Oldenburger STACHEL Ausgabe 1/98      Seite 14
 
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Zensur auf dem Jugendumweltkongreß

Das Umweltbundesamt zensiert Inhalte der Umweltbewegung

Die staatliche Finanzierung der Umweltbewegung ist so eine Sache, denn etwas ist doch dran am Spruch "Wer das Geld hat, hat die Macht." Das mußte jetzt die Jugendumweltbewegung erfahren, bzw. der Jugendumweltkongreß. In den letzten Jahren hat sie sich wenig Gedanken über Staatsknete gemacht und ist für verschiedene Projekte großzügig, vor allem vom Umweltbundesamt (UBA), bedacht worden. Doch spätestens seit einem Jahr gibt es damit Probleme:

Im Programmheft des Jukß 1996/97 sollte ein Artikel über den anstehenden Castor-Transport nach Gorleben erscheinen. Das UBA meldete jedoch Bedenken an - der Artikel erschien nicht im Programmheft und wurde auf dem Jukß lediglich als Flugblatt verteilt.

Scheinbar hatte das UBA Lunte gerochen, denn weitere Zensurmaßnahmen folgten:

* das UBA forderte die AuftraggeberInnen der "Jugendaktionsmappe Umwelt", den "Verein Mensch und Natur e.V.", auf, aus den bereits fertiggestellen Mappen die Seite mit der Adresse der Graswurzelwerkstatt, dem Koordinationsbüro der Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen e.V., zu entfernen. Andernfalls würden die Fördermittel des Umweltbundesamtes - immerhin 70.000 DM - zurückgefordert werden. Den Betroffenen blieb keine andere Wahl, auch wenn bereits verkaufte Mappen davon zunächst nicht betroffenen waren.

* Doch selbst das sollte sich ändern. Ende des Jahres legte das UBA nach und verlangte vom Verein Mensch und Natur e.V., sicherzustellen, daß auch bei bereits an die Projektwerkstatt Saasen verkauften Mappen die inkriminierte Seite ausgetauscht würde bzw. zumindest kein weiterer Vertrieb mehr erfolgen würde. Die rechtliche Grundlage dafür ist vollkommen unklar.

* Beim Jugendumweltkongreß kam es dann dicke. Zunächst kam ein Auflagenbescheid des UBA, daß die von "Mitgliedern der Redaktion Graswurzelrevolution, Oldenburg" angebotenen Arbeitskreise zu "Was ist Ziviler Ungehorsam?" und "Agenda 21 - Kritik und Alternativen" nicht stattfinden dürften. Mit Geldern des UBA dürften "extremistisch/anarchistische Gruppen" nicht unterstützt werden. Zwei andere Arbeitskreise sollten außerdem aus dem Kernprogramm ins freie AK-Programm verlegt werden, was zur Folge hatte, das keine Honorare gezahlt werden konnten. Das Vorbereitungsteam des Jukß beugte sich diesen Auflagen.

* In einem weiteren Auflagenbescheid kurz vor Weihnachten verlange das UBA dann, daß die inkriminierte "Aktionsmappe Umwelt" auf dem Jukß weder ausgelegt, beworben noch verkauft werden dürfe. Damit machte es die Jukß-OrganisatorInnen zu ZensorInnen, die von Infotisch zu Infotisch liefen und dort die ausgelegten Materialien gezielt nach der Graswurzelrevolution und der Aktionsmappe Umwelt durchsahen.

Auf dem Jukß selbst war die Situation grotesk. Von KritikerInnen des Jukß aus verschiedenen Projekten wurde aus Protest - nicht nur gegen das UBA, sondern auch gegen die inhaltliche Ausrichtung des Jukß - ein Raum besetzt, in dem freie Arbeitskreise stattfinden sollten. Derweil übten sich das Jukß-Team als staatlicher Zensor. Ein Tisch der Graswurzelrevolution durfte selbstverständlich nicht aufgebaut werden, und als wir dann einen Tisch unter dem Vordach aufbauten, war es auch nicht recht. Wir sollten noch ein Stückchen weiter weg gehen, denn so könnte es ja den Anschein machen, daß der Jukß uns dulden würde ... Hierin kam eine panische Angst vor "Under-Cover-AgentInnen" des UBA zum Ausdruck.

Eine deutliche Protestaktion des Jukß gegen diese Zensur kam nicht zustande. Es blieb bei einer Protestresolution, in der die Zensur durch das UBA verurteilt wurde. Zu kritisieren ist aber vor allem das Verhalten des Jukß-Teams im Vorfeld. Mit Zensurversuchen wurde nicht offensiv umgegangen. So wurde der erste Auflagenbescheid lediglich von der Graswurzelrevolution öffentlich gemacht. Das Jukß-Team dagegen hat sich allen Auflagen des UBA widerspruchslos gebeugt und teilweise sogar "Bitten" des UBA im vorauseilenden Gehorsam umgesetzt. So hatte das UBA ein leichtes Spiel, durch immer neue Auflagen das Jukß-Team in die Enge und in die Rolle des staatlich beauftragten Zensors zu treiben. Und auch dem UBA war klar, daß der Jukß finanziell vollständig am Tropf des UBA hing, und dieses Druckmittel nutzte es erbarmungslos aus.

Eine Lehre wurde von der Jugendumweltbewegung immerhin daraus gezogen: für den nächsten Jukß (voraussichtlich in Hannover) sollen andere Geldquellen aufgetan werden. Bleibt zu hoffen, daß diese sich nicht ähnlich wie das UBA gebärden ...

Und die Graswurzelrevolution wird sich durch solche Zensurmaßnahmen sicherlich nicht einschüchtern lassen. Und Staatsknete gibt "für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft" sowieso nicht.

Andreas Speck


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