Oldenburger STACHEL Ausgabe 4/98      Seite 6
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Alles Jacke wie Hose?

Höhepunkt und Abschluß der mehrjährigen "made in dignity"-Kampagne ist der 3. Europäische Weltladentag am 9. Mai

Welttextilproduktion und "Fairer Handel" sind Thema des am 9. Mai stattfindenden "3. Europäischen Weltladentag". Unter dem Motto "made in dignity - Hergestellt in Würde" werden an diesem Tag entwicklungspolitische Gruppen und Weltläden europaweit über die unfairen Bedingungen in der Textilbranche informieren und Möglichkeiten aufzeigen, wie es anders gehen kann.

"Weißes Gold...

Der Deutschen Lieblingsstoff ist aus Baumwolle. Heute wird sie auf einer Fläche von rund 33 Millionen Hektar, einer Fläche so groß wie die BRD, angebaut. China, Indien, Pakistan, Usbekistan und die USA produzieren dabei den Löwenanteil mit ca. 20 Mio. Tonnen, weitere 12 Haupterzeuger schaffen gerade mal noch eine Million Tonnen zusammen.

Die Abhängigkeit der baumwollerzeugenden Staaten von diesem Exportgut ist unterschiedlich ausgeprägt. Aufällig ist aber, daß gerade die ärmsten der armen Länder, allesamt afrikanische Kleinstproduzenten, von den Erlösen des Baumwollexportes als Devisenquelle in hohem Maße abhängig sind: der Tschad zu 80%, Benin zu 60%, der Sudan und Burkina Faso jeweils zu 50%.

... - Weißer Tod"

Da sich die Anbaufläche in den letzten 15-20 Jahre kaum vergrößert hat, der Ernteertrag aber um nahezu das fünffache gestiegen ist, ist dies auf den entsprechend erhöhten Einsatz wachstumförderder Mittelchen zurückzuführen. Allein 150.000 Tonnen Pestizide werden jährlich auf die Felder - und die dort arbeitenden Menschen - gesprüht. Hinzu kommen noch Unmengen von Entlaubungsmittel, Wachstumsregulatoren, Fungizide (gegen Pilzerkrankungen) und Akarizide (gegen Spinnmilben).

All dies geschieht nicht ohne negative Folgen: Nach Angaben der WHO kommt es so jährlich zu 3 Millionen Vergiftungenfällen bei den PlantagenarbeiterInnen. Hochrechnungen anderer Quellen ergaben jährlich zwischen 1 und 25 Millionen Fälle "unbeabsichtigter Vergiftungen". Die Angaben über tödlich endende Pestizidvergiftungen schwanken von 20.000 bis nahezu 220.000! Laut der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) sind dabei bis zu 99 Prozent der Todesfälle in den Entwicklungsländern zu beklagen.

Vergegenwärtig mensch sich die Tatsache, daß Textilien, die auf Baumwolle hergestellt worden sind, gewichtsmäßig nur aus 80 % Baumwolle und 20 % Chemikalien bestehen, ist es nicht verwunderlich, wenn selbst das renomierte Bremer Baumwollinstitut bei Bekleidungstextilien rät: "Erst waschen, dann tragen!"

Das es auch anders geht, wissen wir seit langem. "Bio-Baumwolle" ist längst keine Utopie mehr. Vorreiter sind hier ProduzentInnen in der Türkei, Indien und Ägypten.

Mit Schnuller bei der Arbeit

Ein weiterees Problem im Baumwollgeschäft sind die Arbeitsbedingungen. Nur 100.000 der geschätzten weltweit 13 Millionen Arbeitsplätze im Baumwollanbau existieren in den Industrieländern. Dies ist nur zu einem Teil mit den vorhandenen Böden und ungünstigen Klimabedingungen erklärbar. In den Industrienationen wurden durch Einsatz von Chemikalien und Erntemaschinen viele Arbeitsplätze vernichtet, die Ertäge gleichzeitig erhöht.

Anders in den Entwicklungsländern: hier liegen die Lohnkosten derart niedrig, daß sich Handarbeit für die Plantagenbesitzer weiterhin lohnt. So betragen die Löhne in Afrika oft nicht einmal 50 Pfennig pro Stunde, in Pakistan und Indien liegen sie eher bei 10 bis 15 Pfennigen. Kinderarbeit wird unter diesen Umstände für die betroffnenen Familien unentbehrlich. Im brasilianischen Bundesstaat São Paulo ist nach Schätzungen etwa jeder siebte Erntearbeiter unter 14 Jahre alt. Nicht wenige sogar deutlich unter zehn.

Der Weg eines T-Shirts: Von Usbekistan...

Wer glaubt, T-Shirts werden da gefärbt und zusammengenäht, wo die Baumwolle wächst, irrt sich gewaltig. Nicht selten umrundet ein T-Shirt bzw. das, was mal ein solches werden soll, zunächst erst einmal den Erdball, um dann hierzulande in den Geschäften zu landen.

