Oldenburger STACHEL Ausgabe 7/98      Seite 13
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Mißbrauch? Allerorten!

Kein Mißbrauch - Mißhandlung

Immer wieder ist in den Medien vom (sexuellen) Mißbrauch zu hören und zu lesen. Das ist zumindest unreflektierter Sprachgebrauch. Wenn die Integrit"t eines Menschen mißachtet wird, körperliche/seelische Verletzungen zugefügt werden, dann sollte dies auch beim Namen genannt werden. Wenn stattdessen durch unzutreffende Wortwahl kaschiert wird, hat das Gründe, die nicht fein sind, über die jedoch an dieser Stelle nicht weiter spekuliert werden soll. Es ist nur etwas zu "mißbrauchen", was üblicherweise auch "gebraucht" werden kann. Kann denn ein Mensch sexuell "gebraucht" (benutzt) werden, oder handelt es sich nicht vielmehr bei der menschlichen Sexualit"t um ein einverst"ndliches "Zusammenschwingen" von Menschen. Wenn es jedoch keinen "Gebrauch" gibt, weil es sich bei Menschen nun eben keinesfalls um benutzbare Gegenst"nde handelt, kann es auch keinen "Mißbrauch" geben. Was es gibt - das wird traurigerweise t"glich aufs neue vor Augen geführt - ist Mißhandlung, Verletzung, Gewalt. Über die oft entsetzlichen Folgen ist in der Öffentlichkeit genug bekannt. Deshalb soll es an dieser Stelle ausreichen, auf den falschen Sprachgebrauch hinzuweisen, der Ursachen hat und der möglicherweise mitwirkt bei der Bereitung des Bodens, auf dem solche Taten gegen die Menschlichkeit gedeihen können. Auff"llig ist, daß ausgerechnet diejenigen Medien, die sonst nie davor zurückscheuen, die blutige Frikadelle in Großaufnahme zu verkaufen, in bestimmten Zusammenh"ngen distanzierende und versachlichende Begriffe verwenden.

Machtmißbrauch der Presse

Im konkret vorliegenden Fall eines Oldenburger Professors - er griff nicht allein in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einer Studentin ein, sondern handelte ihr gegenüber zutiefst herabwürdigend, herabsetzend, gemein - machte nun die NWZ deutlich, daß auch sie bereit ist, m"nnliches Gebahren gegen Frauen zu unterstützen. So ließ sie eine Mitarbeiterin (!) am Samstag, dem 4. 7. 98, tief in der Schmuddelkiste wühlen. Das ist nichts Neues von der NWZ. Die Leserinnen waren lediglich überrascht, daß die Zeilen ausgerechnet von der Mitarbeiterin verfaßt wurden, die üblicherweise z. B. bei der Berichterstattung über Vergewaltigungen dafür eintritt, das Opfer nicht in Prozeß und Berichterstattung ein zweites Mal zum Opfer zu machen. Noch immer wird in der BRD der Opferschutz viel zu klein geschrieben.

Von der Verfasserin wurde kurz die Handlung dieses Professors dargestellt - dann wurde ihm Gelegenheit geboten, sich auszubreiten und fadenscheinige Gründe für sein Verhalten aufzulisten. Nicht etwa, daß er für sein unglaubliches Verhalten bei dem Opfer um Verzeihung bittet.

Zur Auflagensteigerung

Die NWZ verknüpft diese Ekelangelegenheit mit einer in der jüngeren Vergangenheit gutverkauften, mittlerweile verfilmten - etwas schmuddeligen, jedoch akademisch angehauchten - Story offensichtlich um eine eigene Steigerung der verkauften Exemplare heischend. Der Herr Professor nutzte die Gelegenheit, seinen Verfolgungswahn - die von ihm verletzte Studentin sei Mittel einer Intrige gegen ihn - derart auszubreiten, daß die Studentin ein weiteres Mal angegriffen und zum Opfer fatalen m"nnlichen Verhaltens wird.

Die journalistische Sorgfaltspflicht vom Medienkonzern wurde erneut mit den Füssen getreten. Was hat überhaupt das Privatleben einer Frau mit einer Verletzung zu tun, die ihr von einem Professor w"hrend des Studiums zugefügt wurde. Daß dies so ist, steht ja außer Frage. Der Herr Professor lamentiert lediglich, stellt jedoch selbst nicht den Vorwurf in Abrede. Hier wurde von der NWZ ein weiteres Mal bewiesen, daß ihr Opferschutz nur dann etwas wert ist, wenn es ihr gegenüber einer sich zurecht verletzt zeigenden Öffentlichkeit dieses zu vertreten opportun erscheint.

Die Ansichten und Handlungen eines "alternden Professors" sind das eine - das andere ist der öffentliche Umgang damit. Hier hat sich die NWZ die Rote Karte mehr als verdient.

So toll war auch seine Lehre nicht

Der gute Mann der Germanistik hat in diesem Semester Studierende bedroht, vielleicht, weil ihm sein gutbezahlter Job wohl schon l"nger zuviel ist: Er drohte mit Hausmeister und Polizei, wenn lerneifrige StudentInnen sein Seminar nicht verließen. Dies stellt einen eindeutigen Verstoß gegen das Nieders"chsische Hochschulgesetz dar.

Er gehört zu denen, die ständig für Verschärfungen für die Studierenden eintreten. Wenn für das Studium Geld bezahlt werden muß, wird es nach seiner Ansicht effektiver. Daß somit Kinder armer Eltern noch mehr Zeit zur Finanzierung des Studiums aufbringen müssen, berücksichtigt auch er nicht. Er will in einem Semester durchziehen, wofür zur Zeit sechs Semester vorgesehen sind. (Vgl. SoWi-Fachschaftszeitung "Cavete")

Seine Lehre ist von allerlei Ungereihmtheiten gefüllt - davon war in allen AStA-Zeitungen dieses Semesters zu lesen - wer sich in dieser Angelegenheit genauer informieren möchte, wird hier gut informiert.

Gleichwohl stellt sein sexistisches Verhalten nur die Spitze des Eisbergs alltäglicher Herabsetzungen von Frauen in Forschung und Lehre dar. Daß im Lehrkörper Frauen gerade mal mit ca. 22,5 Prozent vertreten sind, ist hierfür ein Anzeiger.

Gerold Korbus

 

 
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