Oldenburger STACHEL Ausgabe 11/98      Seite 12
 
Inhalt dieser Ausgabe
 

Männer gegen Männer-Gewalt

Oldenburger Beratungsstelle im Aufbau

Männer gegen Männer-Gewalt ist bisher als Kontakt- und Beratungsstelle für gewalttätige Männer in Hamburg bekannt, die z. Z. ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Das anerkannte Konzept, die erfolgreiche Arbeit und das Wissen darum, daß auch Männer aus dem gesamten Weser-Ems-Gebiet dort Hilfe suchten, führte vor kurzem zur Gründung des Vereins Männer gegen Männer-Gewalt+ Oldenburg. Getragen wird der Verein von Männern, die in Hamburg die berufsbegleitende Ausbildung zum Gewaltberater und -pädagogen gemacht haben. Erklärtes Ziel des Vereins ist die Einrichtung einer Beratungsstelle für gewalttätige Männer auch in Oldenburg.

Wer sind die gewalttätigen Männer?

Es gibt viele Vorurteile gegen gewalttätige Männer. Etwa, daß sie in in sozial niedrigen Schichten eher anzutreffen sind. Die Erfahrung zeigt aber, daß Gewalt von Männern das einzige Delikt ist, daß gleichmäßig über die gesamte männliche Bevölkerung verteilt ausgeübt wird. Es sind also Männer wie Du und ich. Jedenfalls gibt es mehr Gemeinsamkeiten zwischen den "normalen" und den gewalttätigen Männern, als es Unterschiede gibt. Das zu glauben fällt den meisten schwer. Männer sind es gewohnt, sich abzugrenzen und suchen daher eher nach Unterschieden als nach Gemeinsamkeiten. Auch ein Grund, warum es soviel Konkurrenz und sowenig Mit-Gefühl unter Männern gibt. Ein weiteres Vorurteil ist, daß gewalttätige Männer ihre Aggressionen nicht im Griff haben. Die Erfahrung aus der Beratung ist, daß die meisten gewalttätigen Männer aggressiv gehemmt sind. Sie sind sozial sehr angepaßt (Typisch, wenn die Gewalt öffentlich wird:"Das hätte ich von dem wirklich nicht gedacht"). Wenn sie sich etwa in einem Streitgespräch mit ihrer Frau in die Enge getrieben fühlen, tun sie alles, um Gefühle wie Ohnmacht oder Unsicherheit zu verbergen. Solche Gefühle sind dem gängigen Männerbild zufolge höchst unmännlich und gefährden damit die eigene Identität. In einer solchen Situation kann mann schnell klarstellen, wer wirklich der Stärkere und Überlegenere ist: mit Zuschlagen.

Und wieso sind "normale" Männer gewalttätig

Gewalt ist Teil der Sozialisation jeden Mannes. Wenn ein Junge nach einem Streit weinend nachhause kommt, wird er in den seltensten Fällen gefragt, wie es ihm geht. Die Frage ist eher, ob er sich gewehrt hat. Und der Satz vom "Indianer, der keinen Schmerz kennt" ist, inzwischen verklausuliert, immer noch im Repertoire der Jungenerziehung enthalten. Dies ist der Anfang einer systematischen Desensibilisierung, die einen Jungen schließlich in die Lage versetzt, "seinen Mann zu stehen". Er würde nämlich dem gängigen Männerbild widersprechen, wenn er zuviel von seinen "schlechten" Gefühlen merken würde: Hilflosigkeit, Angst, sich klein oder unterlegen fühlen. Und da Männlichkeit nicht per se da ist, sondern von jedem Mann erworben werden muß, ist seine Männlichkeit sofort bedroht, wenn diese Gefühle nach außen sichtbar werden. Aber es gibt ein probates Mittel, solche Situationen wieder "in den Griff" zu bekommen: zuschlagen. Damit ist er wieder initiativ, er handelt, entspricht also wieder einem "richtigen" Mann

Warum brauchen gewalttätige Männer eine spezielle Beratungsstelle?

