskutiert und vorbereitet. In der Gruppe sitzen VertreterInnen aus Verwaltung und Organisationseinheiten der Universität zusammen (z.B. Bibliothek oder Immatrikulations- u. Prüfungsamt) und machen sich Gedanken über Umfang, Einführungsbedingungen und Kosten einer UniCard in Oldenburg.

Der/die gläserne StudentIn

In folgenden Bereichen könnte die multifunktionale UniCard Verwendung finden: Sie würde zum neuen Studiausweis und wäre damit ein MUß für jede/n StudentIn. In Mensa und Cafete, sowie möglicherweise in Bibliothek und Hochschulsport könnte mittels einer Zahlungsfunktion der Karte abgerechnet werden, dieses kann durch einen aufladbaren Chip oder eine Kontobindung realisiert werden. (Ach ja; eine Bank soll sowieso an der Karteneinführung beteiligt werden.) Auch die Zugangskontrolle der universitären Räume könnte über eine solche UniCard gesteuert werden. - Interessant ist in diesem Zusammenhang die Information, daß in der neuen Fahrradstation am Bahnhof mit einer identischen Methode der Zugangskontrolle gearbeitet werden soll. - Weiterhin könnten einige Immatrikulations- und Prüfungsangelegenheiten mit der Karte erledigt werden. Ein weiterreichendes Beispiel wäre hier die Anmeldung zu Veranstaltungen, was bedeuten würde, daß an der Uni Oldenburg nebenbei eine Testatpflicht eingeführt würde.

Die Brisanz dieser Entwicklung liegt in der Verknüpfung verschiedenster Einzeldaten, die kombiniert das Bild/Verhalten einer Person rekonstruierbar machen. Es entstände der/die gläserne StudentIn.

Ebenfalls brisant wäre der Modellcharakter, den die Einführung einer multifunktionalen UniCard in Oldenburg hätte; es wäre eine &eaigu;Premiere‘ für Niedersachsen. Andere Hochschulen, wie z. B. die Universität Hannover haben von der Einführung einer Chipcard Abstand genommen. Die niedersächsischen Datenschutzbeauftragten beziehen sehr unterschiedliche Positionen zum Thema Chipkarte; einige sehen den Datenschutz bei der Einführung und Nutzung als nicht gewährleistet an.

In anderen Bundesländern sind einige Unis schon "weiter", eine Pilotrolle hat hier die Uni Trier gespielt, die damit auch Ansprechpartnerin für andere Unis, auch für Oldenburg geworden ist.

Der dortige AStA hat allerdings keinerlei datenschutzrechtliche Bedenken, ganz im Gegenteil: Der AStA-tragende RCDS ist - wie auch der Oldenburger RCDS - hellauf begeistert von den "Service"-Möglichkeiten der UniCard.

In Bremen soll demnächst die multifunktionale BürgerInnen-Card eingeführt werden. Da sich die Uni für die Karte einen Funktionsbereich reservieren lassen hat und sie unter anderem als Studi-Ausweis nutzen will, würden die StudentInnen gleich in der Hansestadt zwangseingebürgert.

Welche Vorteile die Uni-Leitung in Oldenburg nun in der UniCard sieht, deren Kosten sich zwischen einer halben und einer Million DM bewegen, wird nicht deutlich. Zwar haben einige "Organisationseinheiten" schon Interesse bekundet und Funktionen benannt (s.o.), andere dagegen haben mit Hinweis auf die externen Uni-NutzerInnen die Funktionen der UniCard problematisiert. Aber irgendwelchen Nutzen muß die Uni-Leitung sehen, eine treibende Kraft in diesem Prozeß muß es geben: Ist es das StudentInnenwerk, das sich höhere Umsätze und doch Personaleinsparungen vorstellen kann? Will das Immatrikulationsamt per UniCard das Rückmeldeverfahren "effektiver" gestalten und in der Konsequenz Personal "freisetzen"? Oder sind die ProfessorInnen die "heißen" BefürworterInnen, könnten sie doch per Knopfdruck am PC ein Leistungsspektrum eines/einer jeden StudentIn abrufen?

Gegen die Kontrolle

Am Mittwoch, 23.6.99 fand eine Sitzung der Präsidial-Ag statt, zu der zum ersten Mal (!) ein Vertreter der größten "NutzerInnengruppe", also der StudentInnen, eingeladen wurde.

Es gab bereits vor dieser "Teilnahmeö eine intensive Diskussion im AStA zum Thema UniCard/Chipkarte; das Ergebnis dieser Diskussion war, daß der AStA sich auf keinen Fall an der Einführung einer solchen multifunktionalen Karte beteiligen will. Die Möglichkeiten der Datensammlung mittels der Karte und eines riesigen Informationspools über alle StudentInnen und Bediensteten der Uni wird vom AStA mit Vehemenz abgelehnt, da bereits die Sammlung von Daten eine Gefährdung des Persönlichkeitsschutzes darstellt, ganz zu schweigen von der Unsicherheit darüber, WER mit den Daten WAS ermittelt.

Ziel der studentischen Teilnahme an der Uni-Ag kann es daher nur sein, Informationen über die Pläne der Universität und den Stand der Dinge zu erhalten; keinesfalls an der Einführung einer solchen Karte

mitzuwirken.

Im AStA hat sich inzwischen eine Arbeitsgruppe gebildet, die Informationen über schon bestehende Kartensysteme sammelt, die datenschutzrechtlichen Regelungen prüft und Widerstandsformen gegen die Einführung einer UniCard entwickelt. Hierbei arbeiten wir eng mit dem AStA der Uni Bremen zusammen, der sich ebenfalls gegen die Karteneinführung einsetzt.

Der nächste Arbeitsgruppentermin kann im AStA nachgefragt werden bzw. hängt vor dem AStA an der Pinwand aus.

Es ist dringend nötig, daß sich an der Carl-von-Ossietzky-Universität eine breites Bündnis bildet gegen das immer weiter greifende Ausspionieren und die Kontrolle der BürgerInnen, hier BürgerInnen der Universität.

felix

 

 
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