Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/02      Seite 10
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Radio-Frequenzen für Oldenburg

Die Themen:


Weitergabe: 200.000
Verbindungsdaten
nach Panzereinbruch

Nach drei Panzereinbrüchen im österreichischen Kärnten verlangte die Gendarmerie von den Telefongesellschaften die Verbindungdaten aller Mobilfunktelefongespräche, die innerhalb von 24 Stunden an den drei Tagen der Einbrüche stattfanden. Peter Pilz, der Sicherheitssprecher der österreichischen Grünen, der die Angelegenheit an die Öffentlichkeit brachte, vermutet, daß rund 50.000 Personen davon betroffen sind. Nach seiner Auffassung steht dies im Widerspruch zur Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshos und der Menschenrechtskonvention, da das Fernmeldegeheimnis nur dann verletzt werden dürfe, wenn dieser Eingriff "verhältnismäßig" sei. Zwar sind davon keine Gesprächsinhalte betroffen, aber es lassen sich Bewegungsprofile der betroffenen Personen erstellen. Gesiebt werden sollen die Personen, die sich in der fraglichen Zeit im fraglichen Gebiet aufgehalten haben.

Nur eine Mobilfunktelefongesellschaft verweigerte die Datenherausgabe mit Angaben der Kosten und der Unverhältnismäßigkeit, die anderen gaben die Daten heraus (Mobilkom mit 14.000 Datensätzen).


"Ja, ik wil"

Unser lieber Andreas Will auch... Wir freuen uns, herzlichen Glückwunsch und viele Grüße nach Berlin!

\hfillDeine STACHEL-Redaktion


Sozialkürzungen verhindern!

Am Donnerstag, 28.2.02, um 17 Uhr im PFL (!) findet die Sozialausschußsitzung statt, auf der über den Haushalt für das laufende Jahr abgestimmt werden soll. ALSO und "OL-2000" - soziales Netzwerk freier Träger für Oldenburg - rufen auf, diese Sitzung zu besuchen, um gegen geplante Kürzungen im sozialen Bereich zu protestieren. Die Politikerinnen sollen ihre Entscheidungen vor einer möglichst großen Öffentlichkeit rechtfertigen müssen.


Übung macht den Meister - Selbständig im Handwerk ohne Meisterbrief

Wer sich in Deutschland im Handwerk selbständig machen will, stößt auf die Grenzen der Handwerksordnung (HWO): Den Meisterzwang. Seit der Wiedereinführung des Meisterzwangs durch die Nazis wird in Deutschland mit der HWO und seit Bestehen der BRD mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit das Führen eines selbständigen Betriebes im Handwerk verhindert. Viele vertreten die Auffassung, daß damit hunderttausende von Arbeitsplätzen verhindert würden. Dagegen setzt sich der Berufverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker (BUH) zur Wehr.

Zur Geschichte des Meisterzwanges: Im Mittelalter entstanden die Zünfte als selbständige Organisationen und bestimmten die zünftige Ordnung und das gewerbliche Leben in den Städten. Jeder Gewerbetreibende mußte der Zunft beitreten (Zunftzwang). Nur Meister durften ihr Gewerbe selbständig ausüben. Insbesondere seit der Neuzeit wurde der Meisterzwang als Konkurrenzschutz gebraucht. Die Anforderungen an die Meisteranwärter wuchsen ins Unermeßliche. Wanderjahre, Mutjahre, hohe Einschreibegebühren, sowie hohe Ausgaben wie Meistertrunk hinderten viele Handwerker an der Aufnahmein die Zunft. Ein großer Teil der Menschen war von vornherein ausgeschlossen, weil sie nach den Regeln der Zunft als "unehelich" oder "unehrlich" galten.

