Oldenburger STACHEL Ausgabe 2/98      Seite 15
 
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Tschernobyl: Es ist lange her, aber noch lange nicht vorbei

Es war eigentlich ein schöner Monat als uns im April 1986 stückweise Nachrichten über eine "Havarie" in einem sowjetischen Atomkraftwerk erreichten. Viele von Euch haben es vielleicht noch in der Erinnerung, als auf zunehmende Beschwichtigungsversuche der noch neuen CDU-Regierung zunehmende Besorgnis in der Bevölkerung erfolgte. Die Zeit, als Mütter sich die Sorgen um nichtkontaminiertes Essen machten, und der spinnende Öko-Nachbar mit seinem Selbstbau-Geiger-Zähler zum gefragten Gesprächspartner wurde.

Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen! Die zum Zeitpunkt dieser größten Katastrophe in der zivilen Nutzung der Atomtechnik herrschenden Wetterbedingungen bewahrten uns davor, ein verseuchtes Land zu bekommen.

Auf der anderen Seite war der Ausbau der Atomtechnik in Deutschland endgültig nicht mehr durchsetzbar. So haben wir nur die bereits errichteten oder im Bau befindlichen Atomkraftwerke als Gefahrenherde in unserem Land stehen. Wir haben zwar ein Atomkraftwerk in Esenshamm, aber wir haben keines in Emden und keines in Wilhelmshaven, wie Anfang der 80er Jahre noch geplant.

Die Menschen in der Umgebung von Tschernobyl haben da eine anderes Los erlitten. Längst sind sie aus den Schlagzeilen verschwunden und bei vielen auch aus den Köpfen. Sie wurden zuerst nicht oder falsch informiert. Viele wurden aus der direkten Umgebung umgesiedelt, aber viele müssen in der ebenfalls belasteten Tschernobylzone leben.

Viele Menschen in der ehemaligen Sowjetunion leben zu großen Teilen von Lebensmitteln, die sie selber anbauen. Dieses gilt besonders für die verarmte Tschernobylzone.

Gegenwärtig, nachdem etwa 130.000 Menschen aus den am meisten betroffenen Bezirken umgesiedelt wurden, ist die äußere Strahlengefahr gering. 70 bis 90 Prozent der Dosenbelastung erhält die Bevölkerung durch den Verzehr einheimischer Nahrungsmittel.

Dafür wurde im Jahre 1991 das Belarussische Institut für Strahlensicherheit "Belrad" gegründet. Institutsziel ist die Ausarbeitung von Strahlenschutzmaßnahmen für die Bevölkerung. In diesem Rahmen wurde ein Meßnetz von 370 lokalen Lebensmittelkontrollzentren aufgebaut.

Viele Menschen sind müde geworden, viele wollen nicht mehr wissen, was sie essen; oftmals weil sie nicht glauben, daß ihr Wissen noch etwas ändern könnte. Doch gerade junge Menschen und insbesondere Eltern wollen trotz der schwierigen Bedingungen für sich und ihre Kinder die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten. Dazu ist das Meßnetz das einzige praktikable Mittel. Aufgrund der politischen Verschlechterungen in Weißrußland wurde dem Institut kürzlich der Geldhahn für das Meßnetz abgedreht. Die politische Führung versucht, die Tschernobylfolgen vergessen zu lassen.

Eine Meßstelle kostet im ganzen mit Personal und allem anderen 1283 DM pro Jahr. Ein für unsere Verhältnisse lächerlich geringer Preis für mehr Gesundheit.

Um das beabsichtigte Zusammenbrechen des Meßnetzes zu verhindern und den betroffenen Menschen weiter helfen zu können, versucht das Institut mit Unterstützung ausländischer Freunde Spenden zu bekommen. Dazu und um über die Verhältnisse in Weißrußland aus erster Quelle zu berichten, bereist Herr Professor Wassily Nesterenko, der Leiter von "Belrad", derzeit Deutschland. Er spricht während der Reise mit Bundestagsabgeordneten in Bonn, hält wissenschaftliche Vorträge und berichtet in Informationsveranstaltungen u.a. in Hannover, Braunschweig und Bremen. Am Dienstag, den 10. März 1998, kommt er auch nach Oldenburg. Um 16:00 Uhr ist er in der Uni in Wechloy zu einem Fachgespräch mit Kollegen und Studierenden, und um 20:00 Uhr stellt er im PfL die Situation um Tschernobyl dar..

Thomas Myslik. BUND Oldenburg


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