Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/00      Seite 12
 
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Radio-Frequenzen für Oldenburg

zu "Tanz und Revolution" im Oldenburger Stachel, Ausgabe 7/00

Der Autor thematisiert die sogenannten 'Ambivalenzen' der schwulesbischen Szene, unter denen er versteht, daß auch Lesben und Schwule sich, z.B. als PolizistInnen, an der Abschiebung von Flüchtlingen beteiligen bzw. als SoldatInnen zu 'Mördern' wurden. Auf einem CSD sei es somit nicht miteinander vereinbar, daß PazifistInnen auf der einen, Uniformierte auf der anderen Seite für die selbe Sache auf die Straße gehen - 'eine Nicht-Ausgrenzung' sei 'nicht möglich'.

Mir scheint, daß hier doch zwei absolut verschiedene Thematiken mit aller Macht in ein- und dieselbe Schublade geworfen werden: das Bekenntnis zum Lesbisch- oder Schwulsein einerseits und die Vertretung einer bestimmten politischen Richtung andererseits.

Wenn ich auf einen CSD gehe, so erwarte ich unter den Mitmarschierenden Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle sowie alle anderen, die mit diesen für ihre Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung demonstrieren. Das ist meines Wissens auch der einzige Grund für den jährlich wiederkehrenden Marsch: ein 'Hallo es gibt uns, und wir möchten bitte dieselben BürgerInnenrechte für uns beanspruchen wie heterosexuell lebende Menschen auch'. Auf einem derartigen Marsch dürfen und sollen daher meines Erachtens alle mitmarschieren, die für dieses Recht eintreten, und zwar unabhängig davon, welche Partei sie wählen, welchem Beruf sie nachgehen, wie alt sie sind und womit sie sich in ihrer Freizeit die Zeit vertreiben (aktive Homophobie einmal ausgenommen, doch dies dürfte wohl eher eine hypothetische Annahme sein).

Wenn ein schwuler Polizist dabei ist bzw. eine lesbische Polizistin, dann ist das nicht nur in Ordnung, sondern sollte selbstverständlich sein. Wenn diese es nun für wichtig halten, zu präzisieren, daß es lesbische und schwule PolizistInnen gibt, so halte ich dies nicht für negativ, sondern für mutig - denn im eher konservativ ausgerichteten Polizeimilieu ist dies sicherlich keine leichte Entscheidung. Genauso ist dies natürlich auch, ich zitiere: 'MigrantInnen, Arbeitslosen, Junkies und SozialhilfeempfängerInnen' möglich, und ich bin sicher, daß diese am 24. Juni ebenfalls vertreten waren. Daß sie sich nicht zu einer nach außen erkenntlichen Gruppe zusammengeschlossen haben, wird zwar nicht daran liegen, daß der 'Normalbürger' die DemonstrantInnen dort ohnehin eher vermuten würde als in den Reihen der Polizei, die doch einen ganz anderen Status hat. Aber wie der Autor so schön sagt: 'Wir hätten die Wahl gehabt'. Genau, jede Gruppe hat die Wahl gehabt, sich als zu dieser Gruppe gehörig kenntlich zu machen, und manche haben eben dies getan. Ob ich mit den Mitmarschierenden ansonsten einer Meinung bin, gilt an diesem Tag nicht. Hier wird für ein bestimmtes Ziel marschiert, und nicht für eine bestimmte politische Richtung, ob ich einen Schäferhund mein eigen nenne oder ob in meinem Vorgarten Gartenzwerge stehen.

Es ist sicherlich richtig, daß beispielsweise bei den Stonewall-Krawallen, die ja ursprünglich der Grund für die jährlich wiederkehrenden Aufmärsche waren, die Polizei gegen Schwule und Lesben vorging. Dies berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, daß alle Lesben und Schwule mit einer eingebauten Antipolizeihaltung ausgestattet sind oder sein sollten. Außerdem ist diese Haltung im Jahr 2000 nun wirklich nicht mehr aktuell, und falls dem doch so sein sollte, würde die Bemerkung zum Mut der mitmarschierenden PolizistInnen nur um so mehr zutreffen.

'Natürlich muß es der Schwulen- und Lesbenbewegung Ä...Ü darum gehen, in die Mitte der Gesellschaft zu kommen, schließlich will sie Gesellschaft verändern'. Ich bin mir nicht ganz sicher, daß sich Gesellschaft nur von der Mitte her verändern läßt, aber eines weiß ich ganz bestimmt: das Ansinnen der Schwulen- und Lesbenbewegung ist es, Akzeptanz zu erhalten, egal an welchem Ende der Gesellschaft. Sollte dies nur von der Mitte her möglich sein, nun, darüber ließe sich diskutieren. Auf keinen Fall ist es ihr Ansinnen, eine bestimmte politische Meinung zu vertreten, die nach Auffassung des Autors nur linksalternativ sein kann. Lesben und Schwule mögen bis zu einem gewissen Grad toleranter sein, haben sie doch selber die Erfahrung machen müssen, zu einer nicht gerade berühmten Minderheit zu gehören. Dies schließt jedoch weder ein, daß sie linke Parteien wählen, diesen nahestehen noch daß sie gewaltfreie Berufe wählen. Wie war das doch noch? Freiheit heißt immer die Freiheit der Andersdenkenden. Und das können auch mal die 'anderen' sein.

Ein ganz wichtiger Punkt in der Argumentation für die Gleichberechtigung andersgeschlechtlicher Lebensweisen ist doch der, daß es in allen Bevölkerungsschichten, in allen Berufssparten und bei Reich und Arm gleichermaßen Menschen gibt, die sich durch ihre gleichgeschlechtliche Lebensweise auszeichnen. Es gibt sie in CDU, CSU, PDS, bei den Grünen, der SPD und wahrscheinlich auch bei den Republikanern. Das ist gut so und soll auch so bleiben. Wenn die Gesellschaft in den Augen Andreas Specks 'spießbürgerlich, rassistisch und desinteressiert' ist, dann sind auch die Lesben und Schwulen dieser Gesellschaft spießbürgerlich, rassistisch und desinteressiert. Auch wenn manch eineR dies schöne fände: Lesben und Schwule sind nicht per se die besseren Menschen. Das Anliegen ihrer Bewegung liegt alleine darin, daß sie Gleiche unter Gleichen sein möchten. Gleiche unter Gleichen, das gilt für PolizistInnen wie für Arbeitslose, für Rechte wie für Linke und für alle anderen, die ihre BürgerInnenrechte nur aus dem Grunde verwehrt sehen, daß sie anders lieben.

Ich hielt das Plakat 'Auch schwule Soldaten sind Mörder' daher aus mehreren Gründen für äußerst unpassend. Zum einen ist der CSD ein Marsch für Schwule und Lesben, bei dem es nicht besonders gut wirkt, wenn einer darauf hinweist, daß auch sie möglicherweise Mörder sein können. Bei den ZuschauerInnen ist wahrscheinlich sogar ohnehin nur hängengeblieben 'Schwule Soldaten sind Mörder' - was ich für keine gute Reklame halte, wenn ausgerechnet für die BürgerInnenrechte u.a. der Schwulen auf die Straße gegangen wird. Zum anderen ist das mit dem 'Morden' reine Ansichtssache, die nichts mit der Schwulen- und Lesbenbewegung zu tun hat, und die einer eigenen Diskussion bedarf. Solange Deutschland eine Bundeswehr hat, ist es nur legitim, diese für Frauen, Lesben und Schwule zu öffnen. Diese haben dann - wie die heterosexuellen Männer - die Möglichkeit, hierzu ja oder nein zu sagen. Daß sie diese Freiheit jedoch haben, dafür marschieren wir beim CSD, nicht für irgendwelche politischen Ansichten.

'Normal gibt's nicht - ein schönes Ziel, das wir jedoch nicht erreichen werden, indem wir normal werden!' Mal davon abgesehen, daß ich mit dem diesjährigen Oldenburger CDS-Motto nichts anfangen konnte: was auch immer es bedeuten sollte - Normalität, lieber Andreas, ist genau das, was die meisten Schwulen und Lesben haben wollen. Akzeptanz und Normalität. Sie wollen sein wie alle anderen auch, nur eben auf ihre (Lebens-)Weise. Die Homo-Ehe mag nicht jederfraus Geschmack sein, aber wenn und solange es in unserer Gesellschaft möglich ist, zu heiraten, dann sollte dies auch allen möglich sein. Nein zu sagen ist (s.o.) erst möglich, wenn die Freiheit dazu besteht.

Der Autor fragt ebenfalls, wie tragfähig das Bündnis unter der Regenbogenfahne noch sei - ich frage mich das mitunter auch, aber hierbei überlege ich mir bestimmt nicht, wie ich PolizistInnen oder andere 'unliebsame' Menschen fernhalten kann. Viel wichtiger fände ich es, die kleinen und großen Streitigkeiten zwischen den unterschiedlichen Parteien (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle, Transvestiten) zu schlichten zu suchen. In ihren kleinen Ghettos sind diese nämlich zum Teil noch viel, viel konservativer und intoleranter als die Heterogesellschaft gegenüber allem, was 'queer' ist. Dies wäre ein wirklich wichtiger Schritt, der außerdem dazu führen könnte, das Ersehnte mit vereinten Kräften schneller und wirkungsvoller umzusetzen.

Es ist nicht abzustreiten, daß der Oldenburger CSD 2000 kaum politisch geprägt war, und darüber kann der Autor zu Recht enttäuscht sein, wenn einmal davon abgesehen wird, daß jeder CSD an sich eine politische Äußerung größeren Ausmaßes ist (und ich möchte hier nicht darauf eingehen, ob wirklich 12-15'000 DemonstrantInnen den Weg in die Innenstadt gefunden haben, was tatsächlich bedeutete - die paar Zugereisten mal abgezogen - daß die gesamten 10%, also alle Oldenburger Lesben und Schwule, sich dieses Jahr geoutet hätten).

Veranstalter und TeilnehmerInnen sollten sich jedoch freuen, daß die Demonstrationen zum CSD noch nicht den Weg der Ostermärsche gegangen sind, was ihnen bei erhöhter Akzeptanz wahrscheinlich nur deshalb nicht blüht, weil eben der sogenannte Spaßfaktor eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Was sich aber möglicherweise ändern könnte, wenn sich herumspricht, daß zum Marschieren neuerdings eine ganz bestimmte politische Gesinnung notwendig ist, PolizistInnen sich vorher anmelden müssen und Uniformierte erst unterschreiben müssen, daß sie keine 'Mörder' sind. Ich zumindest würde dann lieber mit meinen Freunden in irgendeinem Café sitzen und hetero-homo-rechts-links-gemischten Doppelkopf spielen. Oder Skat. Weil das so schön 'normal' ist.

B. H.

 

 
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