Oldenburger STACHEL Ausgabe 3/98      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

RUZ ohne Umweltverbände?

Ringen um die Macht im Regionalen Umweltbildungszentrum (RUZ). Die erste Runde geht an die Stadt.

Der Katzenjammer war groß. "Die Stadt verweigert den Umweltverbänden eine Mitgliedschaft im Vorstand des RUZ", lautete die Hiobsbotschaft auf der letzten Beiratssitzung des Umwelthauses. Sollte sich dies bestätigen, verlören die Umweltverbände an Einfluß auf die schulische Umweltarbeit. Das träfe umso härter, als sich Mitglieder des Umwelthauses für die Gründung des RUZ besonders eingesetzt und die Einrichtung dieser schulischen Umweltbildungsstätte im Herbst 1997 als besonderen Erfolg ihrer Vorarbeit gefeiert hatten (siehe Stachel 10/97, Klappräder für das RUZ).

Kampf um Meinungsführerschaft

Zweifellos muß die Umweltarbeit der ihren festen Platz in den Schulen haben. Wenn sich dies in Zusammenarbeit mit der Stadt gestalten läßt, umso besser. Davon ließen sich Verbindlichkeit und Kontinuität erwarten. Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen, die bei der RUZ-Gründung fragten, ob der Rote Teppich, den man der Stadt hier ausrollte, nicht zur Rutschbahn für die Umweltverbände werden könnte. Da es letztlich um den Einfluß auf die Umweltpolitik gehe, könne sich die Stadt als harter Partner erweisen. Schließlich stelle die Arbeit der Umweltverbände, bei Licht betrachtet, eine permanente Kritik an der herrschenden Umweltpolitik dar. Die Maßstäbe für das, was Umweltschutz ist oder sein soll, würden bis jetzt von der außerparlamentarischen Umweltbewegung gesetzt. Die politische Kraft der Umweltverbände läge neben der reinen Sachinformation in ihrer fundierten Kritik an den Sonntagsreden der Politiker, den falschen Maßnahmen der Verwaltung und den Beschwichtigungen von Seiten der Parteien. Die Stadt könne dies nur als Ärgernis empfinden. Sie sähe sich ständig in Frage gestellt und geriete gegenüber den Schulen in Rechtfertigungszwänge. Es dürfe also niemanden verwundern, wenn die Stadt nach Wegen sucht, den Einfluß unabhängiger Umweltgruppen von ihren Schulen fernzuhalten. Mit einem RUZ unter ihrer eigenen Ägide käme sie diesem Ziel näher und könne sich auch noch als der kompetentere Partner im Umweltschutz darstellen. So mache sich der Bock selbst zum Gärtner, und es würde dann nicht mehr lange dauern, bis die selbsternannten Umweltschützer von der Industrie als sogenannte Sponsoren in den Schulen den ökologischen Ton angeben.

Bock und Gärtner

Daß diese Befürchtungen nicht übertrieben waren, bestätigten sich jetzt durch das erste vom RUZ herausgegebene Veranstaltungsverzeichnis. In den dort aufgeführten 31 Veranstaltungen, von denen viele von den Verbänden inhaltlich formuliert und getragen werden, tauchen deren Namen überhaupt nicht auf. Die einzigen namentlich genannten Veranstalterinnen sind die Polizei und die Landwirtschaftskammer Weser-Ems. Erstere bringt die "Aufgaben der Polizei im Umweltschutz" aufs Programm, was aus ökologischer Sicht nie unkommentiert bleiben sollte. So ist beim Thema Verkehr und Umwelt stets mit Defensivregeln nach dem Motto "Radfahrer absteigen" zu rechnen. Die Landwirtschaftskammer, die mit der Veranstaltung "Landwirtschaft: Kennenlernen, Anfassen, Begreifen, Besuch eines landwirtschaftlichen Lehrpfades" auftritt, ist bekanntlich eine Interessenvertretung des chemisch-industriellen Landbaus und damit hauptverantwortlich für die bekannten Umweltschäden infolge die "moderner" Landwirtschaft. Sie ist natürlich auch eine erklärte Gegnerin des ökologischen Landbaus. Kann eine solche Einrichtung im RUZ erst Fuß erst fassen, wie lange dauert es dann noch, bis der Atomkonzern EWE die Unterrichtsgestaltung in Energie- und Umweltfragen an sich reißt?