Tatsache ist, daß nur wenige Männer die Angebote von Familien- oder Lebensberatungsstellen annehmen, der Anteil an gewalttätigen Männern ist marginal. Ein Grund ist, daß ein "richtiger" Mann mit allem alleine klarkommt und diese "Sozialheinis" nicht nötig hat. Das zeigen derzeit z. B. die Katastophenhelfer von Eschede; keiner sagt ihnen allzu laut, daß das "Debriefing" (Einsatznachsorgegespräch) zur Verarbeitung ihrer schrecklichen Erlebnisse etwas mit Therapie zu tun hat, weil Männer in ihrem Selbstverständnis auch mit den größten Problemen alleine klarkommen. Eine Beratungsstelle "Männer gegen Männer-Gewalt" nimmt dem Mann auch die vielleicht beschämende Antwort ab, weshalb er denn Beratung braucht. Das ist klar, wenn er die Beratungsstelle betritt. Und in der Beratungsstelle arbeiten keine geschlechtslosen Berater sondern Männer mit Männern und Jungen.

Was bringt die Beratung bei Männer gegen Männer-Gewalt?

Die Berater bei Männer gegen Männer-Gewalt solidarisieren sich mit dem gewalttätigen Mann. Sie moralisieren nicht an dessen Verhalten herum, sie fragen nicht, welche Gefühle er hat, wenn er zuschlägt. Die beratenden Männer machen ihm lediglich eine Rechnung auf: Was kostet ihn sein gewalttätiges Verhalten. Das Schlagen hat nämlich seinen Preis. Die Opfer, oft Frau und Kinder, Menschen, die er liebt und von denen er geliebt werden möchte, begegnen ihm nur noch mit Angst und Mißtrauen. Ein Täter ist bald ziemlich einsam. Die Solidarität mit dem Täter hat nichts mit Verständnis im Sinne von Weg-verstehen zu tun. Die beratenden Männer distanzieren sich unmißverständlich vom gewalttätigen Handeln des Täters, sie zeigen ihm auf, was er gewinnen kann, wenn er in Zukunft anders mit seinen Problemen umgeht.

Anträge an den Oldenburger Rat

Männer gegen Männer-Gewalt hat an die Ratsfraktionen der Stadt zwei Projektanträge gestellt. Einen Antrag auf Finanzierung einer Kontakt- und Beratungsstelle, um die Beratung zu einem verläßlichen Angebot für ratsuchende Männer zu machen. Und einen Antrag auf Einrichtung eines Jungenprojekts zur Gewaltprävention.

Das Jungenprojekt

Das Lebensgefühl von Jungen pendelt zwischen den Polen "Held" in der Fantasie und "Hasenfuß" im realen Erleben. Diese Diskrepanz entsteht aus der Unerreichbarkeit männlicher Ideale. Über das reale männliche Erleben erfährt der Junge nur sehr wenig, da seine Erziehung meistens Frauen überlassen ist. So kann er nichts über männliche Identität lernen. Aber auch die anwesenden Väter sind oft unsichtbar, versteckt hinter ihrer Arbeit oder dem Fernseher. Und wenn Vater geschafft von der Arbeit nachhause kommt, erzählt er nicht, daß er sich überfordert fühlt oder von seinem Chef kleingemacht wurde; er erzählt, daß es mal wieder ein harter Tag war... Und der Junge sieht, daß Männer hart sind und alles durchstehen. Im realen Erleben des Jungen gibt es Angst, Ohnmacht, alltägliche Probleme. Aber er denkt, er steht mit diesem Problemen alleine da, weil alle anderen so cool sind. Und so gibt er sich alle Mühe, ebenso cool zu sein. Und wenn das als Fassade zu brüchig ist, ist Gewalt das Mittel, sich als männlich darzustellen. Das Jungenprojekt ist darauf angelegt, Jungen diese Zusammenhänge deutlich zu machen, ihnen aufzuzeigen, welchen Preis sie für dieses Verhalten zahlen müssen und wie sie sich in Zukunft auch in ihren Emotionen zeigen zu können, ohne als "Weichei" oder als "Schwuler" dazustehen.

Die Beratungsstelle i. E. ist in der Schützenhofstr. 147, Ecke Eidechsenstr. Beratungszeiten und weitere Informationen unter Tel.: 88 57 57

jr

 

 
  Differenzen zur gedruckten Fassung nicht auszuschließen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Siehe auch Impressum dieser Ausgabe und Haupt-Impressum