Ausgabe 9/98 | Seite 12 | |||||
Ökomarkt - "für unsere Kinder""Die Welt von morgen für unsere Kinder von heute" lautet das Motto des diesjährigen Ökomarktes, der am 13. September von 11 bis 18 Uhr auf dem Schloßmarkt stattfindet. Wie könnte morgen eine lebenswerte Welt aussehen, die den Kindern nicht ihre Zukunft zerstört? Auf dem Ökomarkt finden wir Beispiele. So werden von Fair Trade e.V. und gepa Produkte aus Asien oder Lateinamerika angeboten, die nicht aus miserabel bezahlter Kinderarbeit entstanden sind. Kinderarbeit bedeutet, keine Kraft und Zeit für die Schule zu haben und später so wenig zu verdienen, daß die eigenen Kinder auch wieder gegen den Hunger schuften müssen.
Fußbälle aus PakistanWährend 80 Prozent aller für den Weltmarkt bestimmten Fußbälle - auch die in der Bundesliga verwendeten - bei oder in der pakistanischen Stadt Sialkot in mühsamer Handarbeit täglich neun bis zehn Stunden zusammengenäht werden und wegen der Hungerlöhne auch ca. 7000 Kinder daran teilnehmen müssen, setzt sich Fair Trade gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen für eine bessere Bezahlung der erwachsenen NäherInnen ein, um den Kindern eine Arbeitsbefreiung und einen Schulbesuch zu ermäglichen. 1997 schufen gepa und Fair Trade das Projekt "fair gehandelte Fußbälle aus Pakistan": Bestandteile sind u. a. höhere Familieneinkommen ohne Kinderarbeit und Gesundgeits- sowie Rentenversicherung. In den Dörfern um Sialkot sollen kleine Nähzentren mit mindestens zehn NäherInnen entstehen. unter Einhaltung und Überwachung strenger Fair-Trade-Bestimmungen werden dort Fußbälle genäht, deren Vertrieb über alternative Importorganisationen erfolgt, ein unnötiger Zwischenhandel wird ausgeschaltet. Für jeden "fair gehandelten" Ball wird in Deutschland ein Preisaufschlag verlangt, der als Zuschlag zum in Pakistan üblichen Stücklohn, als Renten- und Gesundheitsbeitrag sowie als Anteil für soziale Leistungen z. B. für Arbeitslose wieder ausgezahlt wird.
Die Zukunft um die EckeWie das Bemühen um fairen Handel gehört auch die Sorge um unmittelbare Umwelt zum Einsatz für eine lebenswerte Zukunft der Kinder. Auf dem Ökomarkt gibt es dafür viel Anschauungsunterricht. Zum Beispiel wirbt die Initiative StadtTeil Auto für ihre Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Zur Zeit zeilen sich in de Oldenburger Verein 150 Mitglieder 10 verschiedene in Stadtteilnähe geparkte Fahrzeuge vom Kleinwagen über Kombi bis zum Kleinbus. Oder der Huntetaler Tauschring informiert mit einem Stand darüber, wie zur "Bereicherung" aller ohne Geld alltägliche Dienstleistungen und Dinge ausgetauscht und ohne einen Pfennig zinslose "Kredite" vergeben werden können. Die BINSE (Bürgerinitiative für Naturschutz und Stadtökologie) erklärt, wie das europaweit normierte Einerlei des Obstplantagenangebots der Supermärkte durch die Anlage und Pflege von Streuobstwiesen aufgehellt werden kann. Da findet mensch nicht nur "interessant" schmeckende Äpfel mit Ortscharakter (wieder), sondern auch eine unvorstellbar große Anzahl von Tier- und Pflanzenarten. In Franken wurden auf einer solchen Wiese bis zu 6000 Arten festgestellt - lebensnotwendig für viele gefährdete Vogelarten! Wann und wie die Familie Streuobstwiesen der Naturschutzverbände NABU, BSH und BINSE besuchen kann, erfährt sie auf dem Ökomarkt, und sie wird eingeladen, am 1. November zum Schulzentrum in Osternburg zu kommen: Dort gibt es eine große Ausstellung von Apfelsorten, hier kann mensch seine Äpfel von zuhause zur Sortenbestimmung mitbringen, sich Vorträge zur Obstbaumsortenwahl und -Pflanzung oder zur Anlage von Streuobstwiesen anhören oder einfach nur Apfelkuchen essen. Die Oldenburger Verbraucherberatung wird auf dem Ökomarkt darauf hinweisen, welche vielfältigen anderen Konsumalternativen die Region