Oldenburger STACHEL Ausgabe 5/98      Seite 14
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Uni-Hörsaalgebäude:

Eine Einweihung ohne Geweihte

Es war nicht mehr feierlich, was von offizieller Seite geäußert wurde anläßlich der offiziellen Eröffnung des Neuen Hörsaalgebäudes. Auf die tatsächliche Situation der Studentinnen - und um die sollte es bei dem Neubau doch eigentlich gehen? - wurde wenig eingegangen. Deutlich spürbar waren die Interessen der Wirtschaft und der Wahlkampf. So waren denn auch wenig Studentinnen erschienen zum Meeting der feinen Kleidung. Da die Unileitung dafür auch nicht gerade geworben hatte, ist dies nicht verwunderlich. Seitens der Studentinnenschaft schien alles gesagt - oder doch nicht?

Immerhin war in der AStA-Runde vorher diskutiert worden, in welcher Form sich die Studentinnenschaft beteiligen könne oder wolle. Sie wollte! Ein großes Plakat war am Donnerstag vor dem Eingang zu Mensa und Bibliothek aufgehängt worden, das auf den geänderten Anfangszeitpunkt hinwies (Die Unileitung hatte vorsichtshalber auf eine Stunde nach dem tatsächlichen Veranstaltungsbeginn orientiert - zuzüglich der bei Studentinnen üblichen Verzögerungszeit hätte das gereicht, um noch rechtzeitig zum Sekt und Selters zu erscheinen. Aber das war "natürlich" nicht beabsichtigt. Trotzdem war es eine Veranstaltung mit nur wenigen von denjenigen, um die es angeblich bei der Veranstaltung Studium geht.) Auch auf Flugblättern wurde zum kräftigen Meckern eingeladen.

Gibt es nichts zum Meckern?

Warum sind so wenige erschienen, um den Studienfrust kundzutun? Immerhin haben weit mehr Leute die Strapaze auf sich genommen, nach Bonn zu fahren, um dem Herrn Wissenschaftsminister - ich weiß, daß der jetzt eigenartig anders tituliert wird und das wohl auch noch gut findet, was da in "Neusprech" für ihn als moderne Sprachregelung erfunden wurde - mal so kräftig die Meinung zu geigen! Jetzt wurden ein paar Milliönchen für Bücherbeschaffung ausgeschüttet - ist alles erreicht, wofür gestreikt wurde? Oder hat der AStA-Sprecher recht, wenn er die Streikaktion für ein "Happening ohne politische Inhalte" (CAPITO 3/98) hält?

Doch!

Augenscheinlich einer war denn doch zum Meckern gekommen. Während viele persönliche Einladungen seitens der Unileitung verschickt worden waren ("natürlich" mit der richtigen Veranstaltungszeit), hatte das AStA lediglich eine Anfrage um einen Beitrag bekommen. Die studentischen Mitglieder des Konzils oder etwa die Mitgieder des Studentinnenparlaments wurden genauso wenig wie die gesamte Studentinnenschaft persönlich eingeladen. (So etwas hätte z.B. ohne großen Aufwand mit Leporello und Semesterticket verschickt werden können.) Das Gremium AStA hat die seitens der Unileitung zugestandene Redezeit, die trotz der erwünschten "politischen Meinungsführerschaft" (CAPITO 3/98) lieber mal nicht in Anspruch genommen werden sollte, an das "Autonome Referat für behinderte und chronisch Kranke" abgegeben.

Behinderte - einfach mal vergessen?

So hat Bernd vom Behindertenreferat eine mich zutiefst beeindruckende Rede gehalten. Mit einigen von vielen Beispielen wies er darauf hin, daß bei der Konstruktion des Neuen Hörsaalgebäudes überhaupt nicht die Mobilitätsbeeinträchtigten Menschen berücksichtigt wurden. Da ist z.B. die Treppe, die eine Rolli erst mal überwinden muß, um mit den anderen Kommilitoninnen zwischen zwei Veranstaltungen problemlos zwischen AVZ (A1-4) und Neuem Hörsaalgebäude wechseln zu können. Für Rollis heißt die Neue Architektur: Geht Ihr schon mal los, ich fahre außen herum - wie ja auch bereits bei den eigens eingebauten Treppenstufen in der Rampe zu Mensa und Bibliothek. Bei soviel organisierter gestalterischer Gedankenlosigkeit bleibt die Frage offen, ob das gewollt ist, oder ob die studierten und hoch bezahlten Konstrukteure dieses edlen Etablissements wirklich so blöd sind, daß sie einen auch zahlenmäßig ernst zunehmenden Teil (laut Erhebung DSW 1/8 aller Studentinnen) der Menschheit einfach "vergessen" können. Gleichgültigkeit ist ohnehin das mieseste, was unter diesem Himmelszelt existiert. Das gilt auch für diejenigen in der Unileitung, die nicht direkt mit geplant haben, aber ausreichend Einsicht in die Bauplanung und die Durchführung hatten, so daß sie hätten intervenieren können.

