Übung macht den Meister - Selbständig im Handwerk ohne Meisterbrief
Wer sich in Deutschland im Handwerk selbständig machen will, stößt auf die
Grenzen der Handwerksordnung (HWO): Den Meisterzwang. Seit der
Wiedereinführung des Meisterzwangs durch die Nazis wird in Deutschland mit
der HWO und seit Bestehen der BRD mit dem Gesetz zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit das Führen eines selbständigen Betriebes im Handwerk
verhindert. Viele vertreten die Auffassung, daß damit hunderttausende von
Arbeitsplätzen verhindert würden. Dagegen setzt sich der Berufverband
unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker (BUH) zur Wehr.
Zur Geschichte des Meisterzwanges: Im Mittelalter entstanden die Zünfte als
selbständige Organisationen und bestimmten die zünftige Ordnung und das
gewerbliche Leben in den Städten. Jeder Gewerbetreibende mußte der Zunft
beitreten (Zunftzwang). Nur Meister durften ihr Gewerbe selbständig ausüben.
Insbesondere seit der Neuzeit wurde der Meisterzwang als Konkurrenzschutz
gebraucht. Die Anforderungen an die Meisteranwärter wuchsen ins Unermeßliche.
Wanderjahre, Mutjahre, hohe Einschreibegebühren, sowie hohe Ausgaben wie
Meistertrunk hinderten viele Handwerker an der Aufnahmein die Zunft. Ein
großer Teil der Menschen war von vornherein ausgeschlossen, weil sie nach
den Regeln der Zunft als "unehelich" oder "unehrlich" galten.
Wenn eine Zunft geschlossen wurde, war es vollkommen unmöglich, als
selbständiger Handwerker aufgenommen zu werden. Für Meistersöhne oder
Schwiegersöhne galten wesentlich einfachere Zulassungsbedingungen. Wer ohne
Meisterbrief arbeitete, wurde als Böhnhase, Stümper, Fretter oder Pfuscher
verspottet und verfolgt. Im wirtschaftlichen, technischen und
gesellschaftlichen Wandel und mit der Französischen Revolution geriet das
Zunftwesen immer mehr ins Abseits. Die Preußen schafften schlieslich den
Zunftzwang und die Leibeigenschaft ab und führten die Gewerbefreiheit ein.
Die Handwerksmeister forderten seit dem Niedergang der Zünfte immer wieder
den Meisterzwang. Diese Forderung erfüllten erst 1935 die
Nationalsozialisten, um auf diese Weise das Führerprinzip im Handwerk zu
realisieren. Der Meisterzwang wurde nach 1945 in die Handwerksordnung
übernommen. Wo im Dritten Reich noch unliebsame HandwerkerInnen
kriminalisiert worden waren, mußten in der Bundesrepublik nun selbständige
HandwerkerInnen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit fürchten lernen.
Wer heute ohne Eintrag in die Handwerksrolle handwerkliche Leistungen im
stehenden Gewerbe ausübt, gilt als "Schwarzarbeiter" und wird nach dem Gesetz
zur Bekämpfung der Schwarzarbeit mit Bußgeldern bis zu 100 000 Euro oder gar
einer Betriebsschließung bestraft. Dabei ist es unerheblich, ob die
Betreffende Steuern und Abgaben geleistet hat. Sie ist juristisch eine
SchwarzarbeiterIn.
Nicht zuletzt aufgrund des Engagements des BUH gerät der Meisterzwang
zunehmend unter Druck. Der BUH hält den Meisterzwang für eine Einschränkung
der Berufsfreiheit, die durch Artikel 12 des Grundgesetzes garantiert sein
sollte. Vor 40 Jahren urteilte das Bundesverfassungsgericht über den
Meisterzwang, aber dieses Urteil wurde von Kritikern und Befürwortern des
Meisterzwangs verschieden interpretiert.