Wenn eine Zunft geschlossen wurde, war es vollkommen unmöglich, als selbständiger Handwerker aufgenommen zu werden. Für Meistersöhne oder Schwiegersöhne galten wesentlich einfachere Zulassungsbedingungen. Wer ohne Meisterbrief arbeitete, wurde als Böhnhase, Stümper, Fretter oder Pfuscher verspottet und verfolgt. Im wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Wandel und mit der Französischen Revolution geriet das Zunftwesen immer mehr ins Abseits. Die Preußen schafften schlieslich den Zunftzwang und die Leibeigenschaft ab und führten die Gewerbefreiheit ein. Die Handwerksmeister forderten seit dem Niedergang der Zünfte immer wieder den Meisterzwang. Diese Forderung erfüllten erst 1935 die Nationalsozialisten, um auf diese Weise das Führerprinzip im Handwerk zu realisieren. Der Meisterzwang wurde nach 1945 in die Handwerksordnung übernommen. Wo im Dritten Reich noch unliebsame HandwerkerInnen kriminalisiert worden waren, mußten in der Bundesrepublik nun selbständige HandwerkerInnen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit fürchten lernen. Wer heute ohne Eintrag in die Handwerksrolle handwerkliche Leistungen im stehenden Gewerbe ausübt, gilt als "Schwarzarbeiter" und wird nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit mit Bußgeldern bis zu 100 000 Euro oder gar einer Betriebsschließung bestraft. Dabei ist es unerheblich, ob die Betreffende Steuern und Abgaben geleistet hat. Sie ist juristisch eine SchwarzarbeiterIn.

Nicht zuletzt aufgrund des Engagements des BUH gerät der Meisterzwang zunehmend unter Druck. Der BUH hält den Meisterzwang für eine Einschränkung der Berufsfreiheit, die durch Artikel 12 des Grundgesetzes garantiert sein sollte. Vor 40 Jahren urteilte das Bundesverfassungsgericht über den Meisterzwang, aber dieses Urteil wurde von Kritikern und Befürwortern des Meisterzwangs verschieden interpretiert.

Seit 10 Jahren kämpft der BUH gegen den Meisterzwang und qualifiziert sich immer mehr in Sachen Handwerksrecht. Zusammen mit befreundeten Organisationen und RechtsanwältInnen gelingt es immer wieder, den Handwerkskammer ein Schnippchen zu schlagen und HandwerkerInnen zur Selbständigkeit zu verhelfen. Auch in Oldenburg soll der BUH mit seinen "Stammtischen" und Infoveranstaltungen vertreten sein.

Am 6.3.02 treffen sich alle Mitglieder und Interessierte ab 19 Uhr "Bei Beppo". Hier gibt es alles über die neuesten Entwicklungen im Kampf für die Gewerbefreiheit, Tips und Tricks zur Gewerbeanmeldung und natürlich alles über die Ziele und Leistungen des Berufsverbands unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker. Unter anderem gehen 10% des Beitrags in den Rechtshilfefond, mit dem unsere Mitglieder bei juristischen Auseinandersetzungen unterstützt werden können.

Kontakt und InfoPaket: BUH e.V., Klein Breese 13, 29497 Woltersdorf, Tel.: 05841,973900 Fax: 973901, http://www.buhev.de

Termine: Demobeteiligung gegen Diskriminierung von HandwerkerInnen auf dem 1. Mai in Bremen. ("Tag der Schwarzarbeit") und voraussichtliche Beteiligung am Freimarktsumzug im Oktober in Bremen.


Rastafahndung unzulässig

Das Landgericht Berlin hat am 22.01.02 die Rasterfahndung gegen ausländische Mitmenschen für rechtswidrig erklärt. Doch damit ist das Thema keineswegs vom Tisch.

Was geschah bisher?

11.9.01: Ursache allenfalls erahnt, behauptet, erlogen. Entsetzliches Ergebnis hinreichend bekannt.

12.9.: Das neue Bremer Polizeigesetz tritt in Kraft. Neben der Einführung des "finalen Rettungsschusses" und verstärkter Videoüberwachung wird die Rasterfahndung als polizeiliche Ermittlungsmethode ersatzlos gestrichen.

20.9.01: Erste polizeiliche Einzelüberprüfungen an Unis und andernorts.

In den folgenden Wochen kommt es in ganz Deutschland (auch in Oldenburg) zu polizeilichen Datenanfragen. Die Unileitungen zögern, weigern sich - und kommen den Aufforderungen schließlich nach, d.h.: die Daten werden rausgegeben, die Betroffenen erhalten jedoch keine Informationen darüber, daß das Kriminalamt über sie ermittelt. Ohne konkreten Verdachtsmoment werden die Daten im Polizeicomputer gespeichert. Auf Bitte des AStA informierte die Uni-Leitung in Oldenburg nunmehr die betroffenen Studierenden.

26.10.01: Die Rasterfahndung wird Bestandteil des Bremer Polizeigesetzes. Nunmehr wird hierzu keine parlamentarische oder richterliche Absegnung mehr benötigt; Innensenator und Polizeipräsident dürfen allein handeln. Datenschutzbeauftragte werden nachträglich informiert.

