Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/97      Seite 5
 
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Radio-Frequenzen für Oldenburg

InterCityLight

Wirklich groß war die Werbekampagne der Deutsche Bahn AG ja nicht für den InterCityNight. Am 10. Januar 1997 sollte es jedenfalls losgehen, zwischen Hamburg und München: Mehr Komfort in den Nicht-Schlafwagen der Nachtzüge. Der ICN1588/1589 ersetzt den D1588/1589, in dem es noch die gute, alte Nachttramperliege gab. Man soll jetzt also gemütlich sitzen statt liegen.

Am Abend des 12. Januar komme ich in den Genuß, dieses Angebot zu testen ... Es war nicht einfach, meinen Sitzplatz zu finden, denn die Nummern der Wagen sind nicht von außen erkennbar. An den Abteilen kleben hübsche Folien, die mich darüber aufklären, daß der vordere Teil dieses Wagens die Wagennummer 18, der hintere die Wagennummer 19 hat. Warum kleben die nicht außen an den Türen? Die Zugbegleiterin nennt diesen Wagen "Ersatzgarnitur". Ein Zugbegleiter wird von aufgebrachten Fahrgästen wild beschimpft, während er zum x-ten Mal versichert, daß er doch nichts dafür kann.

Was ist los?

Die DB AG hatte wahrscheinlich wirklich eine ganze Weile gehofft, den ICN am 10. Januar 1997 bereitstellen zu können. Anfang Januar ist aber offensichtlich klar, daß es den neuen Zug nicht vor März geben wird. Schon am 16. 12. wurde ich übrigens von einem zuvorkommenden Schalterbeamten darauf hingewiesen.

Na gut, habe ich gedacht, dann bekomme ich ja hinterher vielleicht einen Teil der Reservierungsgebühr zurück. Ich will ja auch den ganzen Service nicht, mir ist eigentlich egal, wie ich von München nach Hannover komme, nur bitte schnell und billig. Pustekuchen.

Der Zug, der mir am Abend des 12. Januar in München Hbf präsentiert wird, sieht zwar nicht sehr neu aus (in der Tat stammen die Wagen offensichtlich aus Reichsbahnbeständen), aber ein Informationsblatt im Abteil informiert mich über die Vorzüge dieses ICN: "... In diesem Zug erhöht die DB AG ab 10. Januar 1997 ihre Serviceleistungen. Diese Verbesserungen sind inclusive (ja, mit c, d.S.), d.h. mit der Reservierung Ihres Sitzplatzes bereits bezahlt ..." Ich dachte, die Reservierung eines oder mehrerer Sitzplätze kostet DM 3,-, die einer Nachttramperliege DM 8,-; warum habe ich dann hier DM 24,- bezahlt?

Was heißt hier "inklusive"?

Wohl nur, daß ich den Service nicht abbestellen kann, sondern dafür zahlen *muß*. Worin besteht denn eigentlich der Service? "... Für Ihr Wohlbefinden zur Nachtruhe erhalten Sie die Sleeperdecke." - 100% Polyester, etwa so groß wie ein Badetuch - die Teelöffel von meinem letzten London-Flug waren interessanter. "Morgen früh dürfen wir Ihnen eine große Portion Kaffee (oder Tee) und ein Croissant servieren. ..." Lese ich servieren? Fein, ich werde also mit einem dampfenden Tee und einem Croissant an meinem Platz geweckt ...

Pustekuchen: Wenn ich nicht nach Hamburg fahre, sondern nur nach Bremen, werde ich nicht geweckt. Und Tee und Croissant muß ich mir sowieso abholen, hat sich was mit servieren!

Wo bleibt der Service?

Wurde mir vielleicht rechtzeitig mitgeteilt, daß der ICN nicht termingerecht bereitgestellt werden kann? Nein, dem Zuvorkommen eines Mitarbeiters habe ich es zu verdanken, daß ich ein bißchen darauf vorbereitet wurde. Gab es am Bahnsteig eine Durchsage, mit der die DB AG sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt, die durch die nicht fristgerechte Fertigstellung entstehen? Gab es eine Durchsage, die auf die veränderten Wagennummern hinwies und damit den veralteten Wagenstandsanzeiger und die Verwirrung der "Ersatzgarnitur" ausgleicht?

Nein, es gab ein großes Chaos auf dem Bahnsteig, weil die Wagennummern nicht einmal von außen erkennbar waren. Lag vielleicht in den Abteilen ein Informationsblatt, daß mich über die aufgetretenen Probleme aufklärt, sich für die Verwirrung entschuldigt, und eine Entschädigung verheißt? Nein, es gibt ein Informationsblatt, daß die Vorzüge eines nicht vorhandenen Zuges anpreist.

Service heißt also bei der Bahn, daß ich im voraus für Leistungen bezahlen muß, die ich weder will, noch bekomme. Komisch, bei mir heißt Service zuerst, daß ich rechtzeitig Bescheid bekomme, wenn mein Vertragspartner absehen kann, daß er nicht in der Lage ist, seinen Vertrag einzuhalten. Und vielleicht bietet er mir selbstverständlich eine Entschädigung an, oder wenigstens eine höfliche Entschuldigung.

Boykottiert die Bahn!

Es kann ja mal was schiefgehen. Ein Serviceunternehmen erkennt man aber wohl an dem Bemühen, das es sich um seine Kunden macht: spätestens dann, wenn etwas schiefgegangen ist. Und da bleibt bei mir der eindeutige Eindruck, daß die DB AG sich so schnell nicht vom Monopolisten zum Serviceunternehmen mausert. Mit uns können sie's ja machen.

Bekomme ich denn meine Reservierungsgebühr nun zurück? Die Zugbegleiterin gibt mir eine eindeutige Auskunft: Nein. Wieder in Oldenburg versuche ich es aber trotzdem, und siehe da, zuvorkommende Mitarbeiter am Schalter sehen sofort ein, daß ich für Teilkomfort auch nur teilweise zahlen muß und erstatten mir den Differenzbetrag zu einer einfachen Reservierung anstandslos zurück.

Glück gehabt, Deutsche Bahn!

Die unkomplizierten Mitarbeiter versöhnen mich: Ich werde auch in Zukunft mit euren Zügen fahren. So geht es auch. Ach, wäre das schön, wenn ich die Wahl zwischen verschiedenen Bahngesellschaften hätte, ähnlich wie beim Fliegen. Leider habe ich keine Chance, die Bahn zu boykottieren.

Jan


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