Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/99      Seite 4
 
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Ökomarkt

12.9. 11 - 18 Uhr Schloßplatz, Rathausmarkt

Zum fünfzehnten Mal findet in Oldenburg der Ökomarkt statt. Ein Jubiläum, das Anlaß gibt, darüber nachzudenken, ob die erstrebten Ziele erreicht wurden und was vor uns liegt. Im Jahr vor dem Millennium veranlasste dies die OrganisatorInnen, den 15. Markt unter das Motto zu stellen: "15 Jahre hinter uns - 1000 Jahre vor uns"!

In der Tat: Viel wurde erreicht. Aus den Initiativen der Menschen der ersten Stunde des Ökomarktes "sind gesunde Unternehmungen geworden, die zusammengenommen ein beachtliches Arbeitsplatzangebot geschaffen haben und deren Produkte und Dienstlkeistunge n von einem wachsenden Publikum in Anspruch genommen werden" (dieses Zitat und alle folgenden aus der Zeitung des Ökomarktvereins). doch noch Dennoch kann das nur der Anfang sein: Wenn mensch nicht alle Hoffnung um die Zukunft unseres Planeten aufgeben will, kann sie/er nur davon ausgehen, daß die Initiativen für ökologisches Wirtschaften stetig weiter wachsen werden.

Von allein wird dies allerdings nicht eintreten. Ökologisches Vermarkten kann sich nur behaupten im Verein mit politischem Handeln und hartem Ringen um Marktanteile - dies gilt verstärkt im verschärften Konkurrenzkampf des globalen Marktes. Noch häufiger werden Konsumenten durch Billigangebote geködert werden, um immer wieder festzustellen, daß sie für schlechte Qualität, Rinderwahnsinn, Dioxin in Hühnerprodukten, Grundwasserverseuchung, Antibiotika-Resistenzen, Allergien etc. einen zunehmend höheren Preis bezahlen müssen. Dieser Teufelskreis kann nur durch Überzeugungsarbeit für bewußte Kaufentscheidu ngen und durch den Einsatz für staatliche Qualitätssicherungen durchbrochen werden.

Auch im Wein liegt Wahrheit...

Auf dem Ökomarkt treffen wir die Menschen, die aktiv den Selbstlauf des Marktes in die Güllewirtschaft und die Klimakatastrophe durchbrechen. Was sie anzubieten, zu zeigen und zu erzählen haben, kann sehr lecker und sehr spannend sein. Manchmal auch sehr süffig: Ökoweine gibt es heute in hohen, staatlich überwachten Qualitäten, und sie haben nicht nur den Vorteil, so gut wie "Bordeaux" oder "Chianti" zu schmecken. Wer einmal in eine Pestizidwolke aus einem Hubschrauber hineingeraten ist, bekommt eine Ahnung davon, was für Gift Weinberge und herkömmlich erzeugte Reben so in sich haben. "Das Kennzeichen der deutschen Ökowinzer, der begrünte Weinberg mit einer Vielzahl von Pflanzen und Lebewesen, galt lange Zeit schlicht als unordentlich. Heute erkennen auch die konventionellen Winzer die Vorteile einer planmäßigen Begrünung, die als Ergebnis den Boden besser durchwurzelt und mit Nährstoffen versorgt. Der Artenreichtum in der Pflanzenwelt findet seinen Niederschlag auch in einer Bereicherung der Fauna." (S. 2) Doch arbeitet der Ökowinzer nicht in einer beschaulichen Heidiwelt: Modernste Technik, computergestützte Prognoseverfahren zur Erfassung von Pilzkrankheiten und fortschrittliche schonende kellerwirtschaftli che Verfahren bei der Weinbereitung sind Bedingung für den Erfolg. Der Verzicht auf alle chemisch-synthetischen Mittel führt jedoch zu einem höheren Arbeitsaufwand. "Die geringeren Erträge im Ökoweinbau, bedingt durch die ausschließlich natürliche Versorgung der Reben, verteuern ebenfalls die Produktion." Doch neben einem guten Gewissen bekommen die KäuferInnen für mehr Geld nicht nur guten Geschmack und mehr natürliche Qualität. "Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, daß ökologisch erzeugte Weine weniger an Kopfschmerzen hervorrufendem Histamin enthalten. Dagegen weisen französische Arbeiten darauf hin, daß Ökoweine mehr Resveratol enthalten, also mehr von der Substanz, die ein pflanzlicher Abwehrstoff gegen parasitäre Angriffe ist, gleichzeitig aber im menschlichen Organismus gegen Herz- und Kreislauferkrankungen schützt." Na, denn Prost!

Komm, Puter!

