Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/98      Seite 6
 
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Primatenforschung: Wird Information benötigt?

Dies war die Begründung des Vizepräsidenten für den Infoabend zum Thema "Primatenforschung in Bremen" am 8.12. im großen Hörsaal in Wechloy. Das Thema war in Bremen schon lange hochaktuell gewesen, in Oldenburg fühlte man sich jedoch anscheinend trotz des gemeinsamen Sonderforschungsbereichs, in dessen Rahmen die Versuche stattfinden sollen, nicht verantwortlich - jedenfalls äußerten sich die betroffenen Profs erst dazu, als schon einige Studenten auf die Problematik gestoßen waren. (Es lag dem SFB wohl nicht viel daran auch in Oldenburg eine öffentliche Diskussion anzustoßen.)

Wer noch immer nichts von der Thematik mitbekommen hat, hier eine kurze Einführung: In Bremen soll im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 517 (der paritätisch mit Oldenburger und Bremer Profs besetzt ist), auf Initiative des SFB-Vorsitzenden Prof. Dr. Roth, ein Primatenforschungszentrum entstehen.

Dr. Kreiter möchte dort Hirnforschung an Affen betreiben, wie er es schon vorher in Frankfurt machte, um Zusammenhänge zwischen Kognition und Verarbeitung im Gehirn zu bekommen. Dazu werden Makakenaffen zunächst unter Flüssigkeitsentzug dressiert, in den Primatenstuhl zu steigen. Dort werden sie später ca. sechs Stunden pro Tag, mittels Titanschrauben am Kopf fixiert, auf einen Monitor starren um auf Lichtpunkte zu reagieren (Mustererkennunsaufgaben).

Um die Gehirnaktivität zu messen, bekommen die Affen einen Führungszylinder in die Schädeldecke implantiert durch den hauchdünne Elektroden ins Affenhirn geführt werden. Nach zwei bis drei Jahren werden die Tiere getötet, damit im Gehirn die von den Elektroden gekennzeichneten Bereiche untersucht werden können.

Nun aber zum Infoabend: Enttäuschend bei diesem offiziellen Infoabend, veranstaltet vom SFB 517 und der Bio-Fachschaft, war zunächst einmal, daß, obwohl es um Information geht, es nur ein einseitig besetztes Podium gab, bestehend aus Prof. Dr. Roth (dem "Vater" des Projektes) und Dr. Kreiter (der Tierexperimentator) aus Bremen, und Prof. Dr. Ammermüller (Oldenburger Neurobiologe im gemeinsamen Sonderforschungsbereich).

Zunächst führte Prof. Ammermüller in die gesetzlichen Bestimmungen bei Tierversuchen ein, es wurde deutlich, daß das Tierschutzrecht ziemlich vage ist, und so viele Tierversuche mit dem Verweis auf die Freiheit der Forschung gemacht werden dürfen. Danach berichtete Roth über die Genese der Kontroverse.

Er widersprach dem Vorwurf, daß die Primatenforschung in einer "Nacht und Nebelaktion" durchgesetzt worden sei, da die Berufungsverfahren rechtlich korrekt abgelaufen seien. Hier ist allerdings anzumerken, daß es einige Sonderheiten bei der Berufung Kreiters gab, da er statt zwei nur einen Vortrag hielt. In der Berufungskommission meldete sich auch nachträglich Kritik an, weil die Stelle als theoretische Biologie ausgeschrieben war und Laien dahinter natürlich keine Primatenexperimente vermuteten. Deswegen kam auch erst Anfang 1997 Protest, als klar wurde, was hier beabsichtigt wird, obwohl das Berufungsverfahren schon 1995 begann. Roth versuchte auch die Behauptung zu entkräften, daß es sich um Doppelversuche handelte, hierzu sollte man bedenken, daß eine Versuchsreihe schon kein Doppelversuch mehr ist, wenn z.B. die Temperatur graduell verschieden ist. Weiterhin gibt es ähnliche Versuche über die Verarbeitung visueller Reize im Gehirn schon länger, sogar in Deutschland mit identischem Versuchsaufbau (Prof. Dr. Reinhard Eckhorn Marburg), allerdings wie Kreiters Doktorarbeit bisher ohne nennenswerte Erfolge für die Anwendung (Neuro-Report 5: 2273-2277; 1994).

Professor Roth meinte auch, daß es nur ein Gerücht sei, daß es um künstliche Intelligenz gehe (er selber glaube sowieso nicht daran), sondern eher um Krankheitsforschung. (Kreiter behauptete das nie, er sprach von reiner Grundlagenforschung). Dazu noch ein Zitat Roths von einer Fachtagung zum Thema "Was nützt uns die Gehirnforschung" in Bremen 1996: "Ob wir es schaffen werden, selbstbewertende Roboter und Computer zu bauen, das bleibt eine spannende Frage." Daß Roth hier scheinbar versucht, seine Motivationen an dieser Gehirnforschung zu verschleiern, erkennt man noch viel schneller, wenn man sein letztes Buch (Prof. Dr. Roth: Das Gehirn und seine Wirklichkeit, erschienen im Suhrkamp-Wissenschafts-Verlag) liest. Hier redet er von Mikrochips und Gehirnmanipulation beim Menschen, geradezu fanatisch folgt er dem deterministischen Zweig der Phiosophie und konstatiert: "Der Mensch hat keinen eigenen Willen". Dieses Postulat ist wohl die Legitimation den Menschen beliebig zu manipulieren, da wir sowieso nur "biologisch gesteuerte Maschinen ohne eigenen Willen sind bzw. ohne die Möglichkeit sind, selber Entscheidungen zu treffen". Die Philosophie-Professoren in Bremen haben jedenfalls auf diese Thesen hin ihre Kontakte zu Prof. Roth abgebrochen, da er hier deutlich zu weit geht und der philosophische Diskurs dieses kastrierte Menschenbild eigentlich schon längst überwunden bzw. widerlegt hat.

