Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/98      Seite 1
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Eliten-Bildung?

An Oldenburger Schulen wird gespart

Schon bevor es zu den Bundesweiten Protesten der Studierenden kam, reifte in Kreisen der SchülerInnenschaft die Erkenntnis heran, daß die momentane Bildungspolitik einen unhaltbaren Zustand darstellt, den es gilt zu verändern. Angetrieben durch die Demos und Streiks der StudentInnen, mit denen sich die SchülerInnen häufig solidarisierten, manifestiert(e) sich dieser Widerstandswillen. Endlich ist es soweit, daß die SchülerInnen die Problematik erkannt haben und nun dazu bereit sind selbst aktiv zu werden. Die von den SchülerInnen initiierte Demonstration gegen Bildungsabbau am 23.01, die von den Studierenden, der Elternschaft, der GEW (also der LehrerInnen), vom DGB und vom LandesschülerInnenrat unterstützt wird, kann dabei nur der Anfang eines immer umfassenderen Widerstandes sein. Alle betroffenen Gruppen haben dabei die Verantwortung für eine Verbesserung der Situation einzutreten. Dies bedeutet, daß weitere, größere Aktionen, auch auf Landesebene, folgen müssen. Gleichzeitig muß auch ein stetiger Widerstand von den einzelnen Gruppen an den einzelnen Orten durchgeführt werden. Dies ist ein wichtiger Punkt an dem sich jeder einbringen kann. Perspektivisch sollten weitere Demonstrationen, phantasievolle Aktionen, Streiks, Projekte, Arbeitsgruppen und vieles mehr noch folgen. Wichtig hierbei ist es, daß sich alle Betroffenen am Widerstand beteiligen, so daß man uns nicht mehr übersehen oder übergehen kann, wie es offenbar bei den vor circa zwei Jahren erfolgten SchülerInnenstreiks der Fall war.

Die Tatsache, daß es ausgerechnet jetzt zu einer Entladung des aufgestauten Wutes über den Umgang mit Bildung kommt, ist bei folgenden Tatsachen nicht verwunderlich:

1997 wurden an allgemeinbildenden Schulen in Oldenburg 6 neue Lehrkräfte eingestellt, während 32 Lehrkräfte aus dem Schuldienst ausgeschieden sind. Dies entspricht einem Minus von 341,4 Unterrichtsstunden.

An berufsbildenden Schulen wurde eine neue Lehrkraft eingestellt und 17 sind aus dem Schuldienst ausgeschieden, was einem Minus von 274,5 Unterrichtsstunden entspricht. Dabei stiegen die SchülerInnenzahlen in Oldenburg um 306 an. Vor 5 Jahren erhielten die SchülerInnen ungefähr 20% mehr Unterricht.

Auf Landesebene sieht es ähnlich aus:

Die SchülerInnenzahlen in Niedersachsen erhöhen sich zwischen `89 und 2003 wahrscheinlich um 217.000 Menschen, was einem Anstieg von 27% entspräche. Um den Standard von `89 zu halten, müßten 10.000 weitere Lehrstellen geschaffen werden.

Im Angesicht der schwierigen Haushaltslage wird jedoch verfügt, daß 2% aller vorhandenen Lehrstellen eingespart werden müssen.

Was früher einer Unterrichtsversorgung von 93% entsprach, ist heute eine Unterrichtsversorgung von 100%.

Der Plan alle freiwerdenen Lehrstellen wiederzubesetzen, wirkt dabei eher lächerlich.

Unter den Folgen dieser Politik leiden die SchülerInnen jetzt schon. Die Klassenverbände nehmen eine Größe an, bei der ein vernünftiger Unterricht, geschweige denn eine individuelle Betreuung, kaum noch möglich ist. Desweiteren ist es für die LehrerInnen aufgrund ihrer stärkeren Belastung häufig nicht mehr möglich, AG`s, Projekte oder Klassenfahrten anzubieten. Der Lehrapperat ist völlig überaltert (ebenso wie die Ausstattungen der Schulen).

Die SchülerInnen müssen den gleichen Stoff in kürzerer Zeit durchnehmen. Darüber hinaus wird die Einrichtung von Integrationsklassen, vollen Halbtagsschulen und Integrierten Gesamtschulen erschwert oder völlig unmöglich gemacht.

Geld sei für den Bildungssektor nicht vorhanden, aber gleichzeitig stehen 33 Milliarden für eine schlagkräftigere Bundeswehr und Millionen für EXPO und ähnliche Prestigeprojekt zur Verfügung.

Diese Entwicklung stellt, vor allem im Hintergrund der sich verschlechternden sozialen Umstände, einen unhaltbaren Zustand dar. Bildung kann und muß in einem sozialen Zusammenhang gesehen werden. Es existieren verstärkt allein erziehende Elternteile, eine große Arbeitslosigkeit macht sich breit. Familien haben häufig nicht die Möglichkeit für eine ausreichende Sozialisation ihrer Kinder zu sorgen. Die Schulen, die also vermehrt diese Aufgaben übernehmen müssen, sind damit bei der momentanen Situation völlig überfordert. Ergebnis dieses Zusammenspiels von Sozial- und Bildungsabbau, ist z.B. die verstärkt auftretende Jugendkriminalität.

Doch Bildung und Bildungspolitik wird oft nur noch unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet. Soziologische Zusammenhänge, überhaupt das Sozialwesen, nimmt in dem Denken der PolitikerInnen offenbar nur eine zweitrangige Rolle ein. Dies wird z.B. ersichtlich, wenn Schröder fordert, daß Unis zu Institutionen werden müßten, die unter wirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden. Einer Studiengebühr steht also nicht viel im Wege.

Bildung wird bei der momentanen Tendenz nur noch den finanziell privilegierten an Privatschulen zur Verfügung stehen. Die Grundsteine für eine ElitenBildung werden gelegt. Dann werden Menschen, die keine ausreichende Bildung vom Staat erhalten und sich privat keine Leisten können, mit einem sozialen Ab- oder Ausstieg zu rechen haben.

Es bleibt zu hoffen, daß alle die Mißstände erkennen, zusammen etwas dagegen unternehmen und das nicht nur bei einer einzelnen Aktion, sondern solange, bis ihrer Forderungen erfüllt werden.

Für ein Uneingeschränktes Recht auf Bildung für alle, für eine lebenswerte Zukunft!

Heiner Koch


Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen.
Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.


 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum