Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/98      Seite 14
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Tendenz: Druck nach unten weitergeben!

Kritik der ALSO am Haushaltsentwurf

Die ALSO hat eine wohlüberlegte, ausführliche Stellungnahme zu den Haushaltsberatungen der Stadt Oldenburg für 1999 vorgelegt. Da die Kritik 35 Seiten umfaßt, ist es unmöglich, sie an dieser Stelle ausführlich zu zitieren. Es sei also jederfrau und jedermann empfohlen, sich das Papier in der Kaiserstraße 19 zu holen und es Ruhe zu studieren. Im ersten Teil beschreibt es die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die Krise der Sozialversicherungssysteme, die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben sowie die massiven Einschnitte bei allen Sozialeinkommen. Auch die Lage und Struktur der Sozialhilfeberechti gten sowie die Entwicklung des kommunalen Finanzrahmens werden ausführlich dargestellt.

Der Stachel bringt im Folgenden einen Ausschnitt aus dem zweiten Teil der ALSO- Kritik, der sich direkt auf den aktuellen Haushaltsentwurf bezieht. Die anschließende Stellungnahme zur kommunalen Arbeits- und Beschäftigungspolitik kann aus Platzgründen leider nicht mehr berücksichtigt werden. Vorweg aber ein Hinweis der ALSO in eigener Sache, zitiert aus dem Vorwort:

Kürzung bis zum Aus?

"Die Auseinandersetzungen um den Haushalt der Stadt Oldenburg spitzen sich jedoch seit 1997 immer mehr zu einer existenziellen Frage für uns und viele andere soziale Einrichtungen in Oldenburg zu. Nicht nur, daß die fünfzehnprozentige Haushaltskürzung in 1997 bereits viele Einrichtungen hart getroffen hat, die Verwaltung versuchte in diesem Jahr in wachsendem Maße darüberhinaus, an den gewählten Mehrheiten und deren Beschlüssen vorbei ihr eigenes politisches Süppchen zu kochen und bestimmte ihr unbeliebte Organisationen auszutrocknen. (...)

Auch im Verwaltungsentwurf für den Haushaltsplan 1999 setzt sich diese Tendenz fort. So hat die ALSO z.B. 122.000 DM für die ihr vertraglich zugesicherten Personalkosten für zwei halbe Stellen sowie für die Warmmiete des Arbeitslosenzentrums beantragt, doch im Verwaltungsentwurf sind nur gerade 'mal 83.000 DM Zuschuß vorgesehen - das wäre sogar 7.000 DM weniger als die vertraglich abgesicherten tatsächlichen Personalkosten betragen. Ebenso wie wir sind Donna 45 und das Therapie- und Beratungszentrum für Frauen wieder von umfassenden Kürzungen bedroht, die den Fortbestand dieser Einrichtungen gefährden würden. Und bei einer Reihe der anderen im "Aktionsbündnis Oldenburg 2000 - die Zukunft des Sozialstaats" zusammengeschlossenen Einrichtungen und Initiativen (AIDS-Hilfe, Arbeitslosenselbsthilfe, Autonomes Frauenhaus, BEKOS, DONNA, Frauen lernen gemeinsam, IBIS, Kinderschutzzentrum, Konfliktschlichtung, Kulturzentrum Rennplatz, Mädchenhaus, Pro Familia, Selam, Stadtteiltreff Kreyenbrück, Therapie- und Beratungszentrum für Frauen, Wildwasser) wurden einfach nur die Ansätze des Vorjahres übernommen, die zum Teil weit hinter den beantragten Summen zurückbleiben und mit Sicherheit Umfang und Qualität der dort geleisteten Arbeit einschränken werden. Alle diese Einrichtungen müssen seit Jahren um den Fortbestand ihrer Arbeit bangen. Alle bekommen seit Jahren zu wenig Geld für die Arbeit, die geleistet wird. Alle haben in den vergangenen Jahren sowieso schon unfreiwillig gespart, weil Personal- und Sachkostenzuschüsse nie an die Preisentwicklung angepaßt wurden. Alle können Umfang und Qualität ihrer Arbeit nur über ehrenamtliches Engagement aufrechterhalten, und alle müssen jedes Jahr wieder auf die Matte, weil jedes Jahr wieder Kürzungen drohen. (...)