Kreiter stellte nun die Versuche vor (wobei Nichtbiologen Schwierigkeiten hatten zu folgen) und machte dabei einen sicheren Eindruck, auf seinem Fachgebiet...

Nach einer guten Stunde konnte das Publikum dann offene Fragen stellen, wobei Prof Ammermüller die Moderation übernahm. Prof. Roth machte bei den Fragen einen sehr autoritären Eindruck, einmal entgleiste er und brüllte "Seid Ihr wohl ruhig" ins Publikum. Roth ist ferner durch Äußerungen bekannt wie: "Studenten sollen Ihre Kreativität einbringen, aber sie sollen sich gefälligst unterordnen." Kreiter konnte die meisten Fragen ausreichend beantworten, nur einer ethischen Frage wich er aus, außerhalb seines Fachgebiets wirkte er unsicher.

Meist versuchte Roth bei Publikumsfragen die Beantwortung an sich zu ziehen.

Es wurde auch behauptet, die Forschung wäre im Dienste der gesamten Menschheit, beim Infoabend fiel allerdings auf, daß Nichtbiologen meist durch komplizierte Fachdiskussionen und abstrakte Antworten, von einer Partizipation ausgeschlossen wurden, es hatte den Eindruck als veranstalte die Bio-Fachschaft den Abend zum Selbstzweck, weil ethische Fragen nicht diskutiert wurden und im Raum stehen blieben. Die Fachfragen konnten Roth und Kreiter problemlos beantworten, sie haben mittlerweile auch schon einige dieser Infoabende absolviert.

Zwei Professoren aus dem Publikum brachten jedoch mit Ihren Fragen über die Aussagekraft der Zusammenhänge zwischen visuellem Reiz und der Verarbeitung im Gehirn, Dr. Kreiter und Prof. Dr. Roth in arge Bedrängnis. Oftmals ließ Prof. Ammermüller als Moderator das Publikum nicht ausreden und forderte kurze Fragen. Wenn vorher eine Stunde Vertreter des Sonderforschungsbereichs zu Wort kommen und keine Gegenpositionen im Podium vorhanden sind, sollte es wenigstens möglich sein, daß das Publikum auch seine Meinung äußern kann und nicht zu kurzen Fragen genötigt wird.

Vordergründig beantwortete Prof. Roth die Fragen meist ausschweifend mit viel Sachkenntnis, allerdings wich er einigen Fragen aus oder beantwortete sie so abstrahiert, daß ein Großteil des Publikums nicht folgen konnte.

Dem aufmerksamen Zuhörer fiel auf, daß sich Roth in Widersprüche verwickelte. So sagte er: "... die Entscheidung experimentell zu forschen fiel, nachdem sich so viele experimentell arbeitende Bewerber gemeldet hatten..." (Wohlgemerkt, die Stelle war als "theoretische Biologie" ausgeschrieben und es bewarben sich fast ausschließlich Tierexperimentatoren).

Später meinte Roth, er habe schon vor dem Bewerbungsverfahren mit der DFG abgesprochen, eine experimentelle Stelle einzurichten. Außerdem stritt Prof. Roth die Existenz des "Bremer Konsens" ab, wonach nicht an höheren Tieren experimentiert werden soll. Vor der VV an der Bremer Uni sagte er lediglich, daß der Bremer Konsens überholt sei. Kreiter dementierte ein Zitat aus der TAZ, in dem er äußerte, daß die Makakenaffen es im Labor nicht so schlecht hätten, weil sie in der freien Wildbahn vom Baum fallen und es Kämpfe untereinander gibt, so daß das Leben dort auch kein Zuckerschlecken wäre. Die Gemüter erhitzten sich nochmal am Ende, als es darum ging, daß Tierversuchsgegner gerne im Labor filmen wollten. Prof. Roth jedoch meinte, sie dürften nur ein anderes Filmteam begleiten, da er keine unseriösen Filmer im Labor haben wolle. In einer Fernsehsendung hieß es dazu, daß ein ZDF-Fernsehteam ebenfalls vergeblich um Zutritt bemüht war.

Dr. Kreiter meinte auch, daß die Bilder über Primatenversuche in den Medien meist falsch wären, sie würden nur zur Meinungsmache instrumentalisiert. Selber brachten Prof. Roth oder Dr. Kreiter aber komischerweise keine Bilder als Gegenbeweis mit.

Schließlich meinte Prof Roth noch, Bremen bräuchte dieses Primatenzentrum, weil in Bremen so viele gute Forscher auf diesem Bereich tätig wären. Kreiter mußte aber mit seinen Tieren erst nach Bremen kommen und die Kosten für das Primatenzentrum belaufen sich auf 3.5 Millionen DM, so daß es wohl sinnvoller wäre auf die freien Kapazitäten in Göttingen oder woanders zurückzugreifen.

Insgesamt fehlte bei diesem Infoabend eine fachliche Gegenposition, die Thematik hätte nicht so viel Diskussion in Bremen geweckt, wenn sie so eindeutig wäre, wie das Podium es darstellte (wobei auch das gesamte Podium über den SFB natürlich finanzielle Interessen verfolgt).

Wenn man die breite Opposition in Bremen anschaut, gewinnt man den Eindruck, daß man in Oldenburg das Vorhaben, möglichst ohne Diskussion und Widerstand durchsetzen will. Ralf S.


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