Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/98      Seite 5
 
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Abschiebung: Ein Lotteriespiel mit dem Tod

"Ich werde in meinem Heimatland gesucht, mir droht Gefängnis, weil ich zum Boykott der Präsidentenwahlen 1993 aufgerufen habe," befürchtet Samahouna Youssaou. Dies hat der 36jährige Togoer auch bei seiner Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und bei dem Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Oldenburg vorgebracht. Genützt hat es nichts - der Asylantrag des bei Vechta lebenden Westafrikaners wurde vom Verwaltungsgericht in Oldenburg abgelehnt.

Youssaou arbeitete zusammen mit seinem Onkel Ali Akondo für die oppositionelle, inzwischen unregelmäßig aus dem Untergrund erscheinende Zeitung "La Lettre de Tchaoudjo". Er floh im Dezember 1993, nachdem sein Onkel verhaftet worden war. "Ich hatte Glück. Sie haben mich nicht erwischt, weil ich mich gerade zum Verkauf der Zeitschrift im Süden des Landes aufhielt", erzählt der gelernte Elektriker. Gesucht wurde er und sein Onkel, da ihre Zeitschrift die Wahlmanipulationen Eyadémas aufgedeckt hatte: Viele Oppositionelle hatten keine Wahlkarte bekommen. Außerdem standen auf den Listen von der Regierung gekaufte Menschen aus den Nachbarländern Ghana und Benin. Mit dem Ergebnis: Der seit über 30 Jahren herrschende Ex-Unterfeldwebel Gnassingbé Eyadéma wurde am 25. August 1993 mit angeblich 96 % als Präsident gewählt - bei einer Wahlbeteiligung von 36 %.

"Eine Marionette der Franzosen"

"Eyadéma wird die Macht niemals freiwillig abgeben", prognostiziert der Buchautor und Oppositionspolitiker Andoch Notepe Bonin, bei seinem Vortrag im Kulturzentrum PFL am 24. Januar. Nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung unterstützen heute den illegalen Machthaber, also werde er bei den Präsidentschaftswahlen dieses Jahr wieder auf Wahlbetrug und Einschüchterung setzen. Bonin weiß, von was er spricht. Zwischen 1979 und 1982 war er als Übersetzer und Berater für den Militärherrscher tätig, um - wie er selber sagt - "die Wahrheit über ihn herauszufinden". "Eyadéma ist Analphabet - eine Marionette der Franzosen", so die Bilanz des Sprach- und Literaturwissenschaftlers. Das Militär und die Bestechung seien seine beiden Machtinstrumente. Er bereichere sich an den Staatsgeldern und kaufe die Leute, die er auf seine Seite ziehen will. "1982 bot mir Eyadéma umgerechnet vier Millionen Mark an, damit ich schweige", erzählt Bonin. Der 59jährige ließ sich nicht kaufen. Er floh 1982 nach Frankreich und veröffentlichte dort drei Bücher, die alle in Togo verboten sind.

BMZ rät von Abschiebungen ab

"Eine freie Presse existiert zumindest in weiten Teilen der Zentral- und Nordregion Togos nicht, weil ihre Verbreitung lebensgefährliche Folgen haben kann." Ein Zitat aus dem im Dezember erschienen Länderbericht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Klare Worte spricht das Ministerium, das seit 1993 sämtliche Entwicklungsprojekte in Togo wegen der katastrophalen Menschenrechtssituation auf Eis gelegt hat, auch über die Situation von Flüchtlingen: "Trotz des Amnestiegesetzes ist die Rückkehr der prominenten sowie der unbekannteren politisch Aktiven ausgeschlossen bzw. nicht ratsam." Der äußere Anschein einer verbesserten Lage in dem westafrikanischen Land käme dadurch zustande, daß "die Menschenrechtsverletzungen in dem vor allem von Ausländern weniger beobachteten Landesinneren begangen werden, und die Opfer zudem weniger prominent als in der Vergangenheit sind."

Lotteriespiel mit tödlichem Ausgang

Einige Oberverwaltungsgerichte (OVG) schließen sich der Meinung an, daß abgeschobenen Togoern große Gefahr droht. Dazu gehören das OVG Saarland, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Genau die gegenteilige Meinung vertreten jedoch die OVG in Bayern, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Letztere beziehen sich auf Veröffentlichungen des Auswärtigen Amtes. Darin heißt es: Das Eyadéma-Regime würde einzelne, politisch aktive Oppositionelle verbal einschüchtern, bedrohen, schlagen, von ihrem Wohnsitz vertreiben, foltern, ermorden oder auf grausame Weise hinrichten. Doch trotzdem stuft das Auswärtige Amt die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung von aktiven Anhängern der nichtextremistischen gewaltlosen Opposition gering ein. Und so wird auch der Asylantrag von Youssaou vom Oldenburger Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, es bestehe "keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für politische Verfolgung". Asylgesetzgebung wird hier zum Lotteriespiel, bei dem Gefängnis, Folter und Tod als Trefferquoten mit geringer Wahrscheinlichkeit gelten.