Und das kann so aussehen: die Baumwolle wird in Usbekistan angebaut, gepflückt und nach Indien verfrachtet. Dort wird sie gefärbt. Die bunten Stoffballen reisen dann weiter nach Südkorea. Hier werden sie nach Mustern, die nicht selten in Deutschland entworfen worden sind, zugeschnitten. Das gleiche südkoreanische Unternehmen läßt die Stoffe dann in Lateinamerika in den sogenannten "Welttextilfabriken" zusammennähen.

...über Indien und Lateinamerika...

Das System der globalen Bekleidungsherstellung ist mittlerweile derart perfektioniert worden, daß zwischen Design-Entwicklung, Ernte und Verkauf nicht mal mehr vier Wochen liegen. In unserer schnellebigen, äußerst modebewußten Welt ein nicht zu unterschätzender Aspekt. E-Mail und Internet beschleunigen diesen Prozeß noch: es gibt nahezu keinen Verlust mehr an "Informationszeit".

...nach Deutschland

Weltweit läßt sich sozusagen in "Nullzeit" kommunierzieren, absprechen und auf die immer schneller wechselnden Trends entsprechend reagieren. Firmen, die zudem über ein weltweit gesponnenes, enges Fabrikennetz verfügen sind unbestreitbar im Wettbewerbsvorteil. Wie etwa das bundesdeutsche Versandhaus OTTO, dem mit seinen 8.000 weltweit verstreuten Produktionsstätten weltweit größtem Versandhaus.

Die "Welttextilfabrik"

Nicht selten befinden sich derartige Fabriken in sogenannten "Freihandelzonen" in asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Fabriken als "Ausland" im Land. Orte der Billigproduktion unter Ausschaltung einfachster Arbeits- und Gesundheitsschuztmaßnahmen.

Ausländische Firmen ködern die jeweiligen Regierungen mit den Versprechen, zum Abbau der Arbeitslosigkeit beizutragen und zudem die Ausbildung in Arbeit industrieller Form zu gewährleisten.

Dafür verlangen sie nicht vielmehr als Steuererleichterungen, Zollfreiheit für ihre Rohstoffe und völlig freie Hand in Belangen der Umweltauflagen sowie der arbeits- und gesundheitsrechtlichen Bestimmungen. So werden z.B. die sozialen Schutzbestimmungen ignoriert und Gewerkschaften nicht zugelassen.

Ein Preis, den immer mehr Länder zu zahlen bereit sind. So arbeiten in Guatemala mittlerweile über 50.000, zumeist Frauen bis 25 Jahre, in solchen Fabriken.

"Anderen wird der Mund mit Klebeband verschlossen..."

Der AG3WL liegen Aussagen von jungen ArbeiterInnen vor, in denen sie von ihren Arbeitsbedingungen in derartigen Fabriken berichten. Einige Auszüge verdeutlichen das Dilemma:

"Zoila arbeitet in einer Freihandelszone in Guatemala-Stadt.Sie näht 3.000 Hemdkragen pro Tag. Während der Arbeit sind (sie) in der Fabrik eingeschlossen.(...) Gespräche mit anderen Arbeiterinnen sind verboten. Wenn sie ohen erlaubnis der Aufseher zur toilette geht, wird sie geschalgen. Arbeitszeiten von 15 Stunden sind normal.(...)

Tran Pu arbeitet (...) in der Pauchen-Schufhfabrik (...) in Vietnam.Jeden Tag werden sie und ihre Kolleginnen erniedrigt. (...). Anderen wird der Mund mit Klebeband verschlossen wird - als Strafe dafür, daß sie sich während der Arbeit unterhalten hatte.

Veena lebt (...) in Indien. (...) Oft arbeitet sie von morgens 9 Uhr bis abends 10 Uhr und gleich im Anschluß wieder acht Stunden bis zum nächsten Morgen. Um 9 Uhr beginnt wieder die Früschicht. (...) Die Fehler, die sich dabei zwangsläufig einstellen, müssen die Arbeiterinnen durch zwei volle Tage Arbeit ohne Bezahlung "wiedergutmachen"."

"Der Handel muß handeln!"...

... fordert der Dachverband der deutschen Weltläden. Es reiche nicht aus, faire Waren allein über die Weltläden zu verkaufen. Auch die Konzeren sollen ihre Verantwortung für die sozialen Bedingungen anerkennen. Und nicht nur auf der Ebene des Verkaufs, der ihnen direkt untersteht, sondern auf allen Ebenen der Produktion. Nur so könne sich langfristig etwas verändern.

Eingefordert wird die Anerkennung der wichtigsten internationalen Arbeitsrechte, wie sie von der ILO formuliert worden sind, ihre Umsetzung und die Verpflichtung zur unabhängigen Kontrolle dieser Schritte.

Eine Aufforderung, der die us-amerikanischen Firmen Levi's und Nike, aber auch C&A mittlerweile - wenn auch nicht ohne den entsprechenden Druck seitens der KundInnen! - bereits nachgekommen sind.

Und auch eine Aufforderung, die im Rahmen des diesjährigen Weltladentages im Mittelpunkt steht.