bietet: Zusammen mit dem Umwelthaus Oldenburg und dem Regionalen Umweltbildungszentrum Ammerland hat sie eine Übersicht in einer Broschüre zusammengefaßt, in der unter dem Motto "Nutzen statt besitzen" 350 regionale Adressen aufgeführt sind. Hier finden wir Secondhandläden, Formen, die z. B. Werkzeug verleihen, Car-Sharing-Initiativen, Reparaturbetriebe und andere Dienstleistungen, die einen Neukauf überflüssig machen. Die Verbraucherberatung begründet ihre Fleißarbeit so: "Viele Dinge, die man sich im Laufe eines Lebens kauft, wie Autos, Rasenmäher, Skiausrüstung und vieles andere mehr, werden oft nur wenige Stunden oder Tage im Jahr benutzt und stehen den Rest der Zeit herum. Für den bloßen Besitz dieser Dinge werden kostare Rohstoffe und Energien vergeudet. Und dabei geht es doch in erster Linie um den Nutzen der Dinge und nicht um ihren Besitz! Dieser Nutzen ist gleichermaßen durch Leihen, Tauschen oder Teilen zu erzielen. Auch muß es nicht immer etwas Neues sein. Ein gebrauchtes Kinderbett oder ein reparierter Rasenmäher erfüllen denselben Zweck. Durch gemeinsames Nutzen lassen sich viele Rohstoffe sparen. Und es spart Ihr Geld!" Und nicht zuletzt zeigen Naturkostläden eine große Auswahl von schmackhaften, umweltfreundlich hergestellten Lebensmitteln, Erzeugerbetriebe lassen vom ökologische hergestellten Honig oder Käse probieren. Für viele Bereiche des Alltags zeigen andere Unternehmen, wie mit pfiffigen Ideen und/oder Hightech die Resourcen geschont und den Kindern noch genug davon übrig gelassen werden kann. Die Zeiten des asketischen Ökofreaks mit diche Strickweste und Holzsandalen in kalten kargen Räumen sind längst passé, alle angebotenen Dinge sind auch komfortabel und angeneh im Gebrauch, nicht selten im Modetrend: Das gilt ebenso für Naturschuhe wie für pflanzengefärbte Kleidung oder Lautsprecher, Regale, Fahrräder, Häuser, Heizungssysteme, Regenwassernutzung in der Waschmaschine, Solartechnik auf dem Dach _ Für fast alles, was mensch so zum täglichen Leben braucht, gibt es eine umweltgerechte Lösung oder Alternativen, und zu finden sind diese oft auf dem Ökomarkt.
Die Sinne schärfenWie verflixt schwer es ist, sich in den unzähligen verwirrenden Verlockungen der Konsumgesellschaft für Wege oder Produkte zu entscheiden, die die Zukunft unseres wunderschönen Planeten nicht gefährden und ihn in seiner Vielfalt erhalten, davon kann jedeR Erwachsene ein langes Lied singen. Oft sind da "nur" die kleine Kompromisse übrig und möglich, die "etwas weniger" schädlich sind - etwas weniger Auto fahren, seltener fliegen, möglichst wenig Plastikmüll oder Dosen _ Kinder, die sich vorher mit "heiligem Ernst" für Müllvermeidung oder Schutz von bedrohten Tieren eingesetzt haben, verzweifeln oder resignieren oft vollständig, wenn sie bemerken, wie halbherzig und inkonsequent die Erwachsenen mit dem Schutz der Umwelt umgehen, die ihnen vorher von der Bedrohung des Planeten gepredigt haben. Daß in dem Meer von Desinteresse an der einen Welt die Tat eines Einzelnen oder der winzige Kompromiß zugunsten der Umwelt trotz allem wichtig ist, kann mit dem Verstand oft nicht erfaßt werden. Kinder müssen ein Gefühl, einen Sinneseindruck davon enwickeln, was ihnen mit der Zerstörung der Umwelt verlorengeht. Was wir nicht kennen, können wir oft nicht schätzen und schützen. Kleinkinder wollen die Welt buchstäblich erschmecken und erfassen. Gut so! Sie sollen sie auch riechen, fühlen, hören und ohne Video sehen! Möglichst viele Gelegenheiten sollen sie dazu haben! Bio-Höfe und andere "Ökobetriebe" der Region bieten gute Gelegenheit zum Erleben von ökologischer Landwirtschaft; die sie bewirtschaftenden Bauern und GärtnerInnen können auf dem Ökomarkt angesprochen werden. Sinnliche Erlebnisse zum Erfahren der Welt sollten den Kindern schon möglichst früh angeboten werden. "Wenn Kinder zwischen dem 3. und 12. Lebensjahr keine ausreichende sinnliche Erfahrung mit der Natur gemacht haben, so eine wissenschaftliche Studie, für die es leider unzählige praktische Beispiele gibt, dann werden sie später nie mehr ein Gespür für die Natur bekommen, sie werden Natur-Verluste weder wahrnehmen noch bedauern, sie werden nicht wissen, warum man Natur vor der Zerstörung bewahren muß." (Katrin Arnold, zitiert aus Lebendige Erde 3/98)