"Sie wollten unseren Tod"

Wen es allerdings bei diesem gefährlichen Lotteriespiel trifft, den trifft es hart - wie der Fall Comla Gbati Nadjombe zeigt. Bei seiner Abschiebung am 12. Januar 1994 wurde der Togoer nach Angaben der "Aktion Abschiebestop" in Begleitung eines deutschen Polizisten im Flughafen der Hauptstadt Lomé direkt dem Militär übergeben. 19 Monate lange wurde er in Gefängnissen festgehalten, gefoltert und zu harter Arbeit gezwungen, bis er mit Hilfe eines Polizisten erneut nach Deutschland fliehen konnte. "Wir mußten auf den Feldern der reichen Barone von morgens bis in die Nacht arbeiten. In der Nacht wurden Lampen an Ketten um unseren Hals gehängt, und sie peitschten uns von hinten aus, wenn man vor Erschöpfung die Arbeit unterbrach. Einmal am Tag gab es Essen", berichtete Nadjombe bei einer Pressekonferenz am 27. November in München. "Sie wollten unseren Tod", denn Asylbewerber gelten als Landesverräter. Eyadéma macht sie in der Regierungserklärung in der regimetreuen Tageszeitung "Togo-Presse" am 3. November dafür verantwortlich, daß Deutschland die Entwicklungszusammenarbeit gestoppt hat: "Das Phänomen, das in den letzten sieben Jahren am meisten dazu beigetragen hat, den Beziehungen zwischen Togo und Deutschland einen sehr negativen Stempel aufzudrücken, sind die ´togoischen politischen Flüchtlinge in Deutschland´. Diese Bezeichnung ist ein wahrer Sammelbehälter für alles, in dem jeder, wenn er nur zu lügen versteht, seinen Platz an der Sonne findet."

Verfahrensfehler oder Befangenheit?

Daß die togoischen Flüchtlinge lügen, wirft ihnen auch das Verwaltungsgericht in Oldenburg vor und glaubt die Fluchtgründe nicht. "Trotz neuer Beweise bei den Eilanträgen für meine Mandanten Samahouna Youssaou und Sewa Wilson hat der Verwaltungsrichter sein altes Urteil zitiert", ärgert sich Barbara Ginsberg. Deshalb stellte die Rechtsanwältin einen Befangenheitsantrag, um zu erreichen, daß ein anderer Richter mit den Fällen beauftragt wird. Vergeblich! Ihr Antrag wurde von der 1. Kammer des Verwaltungsgerichtes abgelehnt.

Auch Rechtsanwalt Gerhard Gené aus Bremen ist nicht gut auf das Oldenburger Verwaltungsgericht zu sprechen. Er wirft dem für Togo zuständigen Richter einen "eklatanten Verstoß" gegen die Verwaltungsgerichtsordnung vor. Der Rechtsanwalt stellte einen Antrag auf Verschiebung der mündlichen Verhandlung, da ihm die Akte seines Klienten Mohamed Ali nicht vorlag. Ein ganz normaler Vorgang, meint Gené, auf den das Gericht normalerweise eingehen müßte. Der Richter lehnte den Antrag jedoch ab und wird nun sein Urteil ohne Anhörung des Flüchtlings schreiben.

Dies ist kein Einzelfall: In Bremen wurde die Rechtsanwältin Renate Blöhbaum gar nicht erst zur mündlichen Verhandlung ihres Mandanten Issah M. eingeladen. Wie die TAZ Bremen berichtete, wurde der Asylantrag des 30jährigen Togoers in seiner Abwesenheit abgelehnt und Issah M. bereits am 8. Januar nach Togo abgeschoben. Dort kam er zwei Tage in Haft. Seit er ins Landesinnere weiterreisen konnte, fehlt jegliches Lebenszeichen (siehe TAZ Bremen vom 10/11. und 17/18. Januar).

Die Wahrheit bleibt im Dunkeln

Issah M., einer von 8.000 Asylbewerbern, die der togoische Botschafter in Bonn laut der oppositionellen Wochenzeitung "Nouvel Echo" zurückschicken will. Deshalb spielt die Landesvertretung bereitwillig bei der Organisation von Abschiebungen mit. Sie scheint dafür verantwortlich zu sein, daß am 3. November 1997 in der Regierungszeitung "Togo-Presse" die Parteiausweise von zwei zu dieser Zeit in Deutschland in Abschiebehaft sitzender Togoer auftauchten. Wie das? Bei Flüchtlingen, die keinen Reisepaß besitzen, muß die Botschaft eine Reiseerlaubnis ausstellen, bevor die Abschiebung in die Wege geleitet werden kann. Dazu wird ihr von der Ausländerbehörde die Akte des Asylbewerbers zugeschickt. Kein Problem also, die wichtigen Informationen an den togoischen Geheimdienst weiterzuleiten. Für die beiden Männer in Abschiebehaft war diese Veröffentlichung ein Glück, denn sie wurden entlassen und ihre Abschiebungsandrohung - wegen akuter Gefährdung im Heimatland - zunächst aufgehoben. Doch wie vielen anderen diese Praxis bereits Kopf und Kragen gekostet hat, bleibt im Dunkeln.

Bärbel Epp


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