Der Einspareffekt durch die Kürzungsvorschläge der Verwaltung für die in "OL-2000" vertretenen Einrichtungen ... beläuft sich mittlerweile auf über 300.000 DM. Gegenüber den 31 Mio DM, um die sich der durch Fehlbedarf im städtischen Haushalt auf dann 75 Mio DM Gesamtfehlbedarf in 1999 erhöhen wird, ist dies eine lächerliche Summe, die im Grunde nichts zur Konsolidierung des Haushalts beiträgt, die aber sehr wohl verheerende Auswirkungen auf die Arbeit der Einrichtungen hätte.

(...)

Der Haushaltsentwurf im einzelnen

... Selbst innerhalb des geringen Gestaltungsspielraums sehen wir durchaus Alternativen und unterschiedliche mögliche Schwerpunktsetzungen, die jedoch für den Lebensalltag der Erwerbslosen, Sozialhilfeberechtigten und Geringverdiener weitreichende Folgen haben. Leider sehen wir eine Tendenz, die die ... negativen Entwicklungen auf Bundesebene und Landesebene für die Betroffenen auf der kommunalen Ebene fortsetzt und noch verschärft, anstatt sie nach Möglichkeit abzufedern.

Haushaltsrettung durch Sozialsparen?

Sparpolitik, die auf eine Haushaltskonsolidierung aus eigener Kraft setzt, ist nach Auffassung der ALSO jedoch völlig perspektivlos. Dies läßt sich schon aus zwei Daten des vorgelegten Verwaltungsentwurfs für den Haushalt 1999 schließen. Demnach wird der Gesamtfehlbedarf, den die Stadt in ihrem Haushalt vor sich herschiebt und den sie irgendwann ausgleichen muß, sich trotz einer erhöhten Schuldentilgung und der sehr optimistischen Annahme einer allmählichen Verringerung der jährlichen Haushaltsdefizite von 72 Mio DM (1998) auf 102 Mio DM (2002) erhöhen - falls es bis dahin keine wirtschaftliche Rezession geben sollte, die alle Zahlen über den Haufen wirft. Gleichzeitig werden sich die Ausgaben für städtische Investitionsvorhaben drastisch verringern, da der Vermögenshaushalt von derzeit 136 Mio DM auf 105 Mio DM schrumpfen soll. Die Haushaltsprobleme der Stadt werden so nicht zu lösen sein. Zu erwarten ist aber, daß durch die Fixierung auf eine gar nicht zu realisierende Haushaltskonsolidierung bestehenden Sozialleistungen weiter zusammengestrichen werden und sich die Zahl der Arbeitslosen erhöhen wird. Umso mehr verwundert es die ALSO, daß die PolitikerInnen der rot- grünen Ratsmehrheit nicht stärker über eine alternative Politik nachdenken, die sie davor bewahren könnte, ihre eigene Programmatik ad absurdum zu führen. Dabei müßte es aus unserer Sicht darum gehen, daß die Stadt durch eine offensive politische Auseinandersetzung mit der Bezirksregierung den Druck auf diese erhöht, um so zu einer Erweiterung des städtischen Handlungsspielraums zu kommen. Weiter erwarten wir, daß die Kommunalpolitiker alle ihre Möglichkeiten ausschöpfen, um angesichts der neuen Mehrheit im Bundestag ihre Parteifreunde in Bonn und Hannover zu einer kommunalen Finanzreform zu bewegen.

Radikale Kürzungen nötig!

Eine katastrophale Zuspitzung der Haushaltslage erfordert u.E. aber auch radikalere Entscheidungen, was Ausgabenkürzungen sowohl im Vermögens- als auch im Verwaltungshaushalt angeht. Die Reduzierung der städtischen Grundstücksankäufe sowie ein Stopp der Vergünstigungen und kostenlosen Vorausleistungen für Gewerbeansiedlungen brächten Einsparungen in Millionenhöhe. Für die Behauptung, mit solchen Subventionen würden neue Arbeitsplätze in Oldenburg ermöglicht, sollten endlich einmal ernsthafte Untersuchungsergebnisse vorgelegt werden: Welchen Netto-Arbeitsplatz-Effekt hatten denn die zweistelligen städtischen Subventionen in Millionenhöhe der vergangenen Jahre z.B. nur für die FLEIWA, den Schlachthof und Peguform?

Pausenbrot gegen bleibende Werte?