Das ist jetzt nun mal so, Herr Daxner?

Dieser Neue Betonklotz ist jetzt fertig - und wer nicht so fix rennt, hat eben das Nachsehen. Mancher mags vielleicht leid tun, aber diesen Fehler können wir jetzt nicht mehr rückgängig machen - das würde zuviel kosten. Angesichts solchen Pragmatismusses bekomme ich bereits Ärger mit meiner Galle. Ein Politikum jedoch leistete sich Herr Prof. Dr. Daxner, indem er die von dem Senat beschlossene Hausordnung anläßlich der "Feier" kurzerhand außer Kraft setzen ließ. Ein noch weit aus größerer Teil der Bevölkerung wurde "vor die Tür gesetzt". Alle Allergikerinnen, Astmatikerinnen und die Rauchempfindlichen werden es Herrn Daxner danken, daß sie an der Schlüsselübergabe nicht teilhaben konnten, da auf seine ausdrückliche Anweisung hin Aschenbecher ausgeteilt wurden. Das betrifft ca. 1/3 der Gesellschaft mehr oder weniger stark. Im Übrigen scheint sich der hartgesottenste Club der Raucher in den Leitungsgremien dieser Universität zu befinden. Symptomatisch jedenfalls schien es mir, daß dieses hehre Angebot, rauchen zu dürfen und dem größeren Teil der Versammlung Kopf und Geist vernebeln zu dürfen, zunächst im Wesentlichen seitens der werten Mitglieder im wahrsten Sinne des Wortes der Leitungsgremien dieser unserer (?) Uni angenommen wurde. Um einen Tisch gereiht, standen sie und pafften, diese Herren. Wie beschrieben, den Herrn Präsi schert die Hausordnung, die immerhin in der Zeit seiner Präsidentinnenschaft vom wie auch immer demokratisch legtimierten Senat verabschiedet wurde, offensichtlich ebenso wenig wie Wohlbefinden und Gesundheit "seiner" werten Studentinnenschaft. Da bleibt mir nur noch, auf die Symbolträchtigkeit zu verweisen, die eine verrauchte Eröffnungsparty auf den zukünftigen Gebrauch der Einrichtung haben kann. Ich hätte gerne an der (symbolischen) Schlüsselübergabe teilgenommen. Es ging nicht - zu diesem Zeitpunkt war die Luft zu verraucht.

Nobel sieht´s noch aus

Hinsichtlich der Gestaltung der Anlage bin ich begeistert, daß der "Parkplatz" vor dem Gebäude endlich stilgerecht mit hellem Pflaster ausgelegt wurde. Da kommen Ölflecken schließlich besonders gut (!) - oder habe ich etwas falsch verstanden? Jedenfalls dürften sich damit die Bedenken zerstreuen, die Bernd vom Autonomen Referat für Behinderte und chronisch Kranke äußerte - Geld ist für alle offensichtlich erkennbar und im Überfluß vorhanden! Außerdem meine ich, daß bei der Integration von Menschen Kosten keine Rolle spielen dürfen, schon gar nicht bei einer Gesellschaft wie dieser, die für Alles und jeden Furz Geld zur Verfügung hat, nur nicht für diejenigen, die es am dringendsten benötigen.

Gerold Korbus

Dokumentation: Die Eröffnung des Neuen Hörsaalgebäudes:

Die folgenden Zeilen wurden nach der Veranstaltung aus dem Gedächtnis niedergeschrieben - der Wortlaut kann, muß aber nicht dem gesprochenen Wort entsprechen. Die Unterbrechungen sind nicht mit aufgeführt.

Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Gerold Korbus. Ich möchte mich für den vorangegangenen Beitrag bedanken. Die Rede hat mich zutiefst beeindruckt. Mit meinem Beitrag werde ich nicht mithalten können. Trotzdem glaube ich, daß noch etwas gesagt werden muß: Der Vertreter des Behindertenreferates sprach davon, daß ca. 1/8 der Studentinnen in irgendeiner Form behindert sei. Nach den üblichen Vorstellungen von Behinderung ist diese Zahl des DSW (Deutsches Studentinnenwerk) sicher richtig. Nun heißt das Behindertenreferat aus gutem Grund "Autonomes Referat für Behinderte und chronisch Kranke". Bekanntermaßen leiden ca. 30 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland unter Allergien in den verschiedensten Formen. Das bedeutet, daß hoch gerechnet ca. 1/3 aller Studentinnen der Carl von Ossietzky Universität unter Allergien leidet. Diese sind oft verknüpft mit einer Empfindlichkeit gegenüber Zigarettenrauch. Oftmals ist es sogar so, daß die eigentliche Allergie eine gegen Stoffe ist, die auch Bestandteil des Zigarettenrauchs sind. Das ist nicht verwunderlich, da im Zigarettenrauch sich über 5000 verschiedene heute bekannte Substanzen befinden. Die Menschen wissen von der allergie-auslösenden Wirkung des Zigarettenrauch deshalb manchmal nichts, da die allergische Reaktion oft mit Verzögerung auftritt.

Warum spreche ich das heute an? Leider mußte ich feststellen - wie viele von Ihnen ebenfalls - daß heute das Rauchen in diesem Gebäude erlaubt wurde. Diese Erlaubnis wurde durch das Aufstellen von Aschenbechern erteilt. So wurde unten geraucht. Bekanntermaßen steigt Zigarettenrauch nach oben. Genau diesen Weg mußten wir alle in diesen Saal nehmen. Das bedeutet, daß meine Lungen so richtig in Zigarettenrauch getränkt werden, da ich durch das Treppensteigen gezwungen bin, erst recht tief zu atmen. So bin ich fix und fertig, bevor die Veranstaltung losgeht. Viele Mitmenschen können es sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr leisten, überhaupt an Veranstaltungen mit solchen Beeinträchtigungen teilzunehmen.

Aus diesem Gründen hatte ich die Aschenbecher für den Ablauf der Veranstaltung "sichergestellt". Dies mit dem Erfolg, daß seitens der Universitätsleitung auf Anweisung des Herrn Prof. Dr. Michael Daxner die Anweisung erging, daß wieder Aschenbecher aufzustellen seien.

Dies hat eine hochpolitische Komponente: Denn durch diese Anweisung wird höchstrangiges Recht gebrochen. Bereits 1989 stellte die Europäische Gemeinschaft fest, daß öffentliche Gebäude in Europa "rauchfrei" sein müssen. Ausnahmen sind möglich. Jedoch dürfen diese den öffentlichen Raum nicht beeinträchtigen - sprich: Rauchzimmer werden nach außen gelüftet. Im Jahre 1991 zog die Niedersächsische Landesregierung nach: Im Ministerial- und Verordnungsblatt von Mai 1991 ist nachzulesen, daß die europäische Regelung auch für Niedersachsen gilt. Im September wurde seitens des mehr oder weniger demokratisch legitimierten Senats der Carl von Ossietzky Universität die Hausordnung an diese Regelung angepaßt. Somit ist diese Universität - bis auf genehmigungsfähige Ausnahmen - rauchfrei. Haben Sie das heute gespürt?

Und deshalb handelt es sich um einen doppelten Skandal: Nicht nur, daß Herr Prof. Daxner einem großen Teil der Uni-Bevölkerung einen Schlag ins Gesicht erteilt - er mißachtet auch den Senat der Universität, deren oberster Repräsentant er ist. Gleichwohl er bereits 1991 Präsident dieser Uni war und sich nicht mit Nichtwissen herausreden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitmenschen, die Sie heute vielleicht das Bedürfnis verspüren, rauchen zu wollen - oder - wie die meisten es formulieren - "zu müssen". Natürlich stimmt es mich traurig, wenn Sie rauchen - weil ich weiß, was Sie sich damit antun. Aber ich möchte Ihnen das Rauchen nicht verbieten. Anders als die Mitglieder der Unileitung möchte ich niemandem vorschreiben, was zu tun ist. Doch ich habe eine Bitte: Wie ich bereits ausführte, geht es vielen schlecht, wenn sie mitrauchen müssen. Heute ist schönes Wetter. gehen Sie zum Rauchen doch bitte eben vor die Tür.

(Klatschen quer durch Publikum, massiver Versuch, den Redebeitrag zu unterbrechen.)