Nicht erst seit der Verfütterung von BSE- Kadavern und Dioxin-Klärschlamm werden immer mehr FleischesserInnnen zu unfreiwilligen VegetarierInnen. Wenn allerdings der Jiep auf einen gutes Stück Tier zu groß wird, greifen sie in ihrer Not zum Putenfleisch. Um 400g pro Mund nahm sein Verbrauch in den letzten Jahren zu. Doch ach! Auch der Puter entstammt Masthaltung mit unbeschreiblichen Zuständen, der Hähnchen- und Hennenhaltung ganz ähnlich. Aber Rettung naht! Mittlerweile gibt es in Niedersachsen neun Putenmäster, die sich dem Naturland-Verband angeschlossen haben und ökologische Putenhaltung betreiben. Von einigen dieser Betriebe, z. B. in Hötinghausen, Bassum, Goldenstedt und Twistringen, kann mensch Puten oder Putenteilstücke direkt ab Hof beziehen.

In den Naturland-Ställen werden ca. zwei Tiere pro Quadratmeter gehalten. "Natürliches Licht und gutes Stallklima sind selbstverständlich. Gemästet wird die schwarz befiederte Bronze-Pute. Eine vitale, robuste und langsam wachsende Rasse, die sich gut für Freilandhaltung eignet. Freilandhaltung bedeutet, daß den Puten vom Stall aus eine Lauffläche von vier Quadratmetern pro Tier zur Verfügung steht." (S. 3) "Die Futtermittel werden ökologisch angebaut, ohne Kunstdünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel." "Im Putenfutter sind Leistungsförderer und prophylaktische Medikamente ebenso verboten wie der Einsatz von Gentechnik. Nach ca. 20 Wochen sind die Tiere schlachtreif. ... nicht zuletzt die kurzen Wege zum Schlachten garantieren den Verbrauchern ein hochwertiges Produkt."

Gen-iale Verwirrung

Obwohl mehr als 80 Prozent der VerbraucherInn en Gentechnik in der Nahrung ablehnen, ist seit September 98 eine wachsende Anzahl von Gentechnikprodukten in den Supermarktregalen zu finden. Sie zu erkennen und vermeiden ist äußerst schwierig: Lediglich ein kleingedruckter Hinweis in der Zutatenliste weist auf die gentechnische Manipulation hin. Trotzdem konnten auch in Oldenburg bereits genveränderte Lebensmittel entdeckt werden, z.B. in den Plusmärkten der Tengelmanngruppe. Doch sogar in Reformhäusern kann ein bewußt essender Mensch manchmal fündig werden: Ein Soja- Schnitzel von zonnatura enthält laut Zutatenliste "konzentriertes Soja-Eiweiß genetisch verändert". Und ebenfalls das Soja- Eiweiß eines vegetarischen Würstchens kann laut Zutatenliste aus genetisch verändertem Soja hergestellt worden sein.

Die Anwendung von Gentechnik in der Nahrungsmittelherstellung verspricht großen Firmen riesige Profite. Mit aller Macht versuchen sie nun, auch in der EU diese Form der Produktion durchzusetzen. "Der Chemiegigant Novartis - ein Zusammenschluß von Ciba Geigy und Sandoz - macht bereits gewaltige Gewinne im Pestizid- und Pharmabereich. Nun verspricht er sich vom Handel mit dem Saatgut seiner im Labor designten Gentechpflanzen zusätzlich weltweit fette Gewinne. Aus den uniformen Kunstpflanzen soll billige Massenware für den Weltmarkt hergestellt werden, von der wiederum konzerneigene Marken wie WASA profitieren. Vom Acker bis zum Teller will der Gigant künftig die Lebensmittelproduktion kontrollieren und die Gewinne einstreichen." Dabei sind die Gefahren für die Umwelt immens: Der Gentech-Mais von Novartis z.B. produziert ein Insektengift, das maisfressende Raupen vergiftet. "Doch auch nützliche Insekten wie die Florfliege werden geschädigt. Diese kleinen Helfer fehlen dann für die natürliche Bekämpfung von Blattläusen. Zusätzliche Pestizide werden erforderlich." (S. 5f.) Novartis-Mais enthält auch Resistenzgene gegen Antibiotika wie Ampicillin und Penicillin. "Neue Studien belegen, daß beim Verzehr von Gentechpflanzen solche Resistenzgene auf Bakterien im Darm übertragen werden können." Die Folge von solchen Resistenzen: Antibiotika versagen immer häufiger bei der Behandlung von Infektionskrankheiten, zum Teil mit lebensbedrohlichen Folgen. "Schuld daran ist vor allem die Verfütterung von Antibiotika als Masthilfe in der Tierzucht. Die Verbreitung von Resistenzgenen durch den Novartis-Mais würde dieses Gesundheitsrisiko noch zusätzlich verschärfen." Trotzdem haben sich 1998 einige süddeutsche Bauern dazu verleiten lassen, still und heimlich auf einigen Hektarn genmanipulierten Novartis- Mais anzubauen. Eine getrennte Ernte dieses Maises ist nicht vorgeschrieben. Er kann direkt zu Lebensmitteln verarbeitet oder an Tiere verfüttert werden. "Zu Schnitzel, Wurst und anderen Fleischprodukten 'veredelt`, landet er dann indirekt auf unseren Tellern und muß nicht einmal gekennzeichnet werden."