Entscheidungen für städtische Investitionen werden auch gern damit begründet, daß damit ja bleibende Werte für die Stadt geschaffen werden, während soziale Sicherung einfach nur aufgegessen wird und verschwindet. Erfahrungsgemäß lösen Investitionen wie z.B. für das Janssen-Museum jedoch auch Folgekosten aus, die dann in den folgenden Jahren im Verwaltungshaushalt als Ausgabeposten aufscheinen (z.B. Personalkosten, Kosten für Gebäudeunterhaltung oder für Museumsleihgaben) - als Faustformel rechnet man hier, daß rund 10% einer Investitionssumme später im Verwaltungshaushalt konsolidiert werden müssen. Auch daß aus den Krediten für diese Investitionen der "bleibende Wert" von mittlerweile 42 Mio. DM an Zinsbelastungen pro Jahr entstanden ist, der aus dem Verwaltungshaushalt beglichen werden muß, erwähnt niemand. Diese Zinsen fressen den Ärmsten die Butter vom Brot - und nicht umgekehrt! Die einmütigen Ratsbeschlüsse, auf der einen Seite jährlich mindestens 300.000 DM für das Janssen-Museum neu auszugeben, auf der anderen Seite jährlich den (schon im August 1997 aufgebrauchten) Haushaltsansatz für die Fahrpreisermäßigung für Sozialhilfeberechtigte von 235.000 DM (1997) auf 160.000 DM (1998) zusammenzustreichen, verdeutlichen schlagend, wie mit den verbleibenden Spielräumen umgegangen wird. Zu befürchten ist, daß entgegen den eigenen, in der Koalitionsvereinbarung von 1996 festgelegten Absichten und Zielen von SPD und Grünen im kommenden Jahr die Mittel für die Fahrpreisermäßigung und die kostenlose Schwimmbadbenutzung sogar ganz gestrichen werden. Im Haushaltsentwurf der Verwaltung ist dafür jedenfalls kein Pfennig mehr vorgesehen.

Nichts gegen das Janssen-Museum und den Ausbau kultureller Einrichtungen in Oldenburg! Nicht wir, die Ratsfraktionen einschließlich SPD und Grüne sind es, die durch solche Entscheidungen diese Posten gegeneinander stellen. Und sie entscheiden sich für die kulturelle Bereicherung einer bestimmten Schicht der Oldenburger Bevölkerung auf Kosten der Ärmsten, die durch die Kürzung der Fahrpreisermäßigung in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und noch weiter ins gesellschaftliche und kulturelle Abseits gestellt werden. Dazu paßt dann wie die Faust auf 's Auge, daß auch die Gelder für den Bildungsscheck für Erwerbslose sowie für den für alle sozialen Gruppen offenen und kostenlosen Kultursommer gekürzt worden sind, so daß man etwa bei der Durchführung des Kultursommers auf zusätzliche Eintritts- und Sponsorengelder angewiesen ist und es daher z.B. viele Theater- und Musikveranstaltungen nicht mehr umsonst gibt.

Am Tropf: Hafen, WE-Halle...

Auch im Verwaltungshaushalt brächten z.B. eine Anhebung der Hafengebühren oder die Privatisierung der Weser-Ems-Halle bzw. die Reduzierung von deren Zuschußbedarf durch eine Einschränkung der dortigen Veranstaltungen Einsparungen in Millionenhöhe. Die gängigen Gegenargumente, wonach etwa die nicht kostendeckenden Hafengebühren notwendig seien, weil sonst die Hafenbetriebe aus Oldenburg abwandern würden, oder daß die Weser-Ems-Halle indirekt Arbeitsplätze schaffe, weil dort stattfindende Ausstellungen, Messen und Kongresse für eine erhöhte Auslastung im Hotel- und Gaststättengewerbe sorgen würden, sind nichts anderes als Totschlagargumente. Abgesehen davon, daß es noch keinem Vertreter der Unternehmerlobby eingefallen ist, öffentlich beispielsweise gegen die bis heute nicht aufgehobene Kürzung der Bekleidungsgeldpauschale für SozialhilfebezieherInnen von 1996 zu wettern, weil dies Arbeitsplätze im Einzelhandel und in der Textilindustrie gefährden würde, gibt es bis heute keine Untersuchung, die die o.g. Gegenargumente bestätigen könnten. Das wäre wohl auch schwierig, denn daß etwa die Hafenbetriebe an die Moorkanäle des Umlands oder nach Bremen, Hamburg oder Rotterdam abwandern könnten, ist schlicht lächerlich. Und daß die jährlich wachsenden Gelder, die für die Unterhaltung der Weser-EmsHalle und die Subventionierung der Messe- und Kongressveranstalter eingesetzt werden, nicht im sozialen Bereich viel besser eingesetzt wären, weil sie dort unmittelbar den Konsum fördern und dadurch indirekt Arbeitsplätze schaffen, wäre ebenfalls ernsthaft zu prüfen.