Seit 10 Jahren kämpft der BUH gegen den Meisterzwang und qualifiziert sich
immer mehr in Sachen Handwerksrecht. Zusammen mit befreundeten
Organisationen und RechtsanwältInnen gelingt es immer wieder, den
Handwerkskammer ein Schnippchen zu schlagen und HandwerkerInnen
zur Selbständigkeit zu verhelfen. Auch in Oldenburg soll der BUH
mit seinen "Stammtischen" und Infoveranstaltungen vertreten sein.
Am 6.3.02 treffen sich alle Mitglieder und Interessierte ab 19 Uhr "Bei
Beppo". Hier gibt es alles über die neuesten Entwicklungen im Kampf für die
Gewerbefreiheit, Tips und Tricks zur Gewerbeanmeldung und natürlich alles
über die Ziele und Leistungen des Berufsverbands unabhängiger
Handwerkerinnen und Handwerker. Unter anderem gehen 10% des Beitrags in den
Rechtshilfefond, mit dem unsere Mitglieder bei juristischen
Auseinandersetzungen unterstützt werden können.
Kontakt und InfoPaket: BUH e.V., Klein Breese 13, 29497 Woltersdorf, Tel.:
05841,973900 Fax: 973901, http://www.buhev.de
Termine: Demobeteiligung gegen Diskriminierung von HandwerkerInnen
auf dem 1. Mai in Bremen. ("Tag der Schwarzarbeit") und
voraussichtliche Beteiligung am Freimarktsumzug im Oktober in Bremen.
Rastafahndung unzulässig
Das Landgericht Berlin hat am 22.01.02 die Rasterfahndung gegen ausländische
Mitmenschen für rechtswidrig erklärt. Doch damit ist das Thema keineswegs
vom Tisch.
Was geschah bisher?
11.9.01: Ursache allenfalls erahnt, behauptet, erlogen. Entsetzliches
Ergebnis hinreichend bekannt.
12.9.: Das neue Bremer Polizeigesetz tritt in Kraft. Neben der
Einführung des "finalen Rettungsschusses" und verstärkter Videoüberwachung
wird die Rasterfahndung als polizeiliche Ermittlungsmethode ersatzlos
gestrichen.
20.9.01: Erste polizeiliche Einzelüberprüfungen an Unis und andernorts.
In den folgenden Wochen kommt es in ganz Deutschland (auch in Oldenburg) zu
polizeilichen Datenanfragen. Die Unileitungen zögern, weigern sich - und
kommen den Aufforderungen schließlich nach, d.h.: die Daten werden
rausgegeben, die Betroffenen erhalten jedoch keine Informationen darüber,
daß das Kriminalamt über sie ermittelt. Ohne konkreten Verdachtsmoment
werden die Daten im Polizeicomputer gespeichert. Auf Bitte des AStA
informierte die Uni-Leitung in Oldenburg nunmehr die betroffenen
Studierenden.
26.10.01: Die Rasterfahndung wird Bestandteil des Bremer Polizeigesetzes.
Nunmehr wird hierzu keine parlamentarische oder richterliche Absegnung mehr
benötigt; Innensenator und Polizeipräsident dürfen allein handeln.
Datenschutzbeauftragte werden nachträglich informiert.
November/ Dezember 2001: Rasterfahndungen landesweit.
Je nach Bundesland stehen 22-30 Länder auf der Kontrollliste. Übermittelt
werden sollen vor allem Daten von sich legal aufhaltenden Ausländern, die
unauffällig, allein stehend, mehrsprachig, und vermutlich islam. Glaubens
sind. Weiterhin entspräche dem "Täterprofil" Reiselust, ein technisches Studium
und bisherige kriminelle Unauffälligkeit. Also vieles, was ein ausländischer
Mensch vorweisen muß, um überhaupt hier sein zu dürfen ...
Die Informationen werden mit Angaben der verschiedenen Landesbehörden, der
Energieversorger, des Flugverkehrs und anderen
sicherheitsrelevanten Unternehmen abgeglichen.
Eine Rasterfahndung ist laut Datenschutzbeauftragten nur dann
möglich, wenn sie eine gegenwärtige Gefahr für den Bestand und die
Sicherheit des Bundes oder eines landes oder für Leben, Leib oder Freiheit
einer Person abzuwehren hat. Eine solche Gefahr sei bisher weder dargelegt
noch sonst ersichtlich gewesen.
Diese Auffassung bestätigte dieser Tage das Landgericht Wiesbaden.
Es kam nun zur Auffassung, daß eine aktuelle Gefahr
nicht gegeben ist. Damit folgte es jedoch lediglich der Position
der Bundesregierung. Doch eine Rasterfahndung darf nur mit einer
gegenwärtigen Gefahr begründet werden, die die höchste Steigerung
des Gefahrenbegriffs darstellt. Das Landgericht Wiesbaden stellte
jetzt fest, daß sich das Amtsgericht Wiesbaden in seiner
Begründung lediglich auf Vermutungen stützt, die über "das Stadium
von Mutmaßungen nicht hinauskommen".
Und Rasterfahndungen gehören ebenso wie Lauschangriffe zu den "vorbeugenden"
Fahndungen, die rechtlichen Grundsätzen widerspricht, weil
vor allem gegen Unverdächtige
ermittelt wird. Freiheitliche Persönlichkeitsrechte werden nicht nur
"angetastet", sondern massiv eingeschränkt.
Datenschutz wird mit Terroristenschutz gleichgesetzt - "sicherheitshalber" ...
Dem Rassismus wird so neuer Nährboden gegeben.
Ein Pauschalverdacht gegen ethnische und religiöse Gruppen ist für ein
mitmenschlich interessiertes Zusammenleben nicht tragbar.
Doch kann die Rasterfahndung tatsächlich der Terroristenfindung dienen?
Die Daten selbst bringen kaum neue Aufschlüsse, eher wird getestet,
inwieweit Organisationsleitungen (auch die "Normal"bewölkung) bereit
sind, der Polizei zu Hilfe zu eilen; weiterhin werden Ermittlungs- und
Kontrollkompetenzen erheblich ausgedehnt.
"Wer die Freiheit im Namen der Sicherheit opfert, erhält weder die
Freiheit noch die Sicherheit"
Der "sichere Kontrollstaat" ist
gestartet und wird von vielen zu selbstverständlich unterstützt. Die
Bremsen aus Berlin und Wiesbaden durch die Benennung der Rechtswidrigkeit
sind kleine, aber wichtige Dämpfer in der innenpolitischen
(Rück-)-Entwicklung, die einen durchschnittlich demokratischen Geist
aufrütteln sollte.
Die durch Medien und Politiker verbreitete Angst vor unberechenbar
alltäglich zuschlagendem Terrorismus wird dazu genutzt, das
Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung weit über ein gesundes Maß hinaus zu
wecken. Ein Feindbild (oder mehrere) waren auch schon immer praktisch im
Krieg und bei anderen Machtdemonstrationen. Und humanitäre Kampfgründe
machen aus dem Krieger von gestern einen Schutz(truppen)mann mit Sinn für
Emanzipation von heute. (Die Frauen werden ent-, die Wurzeln und Ziele des
Krieges verschleiert...)
Weiteres Material zum Thema gibt es im ASTA der C.v.O. Universität Oldenburg
(Infoblatt für Betroffene), in den ASTA-Zeitungen OL und HB.
Infos zur Rasterfahndung allgemein: Eene meene muh - Rasterfahndung in
Deutschland. ("Christiane Schulzki-Haddouti")
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/11411/1.html
Weitere Informationen zum Wiesbadener Prozeß:
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11557/1.html
Telepolis: Rasterfahndung-Domino.
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11792/1.html
Informationen zum Berliner Urteil:
http://www00.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11643/1.html