November/ Dezember 2001: Rasterfahndungen landesweit.

Je nach Bundesland stehen 22-30 Länder auf der Kontrollliste. Übermittelt werden sollen vor allem Daten von sich legal aufhaltenden Ausländern, die unauffällig, allein stehend, mehrsprachig, und vermutlich islam. Glaubens sind. Weiterhin entspräche dem "Täterprofil" Reiselust, ein technisches Studium und bisherige kriminelle Unauffälligkeit. Also vieles, was ein ausländischer Mensch vorweisen muß, um überhaupt hier sein zu dürfen ...

Die Informationen werden mit Angaben der verschiedenen Landesbehörden, der Energieversorger, des Flugverkehrs und anderen sicherheitsrelevanten Unternehmen abgeglichen.

Eine Rasterfahndung ist laut Datenschutzbeauftragten nur dann möglich, wenn sie eine gegenwärtige Gefahr für den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines landes oder für Leben, Leib oder Freiheit einer Person abzuwehren hat. Eine solche Gefahr sei bisher weder dargelegt noch sonst ersichtlich gewesen.

Diese Auffassung bestätigte dieser Tage das Landgericht Wiesbaden. Es kam nun zur Auffassung, daß eine aktuelle Gefahr nicht gegeben ist. Damit folgte es jedoch lediglich der Position der Bundesregierung. Doch eine Rasterfahndung darf nur mit einer gegenwärtigen Gefahr begründet werden, die die höchste Steigerung des Gefahrenbegriffs darstellt. Das Landgericht Wiesbaden stellte jetzt fest, daß sich das Amtsgericht Wiesbaden in seiner Begründung lediglich auf Vermutungen stützt, die über "das Stadium von Mutmaßungen nicht hinauskommen".

Und Rasterfahndungen gehören ebenso wie Lauschangriffe zu den "vorbeugenden" Fahndungen, die rechtlichen Grundsätzen widerspricht, weil vor allem gegen Unverdächtige ermittelt wird. Freiheitliche Persönlichkeitsrechte werden nicht nur "angetastet", sondern massiv eingeschränkt. Datenschutz wird mit Terroristenschutz gleichgesetzt - "sicherheitshalber" ...

Dem Rassismus wird so neuer Nährboden gegeben.

Ein Pauschalverdacht gegen ethnische und religiöse Gruppen ist für ein mitmenschlich interessiertes Zusammenleben nicht tragbar.

Doch kann die Rasterfahndung tatsächlich der Terroristenfindung dienen?

Die Daten selbst bringen kaum neue Aufschlüsse, eher wird getestet, inwieweit Organisationsleitungen (auch die "Normal"bewölkung) bereit sind, der Polizei zu Hilfe zu eilen; weiterhin werden Ermittlungs- und Kontrollkompetenzen erheblich ausgedehnt.

"Wer die Freiheit im Namen der Sicherheit opfert, erhält weder die Freiheit noch die Sicherheit"

Der "sichere Kontrollstaat" ist gestartet und wird von vielen zu selbstverständlich unterstützt. Die Bremsen aus Berlin und Wiesbaden durch die Benennung der Rechtswidrigkeit sind kleine, aber wichtige Dämpfer in der innenpolitischen (Rück-)-Entwicklung, die einen durchschnittlich demokratischen Geist aufrütteln sollte.

Die durch Medien und Politiker verbreitete Angst vor unberechenbar alltäglich zuschlagendem Terrorismus wird dazu genutzt, das Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung weit über ein gesundes Maß hinaus zu wecken. Ein Feindbild (oder mehrere) waren auch schon immer praktisch im Krieg und bei anderen Machtdemonstrationen. Und humanitäre Kampfgründe machen aus dem Krieger von gestern einen Schutz(truppen)mann mit Sinn für Emanzipation von heute. (Die Frauen werden ent-, die Wurzeln und Ziele des Krieges verschleiert...)

Weiteres Material zum Thema gibt es im ASTA der C.v.O. Universität Oldenburg (Infoblatt für Betroffene), in den ASTA-Zeitungen OL und HB.

Infos zur Rasterfahndung allgemein: Eene meene muh - Rasterfahndung in Deutschland. ("Christiane Schulzki-Haddouti") http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/11411/1.html

Weitere Informationen zum Wiesbadener Prozeß: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11557/1.html

Telepolis: Rasterfahndung-Domino. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11792/1.html

Informationen zum Berliner Urteil: http://www00.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11643/1.html

 

 
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