Oldenburger STACHEL Ausgabe 9/98      Seite 7
 
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Archivieren verboten!

NWZ will keine Informationsquelle sein

Im Juli veröffentlichte der zugangsoffene nichtkommerzielle Lokalsender Radio Jade in seiner Radio-Zeitung "O-Ton" einen Artikel über ein entstehendes Zeitungs- und Pressearchiv, in dem nicht nur RedakteurInnen, sondern auch BürgerInnen thematisch nach Artikeln suchen und sich informieren können sollen. Thematisch ausgewertet, so war zu lesen, würden vier Tageszeitungen aus der Region, darunter die Wilhelmshavener Zeitung und die NWZ und zwei überregionale Zeitungen und ein Magazin.

Dieser Beitrag fand auch in Oldenburg interessierte Leser: Die hier ansässige Nordwest-Zeitung schaltete sofort ihr Rechtsanwaltsbüro ein und ließ dem Sender eine Warnung aussprechen, die wir hier dokumentieren wollen:

"Hillmann, Lemke, Wilken - Rechtsanwälte; Oldenburg, den 20.7.1998; An Radio Jade Lokalrundfunk e.V., Kieler Str. 31; 26382 Wilhelmshaven.

Betr.: Zeitschrift O-Ton, Ausgabe 9, Artikel auf Seite 2: "Ein Zeitungs- und Pressearchiv entsteht"

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Firma Nordwest-Zeitung Druck- und Pressehaus GmbH & Co. KG in Oldenburg hat uns mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

Wie Ihnen bekannt ist, gibt unsere Mandantin in Oldenburg die Nordwest-Zeitung heraus.

Sie haben in der Zeitschrift O-Ton, Ausgabe 9 auf Seite 2 die Einrichtung eines Pressearchives angekündigt, in der Sie auch Artikel aus der NWZ aufnehmen wollen. Des weiteren teilen Sie mit, daß Sie beabsichtigen, das Archiv der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wir stellen klar, daß unsere Mandantin nicht damit einverstanden ist, daß die in Ihrer Zeitung erschienenen Artikel für die von Ihnen beabsichtigten Zwecke verwendet werden.

Ihr Vorhaben verstößt gegen verschiedene Bestimmungen des Urhebergesetzes.

Daß es sich bei den in der NWZ erschienenen oder ercheinenen Artikeln um urheberrechtlich geschützte Werke handelt, bedarf keiner näheren Darlegung. Nach §53 Urheberrechtsgesetz sind Vervielfältigungen nur zum eigenen privaten Gebrauch zulässig. Jeder darüber hinausgehende Gebrauch bedarf der vorherigen Zustimmung des Urhebers oder des Nutzungsberechtigten. Wir haben Sie aufzufordern, diese gesetzliche Bestimmung sorgfältig zu beachten und in jedem Fall die vorherige Zustimmung unserer Mandantin einzuholen, in dem ein in der NWZ erschienener Artikel betroffen ist.

Wir machen vorsorglich darauf aufmerksam, daß die Urheberrechte auch erhalten bleiben, wenn man das von Ihnen in Aussicht genommene Archiv als ein Sammelwerk im Sinne von §4 Urheberrechtsgesetz betrachten wollte. Ob dies der Fall ist, lassen wir offen. Rechtlich kommt es hierauf nicht an, da durch die etwaige Entstehung eines Sammelwerkes die Urheberrechte an den in die Sammlung aufgenommenen Werken unberührt bleiben. Dies ist in §4 Urheberrechtsgesetz ausdrücklich bestimmt.

Schließlich machen wir darauf aufmerksam, daß auch die Benutzung von Artikeln der NWZ für Zwecke Ihres Senders der vorherigen Zustimmung der NWZ bedarf. Sollte sie im Einzelfall erteilt werden - dies wird hiermit nicht in Aussicht gestellt und bedarf jeweils besonderer Prüfung - würde sie sich ohnehin nur auf die einmalige Sendung beziehen. Spätestens einen Monat danach ist der Tonträger zu löschen (§ 55 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz).

Wir dürfen Sie dringend bitten, die Hinweise dieses Schreibens zu beachten. Sollte unsere Mandantin in Erfahrung bringen, daß ihr Urheber- oder Nutzungsrecht von Ihnen verletzt wird, wird sie alle gebotenen gerichtlichen Schritte einleiten. Eine erneute Abmahnung wird nicht ergehen.

Mit freundlichem Gruß, Dirk Wilken, Rechtsanwalt."

Ein ähnliches Schreiben erhielt Radio Jade einen Monat später vom Rechtsanwalt der Wilhelmshavener Zeitung, der jedoch andere Paragraphen anführte.

Nach Rücksprache mit der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, NLM, in Hannover sandte Radio Jade eine Antwort an Rechtsanwalt Wilken:

"Sehr geehrter Herr Wilken,

zu Ihrem Schreiben vom 20.07.98 erklären wir folgendes:

bei Radio Jade werden keine Artikel für das Pressearchiv vervielfältigt. Jeder archivierte Artikel ist bei uns nur in einem Exemplar vorhanden. Wir können nicht erkennen, welches Recht durch diese Archivierung verletzt sein soll. Auch gibt es derzeit noch keine Presseschau bei Radio Jade. Doch selbst eine Presseschau mit kurzen zitierten Textpassagen widerspräche nach unseren Recherchen nicht dem Urheberrechtsgesetz.

Wir bitten Sie deshalb, uns darzulegen, inwiefern Sie das Urheberrecht oder das Verwertungsrecht durch unser Archiv verletzt sehen.

Mit freundlichen Grüßen, Tina Schindler"

Kurze Nachbemerkung:

Die beiden Zeitungen hatten vor einem Jahr ihrerseits versucht, einen "nichtkommerzielles Lokalradio" aufzubauen (wir berichteten ausführlich). Seit der Lizenzerteilung an Radio Jade versuchen sie immer wieder, dem Sender die Existenz schwer zu machen, obwohl er per definitionem keine Konkurrenz auf dem Anzeigenmarkt darstellen kann.

 

 
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