Ich möchte noch einen zweiten Gesichtspunkt einbringen. Nach meiner Auffassung befinden wir uns noch im Tagesordnungspunkt - studentische Beiträge. Ich halte die Äußerungen des Arbeitskreises Bildungklau für so bedeutsam, daß ich sie den Menschen hier zu Gehör geben möchte - ich meine, daß diese Gesichtpunkte gerade in dieser Veranstaltung zu Wort kommen sollten:

Zitat aus dem Text des AktionsKomitees Bildungsklau:

"AK gegen Bildungsklau zur Einweihung des Hörsaalzentrums: Demokratie statt Hochschulräte! Die feierliche Einweihung dieses neuen Hochschulgebäudes darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie marode die Universität hinter dieser bunten Fassade ist. Mit den Schlagworten "mehr Autonomie" und "gesellschaftliche Öffnung der Hochschulen" wird zielstrebig daran gearbeitet, gewachsene demokratische Strukturen zu Gunsten autoritärer Managementstrukturen zu zerstören. Der bundesweite Trend zielt darauf ab, das Studium marktgerecht zurechtzustutzen. Neben dem Abbau von Studienmöglichkeiten zählen Studiengebühren (die auch der niedersächsische Bildungsminister Oppermann nicht völlig ablehnt), Zwangsberatungen und eine ungesicherte Studienfinanzierung (der Anteil der BAföG-Geförderten sinkt ständig) zum Horrorkatalog der Regierenden, mit dem der breiten Mehrheit der Bevölkerung der Zugang zur Hochschule letztendlich versperrt wird. In Niedersachsen und ganz akut an der Carl von Ossietzky Universität wird mit der geplanten Einrichtung von Hochschulräten die Etablierung von autoritären Managementstrukturen forciert. An der Hochschule soll das weitergeführt werden, was in anderen Bereichen der Gesellschaft bereits zu sozialer Ungleichheit und Abhängigkeit von Privatwirtschaft führt. Die Regierenden sind dabei, die Demokratie zu verschachern! Abschaffung der demokratischen Selbstverwaltung Durch Abgabe elementarer Kompetenzen an Hochschul- und Leitungsrat sollen die demokratisch legitimierten Organe der universitären Selbstverwaltung entmündigt oder gar abgeschafft werden. So sehen es die Pläne der Niedersächsischen Landesregierung, der HochschulrektorInnenkonferenz (HRK), des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und des amtierenden Oldenburger Unipräsidenten Daxner vor." (vorläufiges Zitatende)

An dieser Stelle wurde ich massiv mit einem längeren Beitrag unterbrochen, meine Worte seien nicht abgesprochen, mein Beitrag würde stören - nun gut, irgendetwas sollte ja vielleicht auch gestört werden - ich solle zum Ende kommen. Also kam ich zum Ende: (Der Rest des geplanten Zitats vom AK-Bildungsklau): "Diese Hochschulräte werden nicht demokratisch gewählt, sondern auf dubioseste Weise eingesetzt werden." Dann wagte ich noch darauf hinzuweisen, daß dieser Satz vielleicht etwas kürzer gewesen sei, als die Unterbrechung meiner Ausführungen. Außerdem äußerte ich meine Hoffnung, daß der Beifall für diese Unterbrechung meiner Rede nicht antidemokratisch gemeint gewesen sei, sondern lediglich der Begierde nach den Worten der Herren, die da folgen sollten, Ausdruck verleihen sollte. Ich bedankte mich für die Aufmerksamkeit und setzte mich wider.

Bleibt vielleicht zu bemerken, daß auf den folgenden Aussprachen und Diskussionsterminen die von Professor Dr. von Maydell geäußerte Hoffnung, daß anderenorts ja Raum für die Diskussion wäre, bislang nicht erfüllt wurde. Jedenfalls sind diejenigen, die von Herrn Maydell und mir eingeladen wurden, an der demokratischen Willensbildung teilzuhaben, bislang auf keiner Diskussionsrunde entdeckt worden. Aber, was nicht ist, kann ja noch werden. Der Nachsatz des AK-Bildungsklau lautete übrigens: "Mehr Demokratie wagen!"

ps: Der Artikel wurde möglichst konsequent feminisiert. Ich bitte die geneigten Leserinnen bei der geschriebenen weiblichen Form gelegentlich auch die männliche mit zu denken - sie könnte mit gemeint sein.

GK


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