Widerstand ist machbar...

Der Widerstand der Konsumenten hat den Einzug der Gentechnik in die Nahrung bisher weitgehend verhindert. "Praktisch alle großen Lebensmittelhersteller in Deutschland verzichten bislang auf Rohstoffe aus gentechnisch veränderten Pflanzen." Doch neben Novartis wollte es nun auch der Nestle- Konzern wissen, wieweit er dieses "Tabu" brechen kann. Im September 98 brachte er den ersten Gentech-Schokoriegel in die Supermarktregale, extra aus USA importiert. Gekennzeichnet ist dieser "Butterfinger" mit der kleinen Fußnote: "... aus genetisch verändertem Mais hergestellt". "Andere Hersteller wie beispielsweise Ferrero garantieren ... weiterhin gentechnikfreie Ware. Und sogar Nestle selbst wird weiterhin Produkte ohne Gentech-Mais herstellen - der Gentech-Schokoriegel dient dem Konzern also lediglich als Testballon." Greenpeace u.a. organisierten eine Kampagne gegen diesen Vorstoß. Vor Kurzem kündigte der Nestle- Konzern an, seinen "Butterfinger" wieder vom deutschen Markt zurückzuziehen, weil er hierzulande nicht gekauft werde.

Auch Greenpeace ist auf dem Ökomarkt zu finden. Und alle Anbieter verwenden keine gentechnisch veränderten Produkte.

Öko - nur grenzenlos logiesch

Urwaldhölzer in Oldenburger Bauten, billige Futtermittel aus Afrika und Amerika über den Oldenburger Hafen in nahe Mastställe - ökologisches Wirtschaften muß global nach Alternativen suchen. Während wir ohne Hunger das Verbrennen von Öl reduzieren könnten, ist Holz aus den letzten Waldresten für viele Menschen in den ärmsten Ländern der einzig verfügbare Brennstoff - bisher! Die Wardenburger Eine-Welt-Gruppe baute in Nepal u.a. eine Solarküche mit zwei Großspiegeln auf. Anstelle eines Lehmofens wurden Biogasbrennstellen eingerichtet. "Da in einem Lehmofen täglich große Mengen an Holz benötigt werden, ... verringert die Einrichtung der Biogasbrennstellen das fortschreitende Abholzen der Wälder." (S. 15) Die positive Erfahrung mit dem Solarkocher führte zu einem neuen Bewußtsein der Sonnenenergienutzung. Neue Nachfrage nach Solargroßspiegeln entstand. Bei ihrem Bau wurden die örtlichen Werkstätten so intensiv in die Arbeiten miteinbezogen, daß sie nun in der Lage sind, die nächsten Anlagen selbständig zu errichten.

80 Stände

Die herausgegriffenen Beispiele zeigen, daß die Präsentationen des Ökomarktes eine Momentaufnahme des Streites um die Zukunft der Menschen und der Erde darstellen. So theoretisch das klingt, so praktisch geht es doch um eine bessere Organisierung unseres Alltags. So praktisch wie z.B. die "grüne Gemüsetüte", eine regelmäßig gelieferte Tasche mit frischem und abwechslungsreichem Gemüse aus kontrolliert- biologischem Anbau und bevorzugt aus der Region, ergänzt durch Rezepte und Informationen für die Zubereitung, eine Woche im voraus bezahlt, so daß der Gärtner planen kann. Zehn Pfennig je Tasche fließen an Naturschutzorganisationen, Greenpeace u.a. Oder so praktisch wie die Solarinitiative des Oldenburger Energierates, der durch den "Verkauf" von Solar-Anteilaktien eine Förderung von Solaranlagen für Hausbesitzer organisieren will, die es finanziell nicht so dicke haben. Doch auch praktische Ernährungstipps für Menschen mit Allergien, Informationen zu Hofführungen, um den direkten Kontakt zum Produzenten herzustellen, praktische Hinweise zum Hausbau und vieles andere mehr - informiert euch doch selber bei den über 80 Beschickern des Oldenburger Ökomarktes! Guckt, fragt, hört, eßt und trinkt im Freien ... hoffentlich dieses Mal bei gutem Wetter!

achim


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