Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/98      Seite 4
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Arbeit, Arbeit, Arbeit?

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Die Massenarbeitslosigkeit mit ihren Auswirkungen auf die sozialen, kulturellen und politischen Systeme der Gesellschaft hat viele Phantasien freigesetzt, die aus dieser Situation herauszuführen versprechen. Alle diese Phantasien sind darauf zu überprüfen, welche und wessen Interessen vertreten werden.

Hilfreich bei dieser Prüfung ist, sich klarzumachen, worüber überhaupt geredet wird: Es geht um Lohnarbeit, um bezahlte Arbeit, nicht um die vielf"ltige unbezahlte "ehrenamtliche" Arbeit.

Warum müssen wir eigentlich immer neue Arbeit erfinden, wenn die notwendige gesellschaftliche Arbeitszeit immer kürzer wird? Können wir nicht froh sein, daß wir als Gesellschaft immer weniger arbeiten müssen, um unseren Lebensstandard zu halten?

Nun ist es aber leider nicht so, daß sich die Menschenohne einen bezahlten Arbeitsplatz den gleichen Lebensstandard leisten können wie diejenigen mit einem solchen Arbeitsplatz. Es sei denn, sie/er gehört zu jenen, die als Kuponschneider andere für sich arbeiten lassen.

Gründe dafür, daß immer weniger Arbeitszeit zur Herstellung von industriellen Produkten notwendig ist, sind u.a.:

· Die Anwendung rationeller Produktionsmethoden

· Die Optimierung der Arbeitsabl"ufe

· Die Anwendung "intelligenter" Steuerungen in der Produktion und im Produkt

Wer früher Schreibmaschinen gebaut hat, weiß, wie sich die Technologie in diesem Bereich ver"ndert hat. Und das gilt nahezu für jedes Produkt. Diese Entwicklung mit erheblichen Produktivit"tssprüngen und einer auf den Export orientierten Ökonomie mit hohen Profiten geben den Hintergrund für gewerkschaftliche Erfolge bei der Lohnentwicklung und gleichzeitig für Arbeitszeitverkürzungen (Urlaub, Herabsetzung des Rentenalters, Verkürzung der Wochenarbeitszeit). Damit floß zumindest ein Teil der durch Arbeit erielte Reichtum zeitweise der Gesellschaft und den Produzenten dieses Reichtuns zu.

Seit nahezu zwei Jahrzehnten haben sich die Bedingungen zugunsten des Kapitals ver"ndert. Der Reichtum wird mehr und mehr vom Kapital angeeignet. Das hat unmittelbare Folgen für unser Sozialsystem, denn dieses ist direkt abh"ngig von den Lohneinkommen. Somit muß für diese Systeme nach neuen bzw. zus"tzlichen Einnahmen Ausschau gehalten werden. Stichworte sind 620DM-Jobs, Schwarzarbeit, Erhöhung des Rentenalters, Einbeziehung studentischer Einkommen in die Rentenzahlung. Jedoch interessiert nicht nur die Einnahmeseite, sondern bei der konservativ-liberalen Regierung vor allem die Ausgabeseite. In allen Sozialsystemen wurde und wird mit zum TEil katastrophalen Folgen für die Betroffenen unerbittlich gekürzt. Wollen wir an den Strukturen unserer Sozialsysteme festhalten, haben wir keine Alternative zur Suche nach zus"tzlichen Arbeitspl"tzen. Wer allerdings über diesen Weg das System ausbauen will, muß wissen, daß nur durch Erhöhung der Lohnquote dieses Ziel erreicht werden kann. Wer die vorhandene Arbeit nur durch eine Verteilung innerhalb der Klasse "gerechter" verteilen will, muß und wird scheitern. So sinnvoll Teilzeitarbeit ist, die Sozialkassen "profitieren" solange nicht davon, wie keine Ausweitung der Arbeit damit verbunden ist.

Wer glaubt, durch Niedriglöhne zus"tzliche Arbeitspl"tze schaffen zu können, verkennt, daß sich mit Niedriglöhnen nur für die Arbeitgeber, nicht aber für die Arbeitnehmer gut leben l"ßt.

Wer die Senkung der Lohnnebenkosten verlangt, muß gleichzeitig sagen, wie die Sozialkassen "bedient" werden sollen.

Nach meiner Meinung gibt es keinen "Königsweg" zu mehr Arbeitspl"tzen.

Im Vordergrund muß zun"chst die Verhinderung von Arbeitsplatzabbau stehen. Dazu ist es notwendig, die betrieblichen Strukturen so "auf dem laufenden" zu halten, daß sie Wettbewerbsf"hig bleiben. Die betriebliche Mitbestimmung und die Einbeziehung regionaler Akteure ist eine unerl"ßliche Voraussetzung für eine solche Perspektive. Vor allem dann, wenn damit gleichzeitig regionale Strukturen beeinflußt werden sollen. Denn eines ist für mich klar: Nur durch eine abgestimmte, unter Einbeziehung der Gewerkschaften formulierte Regional- und STrukturpolitik wird es langfristig möglich sein, zukunftsorientierte Pl"ne zu entwickeln.

Die Schaffung von neuen und zus"tzlichen Arbeitspl"tzen muß - aus der Interessenlage der ArbeitnehmerInnen formuliert - einige Kriterien erfüllen und darf nicht unter dem Motto "Arbeit, Arbeit, Arbeit!" stehen!

Zu diesen Voraussetzungen z"hle ich ins besondere:

· Eine optimale schulische und berufliche Qualifikation ist unerl"ßlich

· Eine Umverteilung zugunsten der Lohnquote ist unverzichtbar

· Für viele Bereiche müssen die Effizienz und Optimierungsforderungen überdacht werden.

· Zur Senkung der stark gestiegenen Lohnnebenkosten bei Aufrechterhaltung der sozialen Standards ist die Einführung einer sozialen Ökosteuer unverzichtbar

· Gesellschaftlich notwendige Arbeit definiert sich nicht nur dadurch, daß sie profitabel ist. Nicht profitable Bereiche (Soziales, Bildung, Umwelt _) ist aus dem gesellschaftlichen Reichtum zu finanzieren.

Wesentliche Voraussetzung für eine demokratische und soziale Entwicklung unseres Lnades sind starke Gewerkschaften, die über Gestaltungsinstrumente für die verschiedenen auf die Arbeit und Sozialsysteme bezogenen Aspekte benötigen.

Manfred Klöpper

DGB-Kreisvorsitzender

 

 
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