Verantwortung auch für Gewinner!

Wir fordern weiterhin, daß mit den eigentlichen Gewinnern der Krise über eine verantwortliche Beteiligung an der finanziellen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte offensiv und politisch verhandelt werden soll. Die Zins- und Tilgungszahlungen aus öffentlichen Haushalten sind die privaten Gewinne z.B. der Bremer Landesbank, der Bayrischen Vereinsbank und einer Reihe von weiteren Privatbanken. Statt die Betroffenen auf die Willkür des Bittens und Bettelns über Sponsoring zu verweisen, sollte ein Zinsmoratorium gefordert werden.

(...)

Die Möglichkeit, Verbrauchs- oder Aufwandssteuern zu erheben, die nicht bundesweit oder landesrechtlich geregelt sind und die das Geld dort holen, wo es reichlich vorhanden ist, sollte offensiv geprüft werden. Steuern auf den Besitz von Zweithäusern oder -wohnungen, auf Reitpferde, auf Luxusgüter ab bestimmten Preisen, auf Gewinne, die durch kommunale Flächenplanung entstehen, usw. könnten geprüft werden. Auch könnten die Grundsteuern A und B erhöht und an die Hebesätze der Gewerbesteuer angeglichen werden, wie es eigentlich vorgeschrieben, aber in Oldenburg nicht der Fall ist. Kommunalpolitiker, die über solche Vorschläge nur lächeln können, belächeln ihre eigene Zurechtstutzung auf die Funktion von Sparbürokraten und ihre fehlende politische Courage, das gesellschaftliche Tabu "Reichtum" aufzubrechen.

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Immer weniger Sozialhilfe?

Von 1994 bis 1996 wurden die Haushaltsansätze (für die Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen) regelmäßig um mehrere Mio DM zu niedrig angesetzt... Und auch die Haushaltsansätze von 1998 und 1999 sind bei weiter steigenden Fallzahlen nur mit großer Vorsicht zu genießen ... Nicht nur hier, sondern z.B. bei den Einnahmen durch Unterhaltszahlungen der Verwandten von SozialhilfebezieherInnen außerhalb von Einrichtungen haben wir den Eindruck, daß die Stadtverwaltung mit fragwürdigen und irreführenden Haushaltsansätzen operiert.

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Statt auf solide Prognosen zu setzen und über realistische Haushaltsansätze und weitere unterstützende Maßnahmen einen solidarischen Umgang mit den ärmsten Oldenburger Mitbürgern zu planen, wird so das öffentliche Jammern über die steigende Last durch Sozialhilfeberechtigte vorprogrammiert, und die Diskussion über Sozialhilfe dreht sich nicht mehr darum, wie die Lebensbedingungen der Betroffenen verbessert werden können, sondern ausschließlich um Kostenfaktoren und effektive Mittel zur Abschreckung vor weiteren Anträgen auf Sozialhilfe.

Einmalige Beihilfen

Durch einmalige Leistungen wie z.B. das Bekleidungsgeld sollen solche Anschaffungen und Kosten finanziert werden, die nicht durch den Regelsatz abgedeckt werden, aber trotzdem zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendig sind. Ihnen kommt gerade wegen des viel zu niedrigen Niveaus des Sozialhilferegelsatzes ... eine besondere sozialpolitische Bedeutung zu - wären sie doch ein wichtiges mögliches Instrument für die Kommunen, die hier aus eigener Verantwortung etwas Ausgleich schaffen könnten. Doch wie die Betrachtung der Haushaltsausgaben für die einmaligen Leistungen der Stadt Oldenburg verrät, ist dies ein Bereich, in dem die Stadt selbst verstärkte Sparanstrengungen unternimmt. Erschreckend ist, daß sich die durchschnittliche Summe der einmaligen Leistungen pro Person im Langzeitvergleich von 1980 auf 1993 nur um ca. 60 DM (bzw. 15%) erhöht hat, obwohl das Bekleidungsgeld 1989 um 80 DM erhöht worden ist (insbesondere von 1983 - 1986 ist es hier zu großen Einsparungen gekommen, so daß man sagen kann, daß die SozialhilfebezieherInnen damals die Haushaltskonsolidierung der Stadt wesentlich mit zu finanzieren hatten). ... Und nichts deutet darauf hin, daß sich die Situation bis 1998 verbessert haben könnte, denn nach den Erfahrungen, die in der Beratung der ALSO an uns herangetragen werden, ist der Kurs des Sozialamts bei den Einmaligen Leistungen eher noch restriktiver geworden.

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Daß auf Kosten dieser für die Sozialhilfeberechtigten so wichtigen Einnahmequelle auch in den letzten Jahren gespart wurde und im nächsten Jahr verschärft gespart werden soll, zeigt sich auch am prozentualen Anteil, den die Einmaligen Beihilfen an den Gesamtausgaben der Hilfe zum Lebensunterhalt einnehmen. Er sinkt von 1994 über 16 % auf 13,9 % im Haushaltsansatz für 1999, obwohl durch höchstrichterliche Gerichtsentscheidungen des letzten Jahres hier eine Ausweitung der zu beantragenden Gebrauchsgegenstände stattgefunden hat (z.B. Fernseher). Solche bewußt zu niedrig kalkulierten Haushaltsansätze bedeuten faktisch, daß ein struktureller Spardruck auch innerhalb des Sozialamtes auf die Sachbearbeiter erzeugt wird, die ihn oftmals als Abschreckung und Schikane an die Antragsteller weitergeben. Berechtigte Anträge werden abgelehnt, es wird weniger Geld für die einzelnen Posten zugestanden und auf diskriminierende Sach- statt Geldleistungen verwiesen. Im Sozialamt, das für immer mehr Menschen zur letzten Anlaufstelle wird, erwartet die Menschen statt einer umfassenden Aufklärung und Hilfestellung für ihre sowieso schon schwierige Lebenslage ein Kampf um jede Unterhose. (...)

Kinder und Sozialhilfe

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, die in Haushalten leben, welche Sozialhilfe bekommen, steigt seit Ende der 70er Jahre fortgesetzt an. Ihr Anteil an der Gesamtzahl aller SozialhilfebezieherInnen hat sich seitdem fast verdoppelt und beträgt mittlerweile 43,2% aller BezieherInnen von Hilfe zum Lebensunterhalt! Nach der letzten verfügbaren Statistik von 1993 lebte bereits jedes sechste Kind von der Sozialhilfe und bei den Kindern unter 10 Jahren war es sogar schon fast jedes Fünfte. Und nach einem Vortrag der Sozialdezernentin anläßlich der Eröffnung der Gesundheitstage in Oldenburg soll ihre Zahl bis zum 17.9.98 bereits 4.757 betragen haben; so daß auf das Jahr hochgerechnet etwa jedes vierte Kind unter 18 Jahren in der Stadt auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sein wird. Diese Zahlen verweisen nicht nur darauf, wie dringend es wäre, endlich Maßnahmen zur Verbesserung der Sozialhilfeleistungen für Kinder und Jugendliche sowie für ihre oftmals alleinerziehenden Mütter zu treffen, wie sie ALSO und DONNA 45 schon seit langem fordern (z.B. mehr Geld für Kinderspielzeug und für Kinderfahrräder und pauschalisierte Hilfen für Schulbedarf wie etwa Bastelgeld, für Turnsachen, Hefte, usw.). Sie belegen auch, daß es in der Bundesrepublik immer riskanter wird, überhaupt noch Kinder in die Welt zu setzen. In einem der reichsten Länder der Erde kommt es inzwischen schon dann zu einer massiven Erhöhung des Verarmungsrisikos, wenn eine Familie zwei Kinder bekommt - wie erst kürzlich durch den Bericht der Komission zur Lage von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik bestätigt worden ist. Und für einen Großteil aller alleinerziehenden Frauen bleibt sowieso für lange Zeit nur noch die Sozialhilfe. Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, daß die Kindergelderhöhungen der vergangenen Jahre zwar allen anderen Eltern unabhängig vom Einkommen zugute kamen, aber ausgerechnet den sozialhilfeberechtigten Eltern nicht! Ihnen wird das Kindergeld als Einkommen von der Sozialhilfe abgezogen. Nach unseren Berechnungen hat die Stadt Oldenburg dadurch allein 1997 rund 250.000 DM eingespart. Die bundesgesetzliche Regelung können die Kommunalpolitiker nicht ändern - aber die kommunalen Einsparungen könnten sie als konkrete Verbesserungen an die Betroffenen zurückgeben als Beihilfen für Kinder und Kindererziehung.

(...)"

 

 
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