Umweltbildung zum Nulltarif?

Für das Umwelthaus folgt nun der Kater und die bittere Einsicht, daß man erst einmal einer Revision des städtischen Entschlusses hinterherlaufen kann. Sollte dies ohne Erfolg bleiben, erschwert sich die künftige schulische Umweltarbeit beträchtlich. Nun ist man auf Gnade der Stadtverwaltung angewiesen, muß Wohlverhalten zeigen, die Arbeitszeit und Kompetenz zum Nulltarif anbieten und sich obendrein gefallen lassen, daß die eigenen Unterrichtskonzepte abgekupfert werden.

Damit wurde das Gegenteil dessen erreicht, was sich die Umweltschutzgruppen mit dem RUZ erhofften und was ihnen längst zustände: Neben einem besseren Zugang zu den Schulen vor allem Partizipation, Anerkennung ihrer Kompetenz, Honorierung ihrer Arbeit, Mitbestimmung - alles übrigens Merkmale des des vielzitierten Agenda-Prozesses, in den sich auch die Stadtverwaltung bereits eingemischt hat (man darf gespannt sein, mit welche Intention). Wo es um tatsächlichen Einfluß, um Honorare oder doch zumindest Kostenausgleich geht, wird den Verbänden also die Tür vor der Nase zugeschlagen, während sich die Stadt medienwirksam als Förderin von Umweltschutz und lokaler Agenda präsentiert.

Das falsche Konzept

Doch nicht durch mangelndes Verhandlungsgeschick schlitterten die Umweltverbände in diese Situation, sondern durch ihre grundsätzliche Fehleinschätzung. Die Crux liegt im RUZ-Konzept. Da sich der Staat den Forderungen nach schulischer Umweltbildung auf Dauer nicht verschließen konnte, geriet er in ein Dilemma. Externen Sachverstand kann er in Schulen nicht beschäftigen, ohne der Notwendigkeit von Kostenausgleichen, Honoraren oder gar neuen Arbeitsplätze zuzustimmen. Andererseits scheut er jede zusätzliche Geldausgabe. Nun hilft er sich aus der Patsche, indem er die notwendige Mehrarbeit durch Verfügungsstunden ableisten läßt. Im Klartext: Lehrer im festen Anstellungsverhältnis werden mit einigen Wochenstunden für die Umweltbildung in ihren Schulen freigestellt. Damit wird die schulische Umweltbildung zwar auf Lehrerniveau bezahlt, jedoch ohne daß der externe Sachverstand davon profitiert. Das Geld bleibt bei den Lehrern. Nebenbei wird die ohnehin knappe Unterrichtsversorgung weiter verringert.

Beim schulischen Energiesparen, das derzeit hektische Aktivitäten verursacht, ist die Situation noch krasser. Energiesparen heißt Geld sparen, der Fiskus entlastet sich von laufenden Kosten. Die Stadt kann Hunderttausende Mark jährlich allein durch Verhaltensänderungen der Schüler und Lehrer sparen. Überdies stehen ihr Fördermittel zu (,Nessi"-Programm der Landesregierung). Die dazu notwendige Dienstleistung gibt sie jedoch nicht extern in Auftrag, obwohl sie sie aus den Einsparungen finanzieren könnte, sondern läßt sie von Schülern und Lehrern zum Nulltarif verrichten - auf Kosten der Unterrichtsversorgung.

Keine Mitarbeit ohne Mitbestimmung

Umweltgruppen, die dieses Konzept unreflektiert unterstützen, machen sich zu Apologeten einer verfahrenen Schul- und Umweltpolitik. Zugleich versäumen sie den notwendigen Nachdruck auf Forderungen nach bezahlter Umweltarbeit und zusätzlichen Arbeitsplätzen, die im Umweltschutz schon lange fehlen. Das RUZ-Konzept, erdacht von der Bezirksregierung und beklatscht von den Parteien einschließlich der Grünen, spielt Ausbildungs- und Arbeitsplatzinteressen gegen den Umweltschutz aus. Die Oldenburger Umweltverbände täten gut daran, den Kotau vor diesem Konzept zu vermeiden. Ihre Forderung sollte lauten, im RUZ mitzubestimmen und bezahlte Stellen zu schaffen oder das RUZ als einen verlängerten Arm der desolaten städtischen Umweltpolitik einzustufen und entsprechend davor zu warnen.

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Ingo Harms


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