Von der Hand in den MundKein Lego-Stein, der nicht besabbert wurde, kein Füller, der nicht angeknabbert ist. Auch die coolsten Jugendlichen kauen noch gedankenverloren auf ihren Kulis 'rum. Nicht nur zur Vermeidung von giftigen Abfällen ist es äußerst wichtig, daß Schul- und Spielsachen aus möglichst umweltfreundlichen Materialien bestehen. Auch hierfür finden wir auf dem Ökomarkt reichliche Beispiele. Nach dem Motto "Das einzig harmlose Lösemittel ist Wasser" wird u. a. selbstangerührter Kleister empfohlen und beschrieben, wie mensch zuhause Kleber herstellen kann. Denn: "Auch lösemittelfreie Kleber enthalten noch gesundheitlich bedenkliche Stoffe wie Polyurethan und Formaldehyd." Vom allseits beliebten Tintenkiller gar nicht zu reden: Er sollte durch lösemittelfreie Korrekturflüssigkeit ersetzt werden. Die von den Schulen den Eltern mitgegebenen Einkaufslisten sind nicht immer nach ökologischen Kriterien erstellt: Filzstifte z. B. werden oft nicht ausdrücklich abgelehnt, dafür aber wegen der leuchtenden Farben von vielen Kindern verlangt. Doch diese Plastikstifte enthalten vielfach Lösemittel, sie können Ursache für Allergien und Vergiftungen werden. Unlackierte Buntstifte und Wachsmalkreiden auf Bienenwachsbasis sind gute Alternativen, da sie aber nicht so schön glänzen und nicht so leicht und intensiv malen, sollten ihre Vorteile den Schülern erklärt werden. Viele Kunststoffprodukte enthalten gefährliche Weichmacher - möglichst vermeiden! Radiergummis sollten deshalb wirklich aus Gummi bestehen und nicht aus PVC - beim verschlucken werden die Weichmache im Körper herausgelöst, es entstehen gefährliche scharfkantige Bruchstücke. Im Spiel lernen Kinder die Welt begreifen, im Spiel schöpfen sie neue Energie, auf die übrige Welt zuzugehen. Auch ihre Spielzeuge brauchen oft neue Energie, und zwar elektrische, aus Batterien. und da beginnt manchmal ein erbitterter Kampf zwischen dem heißen Wunsch des Sprößlings und dem administrativen Umweltschutz der Mama. Batterien enthalten giftige Schwermetalle und enden als gefährlicher Sondermüll! Ein Kompromiß könnte der Kauf von Akkus sein. Sie enthalten auch Schwermetalle, haben jedoch den Vorteil, daß sie bis zu tausendmal wieder aufgeladen werden können - allerdings mit Hilfe eines Ladegeräts und durch Strom aus der Steckdose. Welcher Akku für welchen Hausgebrauch sinnvoll ist, erfahren sie auf dem Ökomarkt! Wenn Menschen in ihren Spiel- und Lernjahren selber vom Umweltschutz profitieren (und nicht unter einer Ökomanie leiden), wenn sie viele sinnliche Naturerlebnisse gehabt haben, werden sie als Erwachsene bereit und in der Lage sein, aktiv das zu schützen, was sie schätzen. Haben viele Eltern ihre Kinder an ökologischem (Er-)Leben teilhaben lassen, wird es mehr geben, für dessen Erhalt in den nächsten Jahrzehnten sich einzusetzen lohnt. In diesem Sinne sei noch ein afrikanisches Sprichwort aus der Ökomarktzeitung zitiert, wo auch die anderen Zitate wiederzufinden sind: "Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Gesicht der Welt verändern." achim Impressum Diese Veröffentlichung unterliegt dem Impressum des Oldenburger Stachel. Differenzen zur gedruckten Fassung sind nicht auszuschließen. Nachdruck nur mit Quellenangabe, Belegexemplar erbeten.
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