"Den Menschen in den Mittelpunkt stellen!"

Der ILO gehören zur Zeit an die 160 Staaten an. Grundlegende Rechte für ArbeiterInnen, auf die sich die RegierungsvertreterInenn einigen konnten, und die von den meisten Staaten auch anerkannt worden sind, sind

- Begrenzung der Arbeitszeit auf 8 Stunden pro Tag,

- Begrenzung und angemessene Bezahhlung von Überstunden,

- feste arbeitsfreie Tage,

- Verbot von Kinderarbeit,

- die Zulassung von freien Gewerkschaften und die freie Wahl der Gewerkschaft.

Forderungen, die auch von der "Kampagne für Saubere Kleidung" erhoben werden. Seit Jahre recherchiert sie die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche und stellt die entsprechenden Firmen immer wieder zur Rede.

Eine Alternative: "made in dignity"

Noch einen Schritt weiter gehen die europäischen Fair-Handels-Organinationen. Seit nunmehr rund 25 Jahren arbeiten sie mit ProduzentInnengruppen oder Genossenschaften in Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen,

- die menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleisten,

- die den ArbeiterInnen ein angemessenes Einkommen garantieren,

- die sich neben der Entwicklung von Anbau- und Herstellungsmethoden, die die Umwelt weniger belasten, auch für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und für die besondere Förderung von Frauen, wo sie benachteiligt sind, einsetzen,

- und die darüberhinaus auch das soziale Engegemant für ihre Umgebung nicht vernachlässigen.

Die etwas andere Firma: "dezign Inc."

Im Textilbereich zeigt dies eindrucksvoll "dezign Inc." aus Zimbabwe. Anders als die meisten Handelspartner der Weltläden ist "dezign" zwar keine Genossenschaft, sondern ein Privatunternehmen. Aber eines mit hohem sozialen Engagement.

1987 von zwei Flüchtlingen aus Südafrika gegründet, hat das Unternehmen heute 150 Angestellte. "dezign" fühlt sich der tradionellen Kultur Afrika stark verbunden. So stammen die Motive für die T-Shirts, auf deren Bedruckung sich "dezign" spezialisiert hat, von jungen Künstlern aus Zimbabwe und anderen Ländern.

In Zimbabwe gibt es im Gegensatz zu Asien und Lateinameika klare Gesetze zum Schutz der ArbeiterInnen und freie Tarifverhandlungen. Die meisten Unternehmen beachten dabei die Arbeitszeitbeschränkungen und die Mindestlöhne. "dezign" reicht das aber nicht: die Löhne liegen im Durchschnitt ca 36% über den Mindestlöhnen, die ArbeiterInne erhalten 10% des Jahresgewinn, sie können auf Kreditfonds zurückgreifen, es gibt einen Betriebsrat und laut der AG3WL wird die Trennung zwischen Management und Arbeiterinne weiter verringert. Zudem bietet "dezign" Frauen besondere Unterstützung an. So gibt es etwa spezielle Arbeitserleichterungen für schwangere Frauen.

Und auch die Aspekte Umweltschutz und soziales Engagement sind wichtige Eckpfeiler der Unternehmenspolitik: jedes Jahr gehen Gewinnanteile von "dezign" an soziale Projekte im Umkreis und in die Verbesserung der Produktionsabläufe.

Am 9. Mai 1998...

...erreicht die vor zwei Jahren gestartete Kampagne "made in dignity" ihren Höhepunkt. Sagt NEWS!, der Zusammenschluß der Weltläden aus Europa.

Mit Protestpostkarten an die exemplarisch für den gesamten Textil-Einzelhandel ausgewählten Konzerne KARSTADT und OTTO sollen diese aufgefordert werden, soziale Mindesstandards in ihrer Firmen umzusetzen und sich so zu ihrer Verantwortung für die sozialen Belangen in ihren Produktuionsstätten bekennen.

Gleichzeitig hofft NEWS!, daß wie im Vorjahr an die 2.500 Weltläden an diesem Tage mit öffentlichen Aktionen und Veranstaltungen auf die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie aufmerksam machen.

Von der Macht der KonsumentInnen

Die AG3WL hat sich - und seinen europäischen Partner - dabei ein hohes Ziel gesetzt: neben den wichtigen Informationen sollen rund um den Weltladentag in ganz Europa 100.000 T-Shirts verkauft werden. T-Shirts, die von den Projektpartnern in Südafrika (dezign), Kenia (bombolulu) und Indien (Assisi) extra für den Weltladentag hergestellt worden sind.

Denn nur, so die Argumentation, wenn es einen Markt für fair hergestellte und fair gehandelte Produkte gibt, wird es solche Produkte auch in Zukunft geben. So sei nun einmal das "Gesetz der Wirtschaft".

Jetzt sind also die VerbraucherInnen am Zug!

Marco Klemmt

P.S.: Bis Redaktionsschluß stand nicht fest, was genau in Oldenburg passieren wird. Angedacht ist für den 9. Mai zumindestens ein Infostand in der Fußgängerzone. Achtet auf die Ankündigung in der Presse.


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